Süddeutsche Zeitung

US-Waffenrecht:Die US-Waffenlobby gibt nach - ein bisschen

  • Die mächtigen US-Waffenlobbyisten der NRA unterstützen überraschend Pläne für ein Verbot sogenannter "Bump Stocks".
  • Ob es dafür auch die nötigen Mehrheiten im Kongress gibt, ist offen.
  • US-Präsident Trump schweigt noch. Sein alter Weggefährte Steve Bannon kämpft gegen das Verbot.

Von Thorsten Denkler, New York

Nein, natürlich ist das keine zusätzliche "Waffenkontrolle". Derartiges Teufelswerk würde die National Rifle Association (NRA), der übermächtige nationale Waffenverband der USA, nie und nimmer unterstützen. Und doch kommt es einer kleinen Revolution gleich, was da am Donnerstag passiert ist.

NRA-Vizepräsident Wayne LaPierre und Cheflobbyist Chris Cox geben in einer gemeinsamen Erklärung Überlegungen ihren Segen, sogenannte "Bump Fire Stocks" oder auch "Bump Stocks" zu verbieten. Das sind Aufsätze, die legale halbautomatische Waffen quasi in automatische Waffen verwandeln, die weitgehend verboten sind.

Der Plastik-Aufsatz, für unter 100 Dollar zu haben, ersetzt Griff und Schaft. Er sorgt dafür, dass der Abzug der Waffe nach jedem Schuss wieder gegen den gekrümmten Zeigefinger gestoßen wird. Und umgehend den nächsten Schuss auslöst. Statt nur Schuss für Schuss abgeben zu können, kann jetzt ein ganzes Magazin in einem Zug leer gefeuert werden. Der Schütze hat plötzlich ein quasi vollautomatisches Gewehr in den Händen. Lautmalerisch machen die Aufsätze aus "Bumm. Bumm. Bumm." ein "Tatatatatatatatata".

Der Täter von Las Vegas hatte nach Polizeiangaben zwölf solcher "Bump Stocks" in seinem Zimmer. Er hatte am Sonntagabend von seiner Hotel-Suite aus 58 Menschen auf einem Open-Air-Konzert auf der anderen Straßenseite und anschließend sich selbst erschossen. Die legal zu erwerbenden Aufsätze haben ihm auf seiner tödlichen Mission geholfen, noch mehr Schüsse in kürzester Zeit abzufeuern. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, hat ein drohendes Verbot der Vorrichtung dazu geführt, dass diese von Kunden nun verstärkt nachgefragt werde und derzeit nur noch schwer zu bekommen sei.

Wie immer setzte nach dem Massaker eine Debatte über die Verschärfung der Waffengesetze ein. Demokraten versuchen seit Jahren, wenigstens ein nationales Waffenregister durchzusetzen. Und wollen eine Lizenz für den Besitz von Waffen einführen.

Solche Vorhaben scheiterten stets an den Republikanern im Kongress. Vor allem aber daran, dass die hochaggressive NRA in der Regel jedem Abgeordneten die Hölle heißmacht, der die Wörtchen "gun control" auch nur in den Mund nimmt. Die NRA hat jede Menge Geld, um Politiker-Karrieren aufzubauen. Oder zu zerstören, wenn es sein muss. Und darüber hinaus gut fünf Millionen bestens organisierte Mitglieder. Die stellen sich jedem in den Weg, von dem sie glauben, dass er ihnen ihr angeblich von Gott gegebenes Recht auf Waffen erschweren will.

Jetzt aber scheint die NRA ein klein wenig einzulenken. Womöglich haben ihre Anführer gemerkt, dass nach dem größten Massaker in der Geschichte der modernen USA nicht einfach nichts passieren kann.

Besonders groß ist der Schritt nicht. Automatische Waffen sind seit Mai 1986 mit wenigen Ausnahmen verboten. Waffen aber, die vor 1986 gebaut oder importiert worden sind, dürfen bis heute in Privatbesitz sein. Die Aufsätze machen zwar aus halbautomatischen Waffen im technischen Sinne keine vollautomatischen Waffen. Aber sie kommen ihnen damit von der Feuerkraft her so nah, dass es kaum noch einen Unterschied macht.

Wie eine Swarovski-Schlaufe - nur tödlicher

Dass die Aufsätze nicht längst verboten sind, liegt daran, dass die ATF, unter anderem die nationale Aufsichtsbehörde für Waffen, sie mit ihrer Zulassung im Jahr 2010 lediglich als "Accessoire" eingestuft hatte, sagt jetzt Rick Vasquez, der die Aufsätze für seine Behörde geprüft hatte. Ein Accessoire also. So wie die Swarovski-Handschlaufe für den Revolver im Handtäschchen. Nur tödlicher.

Eigentlich will die NRA auch nur, dass die ATF ihre Entscheidung überdenkt. Aber die Tür ist jetzt auch auf für ein neues Gesetz. Republikaner, die damit liebäugeln, "Bump Stocks" verbieten zu lassen, dürften erleichtert sein, wie sich die NRA positioniert hat. Sie riskieren nicht mehr ihre Karriere, wenn sie für ein Verbot der "Bump Stocks" eintreten.

Ob es allerdings für die notwendigen Mehrheiten im Kongress reicht, ist noch offen. Gesetzt den Fall, dass alle Demokraten für ein Verbot stimmen, müssten im Repräsentantenhaus mindestens 24 und im Senat mindestens zwölf Republikaner mitmachen. Im Senat hat sich bisher erst ein Republikaner offen für ein Verbot ausgesprochen. Und im Repräsentantenhaus sind es bisher lediglich neun republikanische Abgeordnete. Die Zahlen dürften aber noch deutlich nach oben gehen, weil die NRA nun aus der Ferne den Daumen nach oben gestreckt hat.

Sorge bereitet manchen Republikanern allerdings ein Mann, den manche fast abgeschrieben hätten. Steve Bannon macht mit seinem rechten Online-Magazin Breitbart Druck. Bannon wurde jüngst von US-Präsident Trump als Chefstratege im Weißen Haus entlassen. Jetzt lässt er auf seinem Breitbart-Portal gegen alle wettern, die mit dem Gedanken spielen, ein Bump-Stock-Verbot in Erwägung zu ziehen. "Schwach: Weißes Haus 'offen für verantwortungsvolle Debatte' über Waffenkontrolle." So lautet etwa der Titel einer Geschichte zu Aussagen von Trump-Beraterin Kellyanne Conway, die mit ihren "alternativen Fakten" eine gewisse Berühmtheit erlangte.

Bannon hat großen Einfluss auf jene hardcore-rechten Wähler, mit deren Hilfe Trump ins Weiße Haus gekommen ist. Wie mächtig Bannon tatsächlich ist, kann aber niemand richtig einschätzen. Im US-Bundesstaat Alabama reklamierte Bannon vergangene Woche den Sieg des ultrarechten wie ultrareligiösen Republikaners Roy Moore für sich. Der hatte die Vorwahl gegen den etwas gemäßigteren Kandidaten des republikanischen Partei-Establishments gewonnen. Was viele gemäßigte Republikaner durchaus erschreckt hat. Trump hatte Luther Strange unterstützt. Was der Präsident inzwischen bitterlich bereut. Auf Twitter löschte er Beiträge, in denen er sich für Strange ausgesprochen hatte.

Trump selbst hat sich zur Verbotsfrage noch nicht geäußert. Er wird sich genau überlegen, ob er seiner Kernwählerschaft am rechten Rand etwas zumuten will, was auch als Dammbruch für mehr Waffenkontrolle gewertet werden könnte. Trump ist im Wahlkampf und danach als Freund der NRA und als kompromissloser Verfechter des Rechts auf Waffenbesitz aufgetreten.

Knickt er ein, dann wird er vor Steve Bannon jedenfalls nicht länger bestehen können. Sollte Trump ein Verbot unterstützen, sagte Bannon dem Online-Dienst Axios, dann wäre das "das Ende von allem". Und so schwer es zu glauben sei, die Reaktion der Trump-Fans wäre verheerender, als wenn Trump plötzlich eine Amnesty für illegal eingereiste Migranten aussprechen würde. Die eigene Waffe ist manchem am Ende eben doch wichtiger, als der unliebsame Migrant im Nachbarhaus.

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