US-Wahl:Clinton färbt die USA blau

DNC in Philadelphia 2016

US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton

(Foto: dpa)
  • Knapp drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl in den USA sieht Meinungsforscher Nate Silver Hillary Clinton deutlich in Führung.
  • Selbst in traditionell republikanischen Staaten wie Texas oder Utah ist das Rennen offen.
  • Die Wahl könnte die politische Landkarte Amerikas tiefgreifend verändern.

Von Reymer Klüver

Am Ende klang Hillary Clinton so salbungsvoll, als wäre alles bereits gelaufen und sie Präsidentin der Vereinigten Staaten. "Ich wende mich an alle Amerikaner", sagte die demokratische Kandidatin am Schluss der dritten und letzten Fernsehdebatte, "an Demokraten, Republikaner und Unabhängige." Und für den, der noch immer nicht verstanden hatte, fügte sie hinzu: "Denn wir brauchen jeden, um unser Land zu dem zu machen, was es sein sollte."

Der Appell an das patriotische Herz ihrer Landsleute war natürlich einstudiert und wohl kalkuliert. Er offenbart die Strategie, mit der Clinton in die letzten 19 Tage des Wahlkampfs geht: Sie will nicht nur demokratische Stammwähler mobilisieren. Sie zielt nicht nur auf die Wechselwähler, also die Stimmbürger in der Mitte, die bei den Präsidentschaftswahlen in den USA noch immer den Ausschlag gegeben haben. Sie umwirbt nun sogar Wähler, die gemeinhin ihr Kreuz bei den Republikanern machen, aber diesmal von dem Kandidaten ihrer Partei so abgestoßen sind, dass sie einen Seitenwechsel in Betracht ziehen.

Hillary Clinton will nicht nur gewinnen, sie will klar gewinnen. Ein breiter Wahlsieg, auch mit Stimmen aus dem konservativen Lager, könnte Clinton helfen, einen Malus auszugleichen, der sie seit Beginn des Wahlkampfs belastet: Sie ist im Land bisher schlichtweg nicht wirklich beliebt. Mehr als die Hälfte der Amerikaner geben in Umfragen kund, sie nicht zu mögen.

Die Wahl könnte die politische Landkarte Amerikas tiefgreifend verändern

Nate Silver, einer der Meinungsforschungs-Gurus Amerikas, stellte Anfang dieser Woche denn auch die Frage: "Sollte Clinton versuchen, einen Erdrutschsieg zu erringen?" Silver hat in der Branche einen Ruf wie Donnerhall, seitdem er vor acht Jahren im Auftrag der New York Times die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl in 49 von 50 Bundesstaaten korrekt vorhergesagt hatte - eine Leistung, die er 2012 sogar noch übertraf: Er lag in allen 50 Bundesstaaten richtig.

Jetzt verweist Silver darauf, dass sich das Farbmuster der politischen Landkarte Amerikas, das sich bei vergangenen Wahlen nur wenig verändert hat, diesmal deutlicher wandeln könnte, als es selbst bei der Wahl Barack Obamas 2008 der Fall war. Bundesstaaten, die seit Jahrzehnten tief rot eingefärbt sind, also stets verlässlich republikanisch gewählt haben, kolorieren die Meinungsforscher inzwischen vorsichtshalber nurmehr rosafarben. Noch immer eher konservativ, aber die Demokratin Clinton könnte eine Chance haben.

In Texas etwa, seit Jahrzehnten ein Stammland der Republikaner, trennen Trump und Clinton in der jüngsten Umfrage nur noch drei Prozent. Vor vier Jahren betrug der Abstand zwischen dem Demokraten Barack Obama und seinem Herausforderer Mitt Romney dort fast 16 Prozent - zugunsten des republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Im erzkonservativen Utah liegen Clinton und Trump in einigen Umfragen gleichauf. Selbst das raue Alaska, das sonst so verlässlich republikanisch stimmt wie Hawaii demokratisch, ist zum Erstaunen der Meinungsforscher diesmal in play, wie sie sagen. Es könnte also durchaus auch an die Demokraten gehen: Zuletzt lag Trump nur noch einen Prozentpunkt vor Clinton.

Selbst traditionell republikanische Staaten färben sich blau

Ihr Wahlkampfteam hat diesen Trend durchaus registriert. Im bislang roten Arizona zum Beispiel hat es hastig für zwei Millionen Dollar TV-Werbezeit gekauft und schickt in Clintons Tochter Chelsea, First Lady Michelle Obama und Bernie Sanders gleich drei prominente Wahlkampfhelfer in den Bundesstaat, der zuletzt 1996 für einen demokratischen Präsidentschaftskandidaten gestimmt hatte: Hillarys Mann Bill.

Unumstritten ist die Strategie im Wahlkampfteam Clintons indes offenbar nicht. Manche fürchten, dass die Kampagne auf den letzten Metern die entscheidenden Swing States aus den Augen verlieren könnte, also Bundesstaaten wie Florida oder Ohio, die in den vergangenen Wahlen mal demokratisch, mal republikanisch abgestimmt haben und ohne deren Stimmen gemeinhin eine Mehrheit im Wahlleutegremium nicht zu erreichen ist, das am Ende den Präsidenten bestimmt. Diese Bundesstaaten sind auf den politischen Landkarten der Meinungsforscher immer grau gehalten, weil sie auf die eine wie auf die andere Seite tendieren können. Aber auch von denen färben sich in den vergangenen Tagen immer mehr hellblau, manche inzwischen sogar dunkelblau. Sie dürften, wenn die Umfragen nicht vollkommen täuschen, an die demokratische Präsidentschaftsbewerberin gehen.

So ist sich Nate Silver inzwischen ziemlich sicher, dass Pennsylvania, Minnesota und Virginia an Clinton fallen. Auch Florida hat er mittlerweile zumindest hellblau koloriert. Und selbst in einem Südstaat wie North Carolina traut er Clinton mehr zu als Trump. Dass sich alles zu einem Erdrutschsieg Hillary Clintons addiert, darauf aber will er sich dann doch nicht festlegen lassen.

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