Man hätte sich gewünscht, dass der Spuk vorbei ist. Donald Trump hätte seinen sechsmonatigen Urlaub angetreten, Hillary Clinton am 20. Januar ihren Dienst. Doch nun ist der Schock groß, vielleicht noch größer als nach dem unerwarteten Ergebnis der Brexit-Abstimmung in Großbritannien. Noch sind die Folgen nicht abzusehen. Doch die vergangenen Monate verheißen nichts Gutes. Ganz egal, was die Jahre unter Trump nun bringen werden.
Doch der Wahlkampf der zurückliegenden fast eineinhalb Jahre hat jetzt schon vieles zerstört, was Amerika aus- und groß gemacht hat, um das mal so frei nach den Worten des designierten Präsidenten und obersten Befehlshabers der USA zu formulieren, dessen Slogan "Make America Great Again" das Problem auf den Punkt bringt.
Die Macht der Angst
Es war auf beiden Seiten ein Wahlkampf der Angst, wie ihn diese Nation seit mehr als 80 Jahren nicht mehr erlebt hat. Damals, nach 1932, gab Präsident Franklin D. Roosevelt dann im darauffolgenden März bei seiner Amtseinweihung das Credo aus, das Amerika seither bestimmte und das selbst in Europa jedes Schulkind kennt: "Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht." Der Wahlkampf, der nun in der vergangenen Nacht zu Ende ging, war jedoch ein Wahlkampf einer puren Angst, die das Selbstverständnis Amerikas auf eine Weise erschütterte, deren Folgen noch nicht abzusehen sind.
Hillary Clintons Wähler hatten vor allem Angst vor Donald Trump, vor seinen Ausbrüchen und Egomanien, die nur so lange lustig waren, wie er seine Geschäftspartner im Immobilien- und Kasinogeschäft über den Tisch zog oder sich im Realityfernsehen aufplusterte.
Sie hatten Angst vor seinen Horden aus dem Herzland (Heartland) mit ihrem Bildungsmangel, ihrem Hass und ihrem Weltbild, das aus einer Zeit stammt, die die meisten im Land erleichtert hinter sich gelassen haben. Diese Horden haben dann doch so viel Macht entwickelt, dass sie einen wie Trump bis zum Wahlsieg tragen konnten.
Clintons Mantra der "disruption"
Donald Trumps Seite aber hatte ja nicht nur Angst vor Einwanderern, Schwarzen, Schwulen, starken Frauen und welche Minder- und Mehrheiten der Kandidat sonst noch beleidigte. Sie hatte ein ganz reale und rechtschaffene Angst vor Hillary Clinton und der Welt, für die sie steht. Und sie steht ja nicht nur für die Finanzmacht der Wall Street, deren Kapriolen das Leben so vieler Amerikaner zerstört hat, die ihre Jobs, Häuser und Ersparnisse verloren.
Sie steht für eine Schule der Realpolitik, für deren militärische Winkelzüge dann vor allem die Kinder der Herzlandstaaten büßen müssen, die sich mangels Perspektiven bei den Streitkräften verpflichten. Sie steht aber auch für eine Bildungselite, die den amerikanischen Wissenschaften uneinholbare Vorsprünge verschaffte und damit Milliarden aufhäufte, die sie nur verdienen konnte, weil sie ganze Branchen mit ihrem Mantra der "disruption" zerstörte.
Und so begann das Spiel der Angst. Für Hillary Clinton war es weitgehend ein leichtes, denn ihre beste Waffe gegen Donald Trump war Donald Trump selbst. Egal, ob sie beim Parteitag der Demokraten die muslimischen Eltern eines gefallenen Soldaten präsentierte oder sich mit einer mexikanischen Ex-Miss-Universe verbündete, Trump redete sich bereitwillig in all die Ecken, die auch in Amerika längst als finster gelten: Sexismus, Rassismus, Islam- und Fremdenfeindlichkeit gelten selbst unter vielen seiner Anhänger als Tabus.