US-Vorwahl:Hillary Clinton kämpft gegen den Fluch von Iowa

U.S. Democratic presidential candidate Hillary Clinton speaks at a campaign stop at the Col Ballroom in Davenport, Iowa

Hillary Clinton bei ihrem Auftritt in Davenport, Iowa, am 29. Januar 2016.

(Foto: REUTERS)

2008 straften die Wähler Hillary Clinton bei der ersten Vorwahl ab und verliebten sich in Obama. Nun begeistert mit Bernie Sanders ein anderer Kandidat die Seele der Demokraten.

Reportage von Matthias Kolb, Davenport/Iowa

Sue Dvorsky ist begeistert. Obwohl ihr linker Fuß eingegipst ist, hüpft sie auf und ab. "Sie hat genau das gemacht, worauf es in Iowa ankommt", sagt die kleine Frau über Hillary Clinton, die gerade unter dem Jubel von 1500 Leuten die Bühne des Col Ballroom in Davenport verlässt. Dvorsky engagierte sich 2008 für Obama, doch nun unterstützt die gut vernetzte Ex-Chefin der Demokraten in Iowa die ehemalige First Lady als "Cheerleader".

Die Verwandlung von Hillary Clinton nennt sie "bemerkenswert". 2008 sei diese keine gute Kandidatin gewesen, weil sie zu viele Events in großen Hallen abgehalten habe, so Dvorsky: "Wir in Iowa sind es gewohnt, nahe an die Politiker heranzukommen." Genau dies macht Clinton bei ihrer zweiten Kandidatur: Sie traf sich sofort nach Bekanntgabe ihrer Kandidatur im April mit Wählern in Kleingruppen und im Schlussspurt absolviert sie drei bis vier Termine am Tag. Sie spricht vor 100 Leuten in der Bowlingbahn eines Dorfs namens Adel - und erzählt in Davenport davon.

"Die Bahn gehört einem jungen Mann, der als Schüler dort gejobbt hat. Er ist verschuldet wegen seiner Uni-Ausbildung, aber trotzdem traut er sich als Unternehmer aktiv zu werden", sagt die 68-Jährige. Sie verspricht, als Präsidentin "jeden Tag für jeden von euch" zu kämpfen - und klagt, dass es eine Schande sei, dass Bildung so teuer sei in den USA. Sie werde dafür sorgen, dass Normalbürger ihre Kinder aufs College schicken können: "Aber es soll nicht für jeden umsonst sein. Donald Trump soll für seinen Sohn gefälligst den vollen Preis bezahlen, der hat genug!"

Dass Clinton sich zwei Tage vor der ersten Vorwahl so populistisch gibt, liegt an Bernie Sanders. Der Senator aus Vermont bezeichnet sich als "demokratischer Sozialist" und tritt am gleichen Abend 600 Meter entfernt auf. Der 74-Jährige wird dafür gefeiert, dass er keine Spenden von Konzernen und Milliardären annimmt. Kein Politiker bringt die Wut über die wachsende soziale Ungleichheit in den USA besser auf den Punkt als Sanders, der ausruft: "Genug ist genug."

Letzte Umfrage sieht Clinton ganz knapp vor Sanders

Für Hillary könnte sich der Albtraum von 2008 wiederholen: Die angeblich unbesiegbare Favoritin wird von einem unterschätzten Außenseiter geschlagen. Gerade in Iowa und New Hampshire, wo die ersten beiden Vorwahlen stattfinden, hat Sanders echte Sieg-Chancen. In einer am Samstag vom Des Moines Register publizierten Umfrage führt Clinton mit 45 zu 42 Prozent denkbar knapp vor "Bernie", wie ihn alle nennen.

Gewiss, in Iowa und New Hampshire sind die Demokraten besonders liberal und besonders weiß. Aber viele Trends gelten landesweit: Es sind vor allem die jungen Wähler, die Sanders unterstützen. Dies gilt auch für junge Frauen, die Hillary deutlich skeptischer sehen als ihre Mütter und Großmütter. Die 24-jährige Lauren Waugamar ist mit ihrer Mutter Leeanne in den Col Ballroom von Davenport gekommen.

"Ich bewundere Hillary, seit sie Bill im Wahlkampf 1992 unterstützt hat. Die Aussicht, eine Frau zur Präsidentin zu wählen, begeistert mich. Ich stimme am Montag sicher für sie, denn als Mutter ist mir bezahlbare Bildung und das Recht auf Abtreibung wichtig", sagt Leeanne. Dass Bill Clinton mit heiserer Stimme seine Frau ankündigt, freut die 48-jährige besonders. Ihre Tochter hat auch Sympathien für die Ex-Außenministerin, aber sie ist längst nicht so enthusiastisch: "Ich mag sie, weil sie College-Kosten senken und den Klimawandel stoppen will. Aber ich finde auch Bernie sehr gut, wobei er wohl etwas zu extrem ist, um gewählt zu werden."

Sanders-Fans träumen von einer "politischen Revolution"

Bernie Sanders

Bernie Sanders wirbt am 30. Januar 2016 in Manchester, Iowa, um Stimmen.

(Foto: AP)

Das Argument der electability hebt Clinton in Iowa hervor - neben dezenten Hinweisen auf ihre Erfahrung als Außenpolitikerin. Sie preist die Leistung von Barack Obama ("er kriegt nicht genug Lob dafür, unsere Wirtschaft gerettet zu haben") und verspricht, die Errungenschaften des US-Präsidenten zu verteidigen. Obamacare zu erhalten, das ist sehr wichtig für die Clinton-Anhängerin Sylvia Crouch: "Einer meiner Enkel ist halbtaub, der andere hat eine leichte Behinderung. Vor Obamacare haben sie manche Ärzte nicht behandelt, nun kriegen sie die beste Behandlung"

Der Applaus für Clinton ist stets freundlich und wird zum Ende hin richtig laut. Doch die "I'm with her"-Sprechchöre, die Hillary-Mitarbeiter von der Bühne aus starten, enden nach 15 Sekunden. Eine halbe Stunde, bevor Sanders im "Danceland" mit dem schwarzen Linksintellektuellen Cornel West auftritt, feiert sich das Publikum schon selbst. Selena Vickers ist dreizehn Stunden von West Virginia nach Iowa gefahren, um für Bernie Wahlkampf zu machen: "Er hat mich zu einer politischen Revolution eingeladen und hier bin ich."

Wie viele andere im Publikum ist sie im Frühjahr 2015 via Facebook auf Sanders aufmerksam geworden und hat sich alte Reden bei Youtube angesehen: "Er kämpft schon seit längerem für die normalen Leute." Zu den aktivsten Sanders-Unterstützern gehören neben Sozialarbeitern auch Krankenschwestern, deren Verband zur Wahl des Senators aufruft. Die 32-jährige Emily Rands aus Iowa arbeitet mit behinderten Erwachsenen und hofft, dass Bernie die US-Gesellschaft gerechter machen werde. "Im Gesundheitsbereich wird seit Jahren viel zu viel gespart", klagt sie.

Nach außen geben sich die Anhänger und Berater der beiden Kandidaten sowohl siegessicher als auch gelassen. Eine Niederlage in Iowa, versichern alle, sei nicht unüberwindbar. Sollte Hillary Clinton trotz aller Bemühungen von Sue Dvorsky und weit über 100 bezahlten Mitarbeitern in Iowa ein zweites Mal verlieren, würde dies sicher für viel Unruhe und Medien-Spekulationen sorgen. Denn Sanders scheint in New Hampshire fast uneinholbar - und zwei Siege am Anfang könnte viele unentschlossene Demokraten veranlassen, Sanders ernster zu nehmen.

Es gibt aber Unterschiede zu 2008: Obamas Erfolg überzeugte viele Afroamerikaner, dass die weißen Amerikaner bereit sind, einen von ihnen zu wählen. Die Chance, Geschichte zu schreiben und den ersten schwarzen Präsidenten ins Weiße Haus zu schicken, beflügelte die Liberalen an beiden Küsten. Sanders tut sich mit schwarzen Wählern bisher schwer - und so dürfte Clinton in South Carolina am 27. Februar und später in anderen Südstaaten viele Delegierten einsammeln.

Es bleiben viele Ungewissheiten

Dass die New York Times am Wochenende ihren Lesern empfahl, die Favoritin Clinton zu unterstützen (hier nachzulesen), dürfte am Ausgang wenig ändern. Bernies Fans sind ohnehin überzeugt, dass die TV-Sender und etablierten Medien nicht genug über ihren Helden berichten.

Wer am Ende die Nase vorne hat, dürfte sich wohl anhand von zwei Faktoren entscheiden. Wenn die Anhänger des dritten Kandidaten, Martin O'Malley, nicht zahlreich genug sind, dürfen sie nach dem sehr besonderen Caucus-System in Iowa zu Sanders oder Clinton wechseln (Details hier).

Und weil die Demokraten nicht die Zahl der Gesamtstimmen auszählen, sondern Delegierte bestimmen, muss das Sanders-Team dafür sorgen, dass möglichst viele Studenten nicht in den größeren Städten Des Moines und Iowa City (dort wurde Sanders am Samstag von 3500 Fans gefeiert, für die auch die Indie-Band Vampire Weekend spielte) wählen, sondern nach Möglichkeit zu ihren Eltern in die Kleinstädte und Dörfer fahren, um dort abzustimmen.

Knapp wird es sicher werden, sagt Sue Dvorsky, aber sie ist überzeugt, dass Hillary Clinton den "Fluch von Iowa" besiegen wird. Ob Dvorsky recht hat oder ob Clinton im Hawkeye State einfach nicht gut ankommt, zeigt sich erst am frühen Dienstagmorgen, wenn alle Stimmen ausgezählt sind.

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