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US-Vorwahl der Republikaner:"Trump sagt, was ich immer gedacht habe"

Wer mit Fans des Milliardärs spricht, hört viele Gründe für deren Begeisterung. Die Wut auf die Elite ist enorm und die Treue zu Donald Trump oft grenzenlos.

Von Matthias Kolb, Harrisburg/Pennsylvania

John Hubler kann sich nur an zwei gute US-Präsidenten erinnern. "John F. Kennedy und Ronald Reagan, die waren toll", sagt der 73-Jährige. Auf seinem T-Shirt steht in großen Lettern TRUMP und der Republikaner hat keine Zweifel: "Das wird der nächste großartige Anführer." Hubler hat am Dienstag Donald Trump gewählt, weil alle anderen Politiker "Heuchler" seien und der Milliardär keine Angst habe, Wahrheiten auszusprechen.

Kaylor Jackson hat 2008 und 2012 für Barack Obama gestimmt, doch nun wählt er Trump. "Wie alle wünsche ich mir Veränderung. Außerdem mag ich Underdogs", sagt der Afroamerikaner. Wie John Hubler steht er an diesem Donnerstag geduldig in der Schlange vor der "Farm Show"-Halle in Harrisburg. Der Ex-Demokrat wünscht sich, dass Präsident Trump in Brücken und Straßen investiert: "Die jungen Leute brauchen Jobs."

Karen ist mit ihrer Familie zum Trump-Event gepilgert. "Ich habe ihn seit Jahren bei Fox News gesehen und immer gerufen: 'Er sagt genau, was ich immer gedacht habe'", so die 51-Jährige. Trump werde eine Mauer zu Mexiko bauen und die Illegalen rauswerfen, sagt Karen. Ihre Mutter pflichtet ihr heftig nickend bei: "Ich bin 73 und habe noch nie gewählt. Ich hielt es immer für überflüssig, doch jetzt will ich abstimmen."

Auf diese Erstwählerin wäre Donald Trump in Pennsylvania gar nicht angewiesen gewesen. Der Immobilien-Mogul siegte hier ebenso wie bei den Vorwahlen in Maryland, Delaware, Rhode Island und Connecticut. Trumps Popularität in Pennsylvania ist jedoch aufschlussreich: In diesem Industriestaat siegten seit 1992 bei Präsidentschaftswahlen stets die Demokraten, doch die Botschaft von "Make America great again" begeistert weiterhin Zehntausende - und hat den Republikanern 92 000 neue Mitglieder beschert.

Wenn sich höfliche Menschen in Ekstase brüllen

Wie ein Staatsmann tritt Trump im "Farm Show Complex" nicht auf. Wo sonst Zuchtbullen oder Alpakas durch die Arena geführt werden, stehen nun etwa 8000 Menschen und jubeln begeistert, wenn Trump die Grenzmauer verspricht oder Hillary Clinton als "Gaunerin" bezeichnet. Er werde Amerika wieder erfolgreich machen: "Wir werden so oft gewinnen, dass ihr mich anflehen werdet, aufzuhören."

Zu diesem Zeitpunkt hat sich jene Wandlung schon vollzogen, die auf vielen Trump-Events zu sehen ist. Im persönlichen Gespräch sind fast alle Anhänger freundlich, höflich und interessiert. Doch sobald der Milliardär die Bühne betritt, wird die Stimmung schnell aggressiv. Als protestierende Anti-Trump-Aktivisten abgeführt werden, brüllt die Menge "USA USA USA", bis sich der Immobilien-Unternehmer bei den Polizisten bedankt: "Wir haben die schönste Polizei der Welt. Applaus für unsere Cops."

Den größten Beifall erhält er, als es um Pennsylvania geht: Seit 2001 sind hier 35 Prozent der Industriejobs verloren gegangen - und in Harrisburg sogar 40 Prozent. "Wie konnte das passieren? Wieso habt ihr das zugelassen? Ihr habt früher die ganze Welt mit Stahl versorgt. Nun machen die Chinesen das", ruft Trump. Er mache China keinen Vorwurf: "Schuld sind unsere dummen Politiker."

Es habe ihn traurig gemacht, auf dem Weg vom Flughafen am geschlossenen Stahlwerk in Steelton vorbeizufahren, ruft der 69-Jährige. Wenn er erst einmal US-Präsident sei, könnten Mexiko und China nicht länger die USA über den Tisch ziehen - und der Aufschwung komme auch nach Central Pennsylvania zurück.

Sehnsucht nach Vergangenheit und gutbezahlten Industrie-Jobs

"Es ist mir völlig egal, dass er Dinge sagt, die manche Leute stören", sagt John Hopkin. Trump werde Jobs zurückholen und Mexiko seine Grenzen aufzeigen, sagt der 50-Jährige. Trump sei "einer von uns" und werde seine Versprechen einhalten. "Er ist kein Politiker und schuldet niemandem einen Gefallen."

Auch Hopkin hat geklatscht, als Trump verkündete: "Kein Staat in den USA hat mehr unter den Freihandels-Deals gelitten als Pennsylvania. Nicht gut." Dass das Nafta-Abkommen mit Mexiko und Kanada Zehntausende Familien in die Armut gestürzt habe, denken viele in Pennsylvania. Protektionismus ist auch unter den eigentlich marktfreundlichen Republikanern Mainstream. 2014 nannten es 76 Prozent als "sehr wichtiges Ziel", US-Arbeitsplätze zu schützen - unter konservativen Meinungsführern denken nur 37 Prozent so.

Dass sich Ted Cruz und John Kasich nun verbünden, damit Trump vor dem Parteitag in Cleveland nicht die nötigen 1237 Delegierten erreicht, hat viele seiner Fans nicht verwundert. "Dieses Delegiertensystem ist völlig lächerlich, unfair und ungerecht", klagt Noreen Shenk aus Glen Rock. Sollte ihr Held am Ende nicht nominiert werden, obwohl er die meisten Stimmen erhalten hat: Die Trumpisten würden sich noch mehr verraten fühlen als ohnehin schon.

Gerade in Pennsylvania sind die Regularien besonders seltsam. Sieger Trump erhält 17 Delegierte, die übrigen 54 (je drei pro Wahlbezirk) sind ungebunden. "Früher hat dies niemand interessiert, weil die Kandidaten längst feststanden, als wir abgestimmt haben", sagt Steve Johansen. Der 34-Jährige hat quasi im Alleingang ein Trump-Wahlkampf-Büro in Harrisburg aufgebau. Wer nach Aufklebern fragt, bekommt gleich einen Zettel in die Hand gedrückt, welche Delegierten sich zu Trump bekennen.

Johansen ist Immobilienmakler und bewundert Trump für dessen geschäftlichen Erfolg. Im Oktober gründete er eine geschlossene Facebook-Gruppe "Make America Great", um ungestört diskutieren zu können: "Alles ist so polarisiert, ein Kommentar zu Trump und Freunde oder Kunden sind sauer." Mittlerweile hat die Facebook-Gruppe mehr als 1000 Mitglieder und fast alle teilen Johansens Meinung: Die Abgeordneten in Washington ignorieren die Normalbürger.

"Die reichen Manager, die sind gut versorgt. Wer vom Staat abhängig ist, dem geht es auch gut. Aber der normale Arbeiter, der täglich aufsteht, dem geht es jeden Tag schlechter", sagt Johansen. Von den Republikanern ist er bitter enttäuscht: "Sie haben die Mehrheit im Senat und Repräsentantenhaus, aber verbessert haben sie nichts." Die US-Bürger warteten auf einen Außenseiter: "Wir sollten ihm eine Chance geben, zumindest für eine Amtszeit."

Während andere Trump-Fans wie Karen ("Er sagt genau, was ich immer gedacht habe") fast wie Anhänger eines Kults wirken, klingt Steve Johansen differenzierter. Er schwärmt davon, wie Trump die Medien dazu bringe, seit Monaten nur über ihn zu berichten. Gleichzeitig wundert sich der 34-Jährige, mit welchen Aussagen Trump durchkomme: "Wir haben ein Problem mit unseren Grenzen, aber es war falsch, alle Muslime als Bedrohung zu bezeichnen. Die große Mehrheit von ihnen sind großartige Leute." Die Mauer zu Mexiko findet Johansen wichtig, aber er rechnet nicht damit, dass ein Präsident Donald elf Millionen illegale Einwanderer ausweisen kann.

Einwanderer und "Political Correctness" als Feindbilder

Für andere Fans ist Trumps harte Haltung entscheidend. Sie betonen zwar, dass sie nichts gegen "legale Einwanderung" haben oder erinnern an ihre Familiengeschichte ("meine Familie kommt aus Polen"), doch als Bereicherung empfinden sie Einwanderer offenbar nicht. Sie schimpfen wie Noreen Shenk über Political Correctness: "Die Leute sollen nicht so empfindlich sein und unbequeme Meinungen haben. Es braucht halt Rückgrat."

Für seine Fans ist Trumps Kandidatur ein Symbol dafür, dass sich die Politiker in Washington künftig mehr für sie interessieren und es ihnen und ihren Familien künftig besser gehen soll - und die Ekstase bei den Veranstaltungen des Milliardärs erklärt sich auch daraus, diese Meinung endlich offen vertreten zu dürfen (mehr beim New York Times Magazine).

Egal wie die kommenden Wochen und Monate verlaufen: Es ist kaum vorstellbar, dass die Verehrung der Zehntausenden Trump-Fans bald nachlässt. Ihm sei es eigentlich egal, ob die Republikaner Trumps Kandidatur unterstützen, sagt John Hopkin. "Wenn Mister Trump sich entscheidet, allein anzutreten, dann werden wir ihm folgen."

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