Russland und die US-Wahl:Feind bleibt Feind

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Schweigen in Moskau: Von Wladimir Putin ist zunächst noch nichts zu hören. (Foto: GAVRIIL GRIGOROV/AFP)

Russlands Staatschef Putin hält sich mit Glückwünschen an den Wahlsieger Trump zurück, zu groß sind die Vorbehalte gegen die USA. Dennoch erhofft sich der Kreml Vorteile vom Regierungswechsel in Washington.

Von Silke Bigalke, Moskau

Aus Moskau konnte Donald Trump diesmal keine schnellen Glückwünsche erwarten. Er wisse nichts über Wladimir Putins Pläne, dem Wahlsieger zu gratulieren, sagte der Sprecher des russischen Machthabers am Mittwoch, während Putin selbst erst mal schwieg. Man dürfe nicht vergessen, sagte Dmitrij Peskow weiter, dass es sich bei den USA um ein unfreundliches Land handele, „das direkt und indirekt in einen Krieg gegen unseren Staat verwickelt ist“. Andererseits: Es sei fast unmöglich, die Beziehungen zu Washington weiter zu verschlechtern – ob Putin nun gratuliere oder nicht.

Eine gemischte Botschaft also aus Moskau, das ist der Stand am Mittag nach der Wahl: Keinesfalls möchte man zu große Erwartungen in Trumps Präsidentschaft setzen, diesen Fehler von 2016 nicht wiederholen. Gleichzeitig erhofft man sich allein deswegen Vorteile von einem Regierungswechsel, weil es aus Sicht des Kreml kaum schlimmer kommen kann als mit Joe Biden. Dies scheint die Devise zu sein, die der Kreml vorgegeben hat: Abwarten und stets betonen, dass Washington der Feind ist – egal wer dort regiert.

Der ukrainische Präsident Selenskij hat dem Wahlsieger Trump, den er vor wenigen Wochen in New York traf, auf der Plattform X bereits gratuliert. (Foto: Shannon Stapleton/Reuters)

„Ich denke, dass es keine überzogenen Erwartungen geben sollte“, sagte etwa Föderationsratschefin Walentina Matwijenko. Sie glaube nicht daran, dass sich die US-Politik stark verändern werde. Gleichzeitig äußerte sie die Hoffnung, dass „alle flammenden Russophoben, die gegen Russland gehetzt haben“, jetzt aus dem Team im Weißen Haus ausscheiden und das neue Team die US-Politik überdenken werde.

Bei Trumps erster Wahl waren die russischen Erwartungen hoch

Konkreter wurde es zunächst nicht. Auch in Moskau muss man nun analysieren, was das Wahlergebnis für die eigenen Interessen bedeutet. Bei Trumps erster Wahl vor acht Jahren waren die russischen Erwartungen in den Himmel geschossen, man hoffte, Trump würde die Krim als russisch anerkennen, in der Ukraine und in Syrien mit Russland zusammenarbeiten, Sanktionen aufheben. Das Gegenteil ist geschehen: Putin hat häufig beklagt, dass kein anderer US-Präsident so viele Sanktionen gegen Russland beschlossen habe wie Trump. Dieser ist unberechenbarer als Joe Biden und Kamala Harris, auch für den Kreml.

Überhaupt: Ein knapper Sieg für Harris hätte seine Vorteile für Putin gehabt. Der Kreml hätte sich gefreut über Trumps Manipulationsvorwürfe und den gesellschaftlichen Unfrieden, den ein schwaches Ergebnis für die Demokraten womöglich nach sich gezogen hätte. Schon jetzt versuchen Stimmen in Moskau, dieses Misstrauen trotzdem zu beschwören: Es sei wichtig, dass die Republikaner trotz ihres Sieges „über die Machenschaften, Manipulationen und Fälschungen sprechen, die sie während des Wahlkampfes beobachtet haben“, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums im Staatsfernsehen.

Wie nützlich der künftige Präsident Trump für den Kreml werden könnte, hängt dagegen von dessen Politik ab. Jede Missstimmung zwischen USA und Europa würde Putin helfen, etwa falls Trump seine Nato-Partner überfordern oder das Bündnis gleich wieder infrage stellen sollte. Und natürlich hofft Moskau darauf, dass Trump keine oder weniger Waffenlieferungen an Kiew finanzieren möchte, die Unterstützung auslaufen und die Europäer im Stich lassen wird.

Russland hält an den Zielen seiner „Spezialoperation“ in der Ukraine fest

Im Wahlkampf hatte Trump behauptet, er könne Putins Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden. Schon damals hatte der Kreml klargestellt, dass das so einfach nicht gehe, sich der Konflikt nicht an einem Tag und nur zu Putins Bedingungen lösen ließe. Nun wird in den hinteren Reihen der russischen Politik spekuliert, was Trumps Sieg für Putins „spezielle Militäroperation“ bedeuten könnte: Sicher werde in Washington jetzt über die Ukraine-Frage gestritten, und Lieferungen an Kiew würden gestoppt, meint etwa der Duma-Abgeordnete Alexej Tschepa, mitverantwortlich für internationale Angelegenheiten: „Ich denke, im Frühjahr ist alles vorbei.“ Andere warnen Trump vorsorglich davor, Moskau vor irgendein Ultimatum zu stellen. Russland werde sich bei der „Spezialoperation“ weiter auf seine Ziele konzentrieren, hieß es aus dem Außenministerium. Die russischen Bedingungen für ein Ende des Konflikts seien unverändert und wohlbekannt.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat dem Wahlsieger Trump dagegen längst gratuliert. Er freue sich auf „eine Ära starker Vereinigter Staaten von Amerika“, schrieb er auf der Plattform X. Die Ukraine verlasse sich auf „die anhaltend starke parteiübergreifende Unterstützung“ aus den USA.

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