Ausgerüstet mit einem Kassettenrekorder steht der Mann auf der Market Street in Poughkeepsie. Als er die Start-Taste drückt, ertönt ein Instrumental und er beginnt zu singen: "Truuuump ... is on my side, yes he is. Truuump .... is on our side!" Die Menge klatscht höflich Beifall. In der Mittagshitze ist auch eine schief gesungene Coverversion als Ablenkung willkommen.
"Das passt, Donald Trump mag die Rolling Stones", flüstert ein junger Mann seiner Freundin ins Ohr. Sie gehören zu den 4000 Menschen, die stundenlang in der Schlange stehen, um den Immobilien-Mogul live zu sehen. Fleißig knipsen die Wartenden das Plastikflugzeug "Trump Force One", das über einem Souvenir-Stand angebracht ist, und applaudieren jedem, dessen T-Shirt die Favoritin der Demokraten attackiert.
An der Basis scheint momentan das Motto "Hillary for Prison 2016" am beliebtesten zu sein, doch ihr Idol hat eine andere Lieblingsformulierung. Der 69-Jährige spottet in seiner Rede über "Crooked Hillary", also über die angebliche "Gaunerin" oder "Betrügerin". Es sei lachhaft, dass Clinton antrete; er werde "spielend" gegen sie gewinnen, tönt der Spitzenreiter der Republikaner im Rennen ums Weiße Haus.
Trump beklagt "korrupte" Kandidatenkür der Republikaner
Doch an diesem Nachmittag sind es nicht die Demokraten, die Trump als gefährlichste Gegner ausmacht: Er schimpft vor allem über die Republikaner. Der Auswahlprozess, wie die 2472 Delegierten für den Parteitag in Cleveland vergeben werden, sei "korrupt und unehrlich", klagt Trump.
Es sei undemokratisch und unamerikanisch, wenn er etwa in Louisiana die Mehrheit der Stimmen gewonnen habe, doch aufgrund der Regularien Ted Cruz mehr Delegierte einsammle. Dass es "Lügner Ted" dank besserer Organisation geschafft hat, fast alle Vertreter aus Colorado ( Details hier) und Wyoming für sich zu gewinnen, wurmt Trump aus zwei Gründen: Es erschwert sein Ziel, zum Parteitag die nötige Mehrheit von 1237 Delegierten zu erreichen ( genau das will die #StopTrump-Bewegung verhindern). Gleichzeitig legt es offen, dass der "großartige Dealmaker" Trump nicht in der Lage war, die seit langem bekannten Verfahrensregeln zu studieren - oder rechtzeitig geeignete Leute anzuheuern.
Doch Trump wäre nicht der Meister-Kommunikator, wenn er nach einigen schlechten Tagen ( und seinem Statement zu "Strafen bei Abtreibungen") diese Situation nicht in gute Soundbites verpacken könnte. Rang er zu Beginn Establishment-Kandidaten wie Jeb Bush und Scott Walker nieder, so legt er sich nun mit den Funktionären an. Und das Argument "Wer die meisten Stimmen erhalten hat, soll die meisten Delegierten und damit die Kandidatur bekommen" ist ziemlich überzeugend - gerade für alle, die Politik nicht täglich verfolgen.
Die genauen Details können die Leute auf den Tribünen nicht erklären, doch sie sind fraglos wütend. "Wir New Yorker werden uns das nicht gefallen lassen, wenn sie die Wahl manipulieren und ihm Stimmen klauen. Das geht nur in anderen Staaten", sagt ein älterer Mann mit einem "Trump that Bitch"-Shirt, das Hillary Clinton zeigt.
Von den 4000 Besuchern in Poughkeepsie, von denen 800 im angrenzenden Eisstadion auf eine Leinwand starren, wird Trump gefeiert - etwa wenn der Republikaner betont, dass es nicht um ihn persönlich gehe, sondern um diese "neue Massenbewegung des gesunden Menschenverstands". "Ich vertrete eure Interessen und nicht die irgendwelcher Lobbyisten", ruft Trump.
Umfragen sehen Trump in New York weit vorn
Nach seiner deutlichen Niederlage in Wisconsin kann der Milliardär am Dienstag mit einem klaren Sieg rechnen. In der aktuellsten Umfrage kommt Trump auf 54 Prozent und liegt damit 29 Punkte vor Ohios Gouverneur John Kasich und deutlich vor dem Texaner Ted Cruz. Dieser ist in New York extrem unbeliebt, seit er sich abfällig über die liberalen Werte der weltoffenen Metropole geäußert hatte, um bei wertkonservativen Wählern in Iowa zu punkten.
Also lehnen viele Trump-Fans die Flugblätter, die einige Cruz-Anhänger verteilen, mit den Worten "Nein danke, ich habe New York Values" ab. Mit diesen Werten ist es aber wunderbar vereinbar, die Forderung des Republikaners nach einer Mauer zu Mexiko minutenlang zu bejubeln. Zum Faktor Reality-TV-Star kommt in Poughkeepsie noch der Vorteil des Lokalmatadors: Trump wuchs im New Yorker Stadtteil Queens auf und besitzt in der Nähe einen Golfplatz. Sein Versprechen, "Poughkeepsies Wirtschaft wieder zum Leben zu erwecken" kommt bei der Menge ebenso gut an wie die Tatsache, dass der örtliche Polizeichef zu seinen wichtigsten Unterstützern gehört.
Die Möglichkeit, dass Kasich und Cruz dem Führenden einige Delegierte abnehmen, ist realistisch, da auch im Bundesstaat New York die meisten Vertreter für den Parteitag in Kongress-Wahlbezirken bestimmt werden. Dies erklärt, wieso der Milliardär trotz des enormen Vorsprungs in den Umfragen so viele Auftritte absolviert: Er will zeigen, dass ihn so viele Bürger unterstützen, dass ihm die Kandidatur nicht mehr zu nehmen ist, auch wenn in Cleveland ein oder zwei Dutzend Delegierte fehlen.
Wenige Stunden vor seinem Auftritt in Poughkeepsie hatte Trump noch zwei bemerkenswerte Dinge gesagt. Auf Staten Island freute er sich zunächst darüber, dass die "New York Veteran Police Association" zu seiner Wahl aufrief. Dann erklärte er im Gespräch mit Reportern, dass es beim Parteitag in Cleveland "hoffentlich nicht zu Gewalt" komme.
Und Trump deutete an, dass er auch bereit sein könnte, das in seinen Augen "korrupte System" mit eigenen Waffen zu schlagen. Wenn es darum gehe, Delegierte "zu kaufen", dann könne er sich vorstellen, einige konservative Funktionäre mit dem Privatjet abzuholen und in seine Hotels zu fliegen. Diesem Satz von Donald Trump dürfte kein Republikaner widersprechen: "Niemand besitzt bessere Spielzeuge als ich."