Süddeutsche Zeitung

US-Vorwahl:Hillary gewinnt in South Carolina - und bleibt eine Wackelkandidatin

Ihre Popularität bei Schwarzen beschert Clinton einen eindrucksvollen Sieg über Bernie Sanders. Nun geht sie als Favoritin in den Super Tuesday - und kämpft dennoch gegen drei Probleme.

Analyse von Matthias Kolb, Columbia

Zu sagen, dass Hillary Clinton die Vorwahl in South Carolina gewonnen hat, ist eine Untertreibung. Die ehemalige Außenministerin erhielt 73,5 Prozent der Stimmen und "zerstörte" ihren Rivalen Bernie Sanders, wie es in der brutalen Sprache der US-Medien heißt. Entscheidend war die Unterstützung der schwarzen Wähler: Nachwahl-Analysen zufolge stimmten 86 Prozent der Afroamerikaner und sogar 96 Prozent der über 65-jährigen Schwarzen für Clinton. Sanders siegte nur in der Gruppe der weißen Männer.

Hillary Clintons "Firewall", jene Mauer aus Staaten, auf die sich Präsidentschaftskandidaten verlassen können, hat dem Druck von Sanders' "politischer Revolution" standgehalten. Dieser wird zwar von leidenschaftlichen Anhängern unterstützt, doch der unabhängige Senator aus Vermont ist bei den Demokraten längst nicht so gut vernetzt wie die ehemalige First Lady. Das außerordentliche Resultat von South Carolina deutet darauf hin, dass viele schwarze Wähler es gar nicht für nötig hielten, sich mit Sanders und dessen Vorschlägen zu beschäftigen.

Clinton geht mit viel Rückenwind in den Super Tuesday

Die 68-Jährige geht extrem gestärkt in den Super Tuesday am 1. März: In sechs der elf Staaten, in denen dann gewählt wird, bilden Afroamerikaner einen erheblichen Teil der demokratischen Wählerschaft. In den Augen von Jaime Harrison, dem demokratischen Parteichef South Carolinas, ist dieser Abend historisch. "2008 hat South Carolina dem Land gezeigt, dass wir bereit sind für den ersten schwarzen Präsidenten. Nun zeigen wir dem Land, dass es an der Zeit ist für die erste Präsidentin", sagt Harrison der Süddeutschen Zeitung.

Doch auch wenn Hillary Clinton nun beste Chancen hat, die Kandidatur der Demokraten im zweiten Anlauf nach 2008 zu gewinnen: Das 73,5-Prozent-Ergebnis sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass ein Sieg der Ex-Außenministerin am 8. November gegen Donald Trump oder einen anderen Republikaner keineswegs sicher wäre.

Problem 1: Mangelnde Begeisterung - gerade bei jungen Wählern

Bisher ist es Clinton nicht gelungen, ihre Anhänger wirklich zu begeistern. Egal ob in Iowa, New Hampshire oder South Carolina: Der Applaus bei ihren Wahlkampfauftritten ist freundlich, aber dauert selten länger als 15 Sekunden. Clintons Unterstützer loben ihre Erfahrung und ihre Intelligenz, doch wirklich enthusiastisch scheinen nur Frauen über 50 zu sein.

Und die Millennials, also jene Amerikaner zwischen 18 und Anfang 30, sehen Clinton kritisch: als Teil jenes Establishments, von dem sie sich im Stich gelassen fühlen. In South Carolina erhielt die 68-Jährige nur 56 Prozent bei den schwarzen Wählern, die jünger als 30 sind. Gewiss: Sie hat Obamas beste Berater angeheuert, um genügend Daten zu sammeln und ausreichend Wähler mobilisieren zu können - und sicherlich würde Trump als Gegner für mehr Hillary-Begeisterung unter Demokraten sorgen. Die ist wichtig, denn Clinton wird im konservativen Teil Amerikas ebenso verachtet wie Obama: Sobald ihr Name fällt, wird bei Events "Verräterin" und "Gefängnis" gerufen.

Dieser Wahlabend in South Carolina zeigte, dass Clinton mitreißend reden und eine positive Botschaft verbreiten kann. "Wir müssen Amerika nicht wieder großartig machen, es war schon immer großartig. Wir müssen Amerika wieder zusammenführen", rief sie ihrem Publikum zu, in Anspielung auf Trumps Wahlkampfslogan "Make America great again!". Sie wolle als Präsidentin keine Mauern bauen, sondern diese einreißen, damit Latinos und Schwarze mehr Chancen erhalten und Frauen endlich völlig gleichberechtigt behandelt werden. Doch diese kämpferische Hillary ist noch viel zu selten zu sehen.

Problem 2: Ihre Glaubwürdigkeit ist angeknackst

Von allen Präsidentschaftskandidaten hat Clinton die niedrigsten Werte, wenn danach gefragt wird, wer als "ehrlich" und "vertrauenswürdig" wahrgenommen wird. Mitte Februar sprachen 56 Prozent der von YouGov befragten US-Bürger der 68-Jährigen diese Tugenden ab (27 Prozent fanden sie ehrlich) - so schlecht ist nicht einmal der Wert von Donald Trump mit 52 Prozent.

Die mehrheitlich schwarzen Wähler in South Carolina hielten Clinton für ehrlicher als Sanders. Doch den Eindruck, die Clintons nähmen für sich in Anspruch, nach anderen Regeln spielen zu dürfen, äußern längst nicht nur Republikaner in Gesprächen am Rande von Wahlkampf-Events. Dies betrifft nicht nur die E-Mail-Affäre (siehe Problem 3), sondern auch die Tatsache, dass die Ex-Außenministerin die Transkripte jener 51 Reden bisher nicht veröffentlicht hat, für die sie zwischen Anfang 2014 und Ende März 2015 elf Millionen Dollar kassierte.

Heikel sind jene zwölf Reden, die sie vor Banken und Investmentfonds hielt und für die sie knapp drei Millionen Dollar erhielt. Das ist nicht nur mehr als der Durchschnittsamerikaner in seinem Leben verdient - diese Nähe erscheint in der allgemeinen Wut der US-Wähler auf die Polit- und Wirtschaftseliten ungünstig. Nicht nur Fans von Bernie Sanders, der seine Kampagne nur mit Kleinspenden finanziert, fragen sich: Wenn Clinton nichts Verwerfliches gesagt hat, warum veröffentlich sie ihre Reden nicht, zumal diese per Vertrag mitgeschrieben und ihr übergeben werden mussten (Details bei The Intercept)?

Den Amerikanern ist Transparenz im Wahlkampf wichtig: Kandidaten veröffentlichen alte Steuerunterlagen und Dokumente über ihre Gesundheit. Es scheint schwer vorstellbar, dass Clinton ihr Argument "Die anderen inklusive der Republikaner sollen auch alles publik machen" durchhalten kann. Die Kritik an ihrer Mauer-Taktik wird ebenso bleiben wie das Misstrauen - irgendwann wird sie wohl alles publik machen und gefragt werden: Warum nicht gleich?

Problem 3: Die E-Mail-Affäre ist nicht geklärt

Noch konkreter ist die seit einem knappen Jahr andauernde Kontroverse um die private E-Mail (hdr22@clintonemail.com) und den eigenen Server, den Hillary Clinton als Außenministerin verwendet hat - "aus Bequemlichkeitsgründen", wie sie sagte. Auch hier dauerte es Monate, bis ihr ein "Sorry" über die Lippen kam. Vielen Amerikanern gilt dieser Fall als Musterbeispiel für die Überheblichkeit der Clintons.

Das Thema kommt im Wahlkampf täglich zur Sprache - mitunter auch von Clinton-Fans wie der Mutter der in Polizeigewahrsam gestorbenen Sandra Bland, die kürzlich witzelte: "Es gibt keine geheimen Emails über unsere Unterstützung für sie." Weiterhin ermittelt die Bundespolizei FBI, das Außenministerin arbeitet an einem Bericht und im Justizministerium wird geprüft, ob ein Strafverfahren gegen Clinton eingeleitet wird.

Kürzlich ordnete eine Richterin an, dass enge Clinton-Mitarbeiter Mitte April unter Eid befragt werden müssen. Dies garantiert, dass tröpfchenweise neue Details bekannt werden, die die in den USA vorherrschenden Meinungen über Clinton bestätigen dürften: Die Mehrheit der Republikaner verachtet sie, viele Demokraten sehen sie als Opfer einer konservativen Verschwörung. Doch wer noch unentschieden ist, der dürfte erst mal skeptisch bleiben.

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