US-Wahlkampf:„Unverhohlene fremde Einmischung“

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Premierminister Keir Starmer, laut Trump „very nice“ und „very popular“, sieht kein Problem. (Foto: Benjamin Cremel /Reuters)

Donald Trump beklagt, dass etwa 100 Mitarbeiter der britischen Labour-Partei als Freiwillige das Wahlkampfteam seiner Konkurrentin Kamala Harris unterstützen wollen. Ein Skandal?

Von Michael Neudecker, London

Das Wahlkampfteam von Donald Trump hat eine formelle Beschwerde bei der US-Wahlkampfaufsicht in Washington eingereicht, die der britischen Regierungspartei Labour eine „unverhohlene fremde Einmischung“ in den US-Wahlkampf vorwirft. So weit die Faktenlage, die am Mittwoch für etwas Aufregung in Westminster sorgte. Die Labour-Regierung mischt sich in Wahlen des wichtigsten internationalen Partners ein? Es wäre natürlich das, was man einen politischen Skandal nennt.

Nur, das Wahlkampfteam von Donald Trump ist halt auch das Wahlkampfteam von Donald Trump – dem ehemaligen und womöglich künftigen US-Präsidenten, der nicht gerade für Seriosität bekannt ist. „Es ist eben Wahlkampf“, sagte am Mittwoch dazu der britische Verteidigungsminister John Healey lapidar. Eigentlich sprach er im Saal des Trinity House mit dem deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius über das neue deutsch-britische Abkommen. Aber die britischen Journalisten mussten schon aus Pflichtbewusstsein danach fragen: Diese Beschwerde, könne die nicht zum Problem für die US-britischen Beziehungen werden, sollte Trump gewählt werden?

Harris-Unterstützer bekommen die Übernachtung gezahlt – das sei widerrechtlich

Keir Starmer, der Premierminister, hat am Mittwoch mehrfach betont: Nein, das sei nicht der Fall. Healey sagte Ähnliches. Im September erst war Starmer in New York im Trump Tower, das zweistündige Dinner mit Trump soll nach Erzählungen aus der Labour-Partei gut verlaufen sein, Trump sei sogar „charming“ gewesen. Danach sagte Starmer, er würde als Premierminister mit jedem Präsidenten zusammenarbeiten, den die US-Amerikaner demokratisch wählten. Trump sagte, Starmer sei „very nice“ und in seinem Land „very popular“, was eine etwas Trump-hafte Interpretation der inzwischen absolut miesen Umfragewerte Starmers war.

Die Beschwerde gründet auf einem Beitrag von Sofia Patel, die in der Labour-Partei den Titel „Head of Operations“ trägt. Das heißt, sie steht auf der Gehaltsliste der Partei, nicht auf jener der Regierung. Das ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Detail. Patel hat nämlich auf dem Netzwerk Linkedin einen Beitrag gepostet, in dem sie darüber schrieb, dass „fast 100 aktuelle und ehemalige Labour-Mitarbeiter“ in den kommenden Wochen in die USA reisten, um im Team der demokratischen Kandidatin Kamala Harris mitzuarbeiten. Zehn Stellen seien für North Carolina noch offen, Interessierte könnten sich melden bei labourforkamala@gmail.com. Für Unterkunft sei gesorgt.

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Nach Ansicht des Trump-Teams ist genau das, die Bezahlung der Unterkunft, ein widerrechtlicher Eingriff. Nach US-Gesetz ist es Ausländern verboten, gegen Bezahlung im Wahlkampf aktiv mitzuarbeiten. Dass der britische Reform-UK-Chef Nigel Farage laut Daily Mirror nicht davor zurückschreckte, 33 000 Pfund aus Spendengeldern einzusetzen, um Trump vor Ort im Wahlkampf zu unterstützen, das wiederum schien Trumps Team eher nicht zu stören.

Auch junge Freiwillige aus anderen Ländern helfen im US-Wahlkampf mit

Die Freiwilligen seien jung, „sie sammeln eben Erfahrungen“, sagte John Healey. Und: Sie seien dort „als Privatpersonen und nicht als Labour-Repräsentanten“, sagte Premier Starmer. Tatsächlich ist dies nicht nur in Großbritannien, sondern auch etwa in Deutschland üblich: Dass junge Parteimitarbeiter in anderen Ländern, besonders gern in den USA, mithelfen, wenn ein Wahlkampf ansteht. Macht sich gut im Lebenslauf, und Einblicke im Ausland sollen ohnehin hilfreich sein.

Durch die Beschwerde wurde die Sache nun zu einem offiziellen Vorgang, der zumindest in London Politiker und Medien beschäftigt. Der Beitrag von Sofia Patel und die etwas unprofessionell wirkende E-Mail-Adresse zahlten schließlich ein auf den Eindruck, den die Labour-Regierung in ihren ersten hundert Tagen hinterlassen hat: engagiert, ja, aber eben auch ein wenig unbeholfen im Umgang mit weitgehend irrelevanten Geschichten.

Selbst die BBC war in der Bewertung des Vorgangs entsprechend transatlantisch gespalten. Während die Politikreporter in London von einem „Streit“ sprachen, den der Beitrag ausgelöst habe, sagte der US-Reporter der BBC in Washington, die Angelegenheit sei mindestens aus juristischer Sicht weniger als nichts. Auf Englisch: „a nothing burger“. Dazu bildete die BBC auf der Homepage das appetitlich aussehende Bild eines Burgers ab. Allem Anschein nach Rind, mit viel Käse.

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