Süddeutsche Zeitung

US-Vorwahl der Republikaner in New Hampshire:Romneys Angst vor der eigenen Vergangenheit

Als wäre der Jobkiller-Vorwurf nicht genug: Jetzt muss sich Mitt Romney auch noch wehren, weil er einst für die Rechte von Homosexuellen eingetreten sein soll. Vor den Vorwahlen in New Hampshire strauchelt der bisherige Favorit der Republikaner. Romneys Umfragewerte sinken, die Konkurrenten wittern ihre Chance.

Sebastian Gierke

Das Richtige wollen. Und dann dafür abgestraft werden. In einem ideologisierten Wahlkampf kann eine gut gemeinte Tat viele Stimmen kosten. Diese Erfahrung macht Mitt Romney gerade. Im Jahr 2002 wollte er Gouverneur von Massachusetts werden. Im Wahlkampf tauchte damals ein pinkfarbener Zettel auf: "Alle Bürger sollten gleiche Rechte haben, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung", forderte "Mitt" auf den Flyern.

Romney hat damals die Wahl gewonnen, er wurde Gouverneur. Jetzt will er US-Präsident werden. Doch die Forderungen von damals könnten für Romney zum Bumerang werden. Verzweifelt versucht der Republikaner gerade, die Verantwortung für den Flyer zu leugnen, doch sein Wahlkampfteam verstrickt sich darüber in Widersprüche. Und dann ist da noch die "Bain Bomb", Romneys früheres Engagement bei der Investment-Firma Bain Capital.

In der Flugblattaffäre streitet Sprecher Eric Ferhnstrom ab, dass Romney und seine 2002er-Kampagne irgendetwas mit dem Flyer zu tun gehabt haben. "Ich weiß nicht, woher diese pinkfarbenen Flyer kamen. Ich weiß nicht, wer sie verteilt hat. Ich habe sie nie gesehen - und ich war der Kommunikations-Chef", erklärte Ferhnstrom der Huffington Post. Doch es dauerte nicht lange, bis ihm widersprochen wurde. Josh Barro, 2002 Praktikant im Wahlkampfteam Romneys, erklärte, dass am sogenannten "Pride weekend", bei einer Parade der schwulen Gemeinde, ungefähr ein halbes Dutzend Mitarbeiter Romneys die Flyer verteilt hätten. Und: "Das Ding wurde von einem Vollzeit-Mitarbeiter Romneys organisiert", will Barro wissen.

Für Romney geht es in diesem Fall um viel. Der moderate Mormone gilt zwar immer noch als Favorit im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner. Allerdings vor allem, weil sich seine Gegner in Grabenkämpfen aufreiben. Den rechten Flügel der Republikaner hat Romney noch nicht für sich gewinnen können. Dort gilt der 64-Jährige als "Flip-Flopper", als Umfaller und Opportunist, der zum Beispiel erst vor sechs Jahren, als es politisch notwendig war, seine Gewissensbisse entdeckt habe, was Abtreibung angeht. Die Posse um den pinken Flyer gibt den Kritikern neue Nahrung.

"No evolution"

Sprecher Ferhnstrom jedenfalls fühlte sich gezwungen, noch einmal ausdrücklich zu betonen, dass Romney seine Haltung zum dem in den USA polarisierenden und für rechte Republikaner wichtigen Thema der Rechte Homosexueller nie verändert habe.

"No evolution", keinerlei Entwicklung habe es hier gegeben. Romney sei schon immer gegen die Homo-Ehe und die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher, ziviler Partnerschaften gewesen. Allerdings sei er - ebenfalls schon immer - dafür gewesen, dass homosexuelle Paare rechtliche Vergünstigungen bekommen.

Seine konservativen Mitbewerber erhöhen den Druck auf den als liberal geltenden Romney, gehen in TV-Spots und bei Wahlkampfveranstaltungen immer aggressiver gegen ihn vor.

Den Sieg bei der zweiten Vorwahl in New Hampshire am Dienstag hat Romney dennoch fast sicher. Der texanische Kongressabgeordnete Ron Paul, der derzeit bestplatzierte seiner parteiinternen Rivalen, liegt in Umfragen fast 15 Prozentpunkte zurück. Auch die ersten, wenn auch weniger aussagekräftigen Ergebnisse aus New Hampshire sprechen für Romney. Siegt Romney dort deutlich, könnte die republikanische Vorwahl tatsächlich schnell entschieden sein. Doch sein Vorsprung in den Meinungsumfragen schrumpft. Bleibt am Ende nur ein knapper Sieg, wäre dies ein Zeichen, dass die Anhänger der Republikaner noch immer Zweifel hegen an Romney, dem vermeintlichen Wendehals.

Auch die Diskussion um sein früheres Engagement bei der Investment-Firma Bain Capital wird für Romney immer mehr zu einem Problem. Fast jeden Tag tauchen neue Vorwürfe gegen die Firma auf, deren Mitgründer Romney ist. Bain hat vor allem in marode Unternehmen investiert und diese später gewinnbringend wieder verkauft: nach dem Heuschrecken-Modell. Der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, der ebenfalls für die Republikaner gegen Obama antreten will, eröffnete mit Fernsehspots die Attacke: Romney habe mit Bain Firmen geplündert, Menschen arbeitslos zurückgelassen und sei anschließend abgehauen - mit Millionen Dollar in der Tasche.

Bei der Suche nach konkreten Fällen werden Romneys-Gegner schnell fündig: Eine Stahlhütte in Kansas City zum Beispiel. Seit 1888 in Betrieb, 1993 von Bain mehrheitlich übernommen, kaum zehn Jahre später bankrott. 750 Menschen verloren einem Bericht des US-Fernsehsenders MSNBC zufolge damals ihre Jobs, vielen Arbeitern seien Übergangszahlungen und Krankenversicherung verweigert worden - entgegen vorher gemachter Versprechen. Außerdem seien Pensionsansprüche drastisch gesenkt worden.

Bain habe dagegen von dem Geschäft profitiert: Zwölf Millionen Dollar habe die Firma erlöst, zuvor allerdings nur acht Millionen Dollar investiert. Zusätzlich strich Bain offenbar mindestens 4,5 Million Dollar an Beratergebühren ein. Die rostende Stahlhütte steht noch. Ein für alle sichtbares, zerfallendes Mahnmal der Unbarmherzigkeit des Kapitals. Und für das Scheitern Mitt Romneys.

Obama lässt anfragen

Für einen, der vor allem mit seiner Wirtschafts-Erfahrung wirbt, der versucht, glaubhaft zu machen, dass nur er der US-Wirtschaft neuen Schwung verleihen, dass nur er neue Arbeitsplätze schaffen kann, ist das verheerend. Romney ein Jobkiller? In amerikanischen Medien ist bereits von der "Bain Bomb" für Romney die Rede, die New York Times hat wortreich erklärt, dass die Attacken zu diesem Thema tatsächlich an Romney haften bleiben könnten. Bei den Wählern verfange es eher, wenn die Stärken eines Kandidaten von seinen Gegnern unterminiert werden, als wenn diese versuchten, dessen Schwächen zu unterstreichen. Und selbst wenn Romney die Vorwahlen der Republikaner gewinnt und gegen Barack Obama antreten kann: Die Demokraten arbeiten schon lange an einem Schlachtplan, in dem Bain eine zentrale Rolle spielt.

Bislang lässt Barack Obama allerdings nur anfragen, warum sich Romney so plötzlich von dem pinken Flyer distanziert habe. "Was, das auf dem Flyer steht, findet jetzt plötzlich nicht mehr die Zustimmung von Mitt Romney?", will ein Sprecher Obamas wissen. "Glaubt er etwa nicht, dass alle Amerikaner die gleichen Rechte haben sollten? Wem versucht er es jetzt wieder recht zu machen? Genau das ist es, warum die Amerikaner Probleme damit haben werden, Mitt Romney zu vertrauen - er hält sein Wort nicht."

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