Süddeutsche Zeitung

USA:"So etwas hat es noch nie gegeben"

Ex-Präsident Donald Trump verkündet, dass er 2024 erneut antreten will - und verspricht seinen Anhängern ein "Comeback" Amerikas. Eine Reportage aus seiner Wahlheimat Florida.

Von Peter Burghardt, Palm Beach

Gleich wird ihr Idol drinnen hinter den Mauern und Palmen sein "very big announcement" machen, seine sehr große Ankündigung. Ein paar Fans sind draußen schon da. Sie versammeln sich auf der Brücke, die West Palm Beach mit Palm Beach verbindet, dem Revier von Donald Trump. Gut hundert Meter entfernt leuchten die Lichter von Mar-a-Lago, seinem Märchenschloss und Hauptquartier, durch die Palasttore mit den Polizisten dürfen nur handverlesene Gäste. Eines muss man ihm lassen: Seine Zentrale liegt nicht zum Beispiel in North Dakota, wo es frisch wäre. Sondern im Süden Floridas, wo eine Novembernacht schön warm ist, 25 Grad.

Seine Leute haben dabei, was zum Standard solcher Aufmärsche gehört. "Trump won", steht auf Flaggen, Trump hat gewonnen. In Wirklichkeit hat er verloren, dreimal in Serie, kürzlich wieder bei den US-Zwischenwahlen in Person seiner Kandidaten. "Trump holt sich 2024 Amerika zurück." Save America. Make America Great Again, das blinkende Kürzel MAGA fährt alle paar Minuten auf einem hupenden Jeep vorbei. US-Präsident Joe Biden wird mit dem Slogan "Fuck Biden" gewürdigt und auf einem Shirt mit Hitler-Bärtchen. "Präsident Trump und die, die ihm beistehen", ist auf einem Transparent zu lesen.

Ganz so viele Leute stehen ihm aber gar nicht bei an diesem Abend, nicht hier vor seiner Haustür. Obwohl dies aus Sicht eines Verehrers "heute der beste Platz auf Erden" ist. Um die hundert Anhänger werden es sein, vielleicht etwas mehr. Das könnte ein weiterer Hinweis darauf sein, dass die ganz große Begeisterung für Trump und sein MAGA eventuell nachlässt. Kann aber täuschen, wie so vieles bei ihm. Wird er nur seine Kandidatur für 2024 bekannt geben oder noch mehr?

"Enorm enttäuschend" nennt Ron DeSantis die Ergebnisse der Midterms

Das Gerücht macht die Runde, Trump werde mit einer eigenen Partei ins Rennen gehen. Etliche Republikaner und Gönner scheinen sich nach dessen Triumph in diesem Bundesstaat ja Ron DeSantis zuzuwenden, dem Gouverneur von Florida. Trump mag ihn seither nicht mehr so. "Enorm enttäuschend" seien die Midterms für die Republicans gewesen, stellte Sieger DeSantis gerade fest, ohne denjenigen zu erwähnen, der viele der republikanischen Verlierer ausgewählt hat. Unnötig, es weiß jeder. Trump.

Carol Haas hat DeSantis gewählt, es war mit 48 erst ihre dritte Wahl. Trump habe DeSantis gemacht, sagt sie und mag sich nicht vorstellen, dass die beiden womöglich in zwei Jahren gegeneinander antreten. Sie bliebe bei Trump. "Ich werde nie von seiner Seite weichen. Ich liebe die Art, wie er spricht. He's my man." Ihr Mann. Gehupe und Flugzeuglärm zerreißen den Satz.

Vor allem jedoch will sie, dass ihr Held die Sache grundsätzlich regelt. Für sie sind die Wahlen geklaut. Carol Haas kommt aus West Palm Beach gegenüber und ist Stammgast vor Mar-a-Lago, sie protestierte auch bei der Razzia des FBI. Ihre Freundin Sherri McDonald war sogar am 6. Januar 2021 in Washington. Bei der Demo, nicht im gestürmten Kapitol. "Die verarschen uns verdammt noch mal", sagt sie und meint die Linken.

Die eine trägt einen Cowboyhut mit der Aufschrift "Ultra MAGA", die andere ein Trump-Käppi. Was die beiden Frauen sehr freundlich erzählen, ist harmlos in dieser Runde. Einer hätte gerne eine Sezession der Südstaaten wie vor dem Bürgerkrieg. Einer spricht von "Kriegsführung", will das aber nicht wörtlich verstanden wissen.

So ist das in dieser Welt und diesen Stunden, in denen weit weg in Polen eine Rakete eingeschlagen ist und nicht weit weg in Cape Canaveral gleich eine Rakete Richtung Mond fliegen wird. Donald Trump zündet seine Vorstufe wenige Minuten nach 21 Uhr Ostküstenzeit. "Um Amerika wieder großartig und ruhmreich zu machen, gebe ich heute Abend meine Kandidatur für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten bekannt", sagt er hinten im Ballsaal seines Privatclubs zwischen See und Meer.

Die Lüge vom Wahlbetrug 2020 spart Trump aus

"So etwas hat es noch nie gegeben", sagt Trump. "Und vielleicht wird es so etwas auch nie wieder geben. Amerikas Comeback beginnt genau jetzt." Wohlhabend würden sie ("wir") Amerika wieder machen, stolz, sicher, groß. Grenze, Wirtschaft und so weiter. Die Lüge vom Wahlbetrug 2020 spart er aus, aber wie gewohnt gibt er den von der Justiz Verfolgten. "Ich bin ein Opfer, ich sage es euch, ich bin ein Opfer."

Seine Gemeinde erlebt seinen Auftritt auf Smartphones, mancher als Wortfetzen, die Verbindung hakt. Kurzer Jubel, "Trump, Trump, Trump. USA, USA, USA." Ein 18-jähriger Erstwähler im Stars-and-Stripes-Anzug ist "happy", Carol Haas und Sherri McDonald zeigen sich eher verhalten glücklich.

Zu erwartbar, findet Sherri. "Mehr Aufregung" hätte sich Carol gewünscht. So bombastisch wie Trumps Fahrt vor seiner Bewerbung auf der Rolltreppe 2015 im New Yorker Trump Tower war der Auftritt nicht. Für weniger entflammte Beobachter sind es trotzdem keine schönen Aussichten, dass noch mal mindestens zwei Jahre lang von Trump die Rede sein wird. "Wie ist es möglich, dass wir immer noch über diesen Mann sprechen?", fragt sich die New York Times.

Die Republikaner fragen sich, ob Trump ihr Mann bleibt. Oder ob sie ihn nicht besser los wären und es mit einem jüngeren, juristisch unproblematischeren und nicht ständig von Verschwörung phantasierenden Erzkonservativen wie Ron DeSantis probieren sollten. Die Grabenkämpfe sind inzwischen eine Schlammschlacht. Gemäßigte gegen Radikale, republikanische Trump-Freunde gegen republikanische Trump-Feinde.

Der bisherige Minderheitsführer Kevin McCarthy wurde dennoch am Dienstag von seinen Parteikollegen für das Amt des Abgeordneten-Speakers nominiert. Im Repräsentantenhaus werden die Republikaner die Demokraten anders als im Senat als Mehrheit ablösen. Keineswegs sicher allerdings sind McCarthy jene 218 Stimmen, die er brauchen wird, um die Demokratin Nancy Pelosi auf dem drittwichtigsten Posten der Nation abzulösen. Im demokratischen Senat wiederum forderte der Trump-Krieger Rick Scott den Trump-Kritiker Mitch McConnell als Chef der Republikaner heraus, McConnell setzte sich am Mittwoch durch.

Bewegte Zeiten, Xavier Presley amüsiert sich prächtig. Er ist außer einem vorbeirauschenden Autofahrer ("Trump ist ein Verräter! Ein russischer Agent!") der einzig sichtbare Mensch am Southern Boulevard nach Mar-a-Lago, der Trump nicht vergöttert. "Fuck Trump" steht unter anderem auf seinem Anzug und seinen Pappschildern. So hat er auch die Unterschrift auf seinem Führerschein erweitert. Fuck Trump.

"Ich hasse seine Lügen", sagt Presley, 66 Jahre alt und Koch. "Er tritt an, damit er nicht ins Gefängnis muss." Er kennt die Lügen, seit Trump prahlte, er sei ein herausragender Baseballspieler gewesen. "Er ist ein TV-Star. Er verarscht die Leute die ganze Zeit." Seit sechs Jahren, seit Trumps erster Präsidentschaft, geht Presley zu solchen Versammlungen. Immer allein, bisher unversehrt. Er fällt auch deshalb auf, weil er schwarz ist. Die meisten Trumpsters sind weiß.

Die weißen Amerikaner seien bald in der Unterzahl, sagt Presley, "die sind verärgert", er lacht. "Amerika ist das rassistischste Land der Welt." Aber dies hier sei gar nichts, er war auf Rallys mit Zehntausenden Trump-Anhängern, "ich kämpfe für die Demokratie." Der Anti-Trump Presley wird angehupt und beschimpft. "Ich liebe das", sagt er und lacht wieder in die laue Trump-Nacht von Palm Beach, Florida.

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