US-Truppenabzug aus Afghanistan:Ausweg nach dem Wahlkalender

Die möglichen Termine für einen Truppenabzug aus Afghanistan folgen innenpolitischen Zwängen der USA.

Stefan Kornelius

Im Zahlensalat, der um das Abzugsdatum für die ausländischen Truppen in Afghanistan angerichtet wird, fehlen zwei entscheidende Ziffern: 2012 und 2016. Im Jahr 2012 wird der nächste amerikanische Präsident gewählt, im Jahr 2016 der übernächste. Nur diese Daten zählen, alles andere muss sich unterordnen. Wenn in Washington nun also die Zahl 2014 für den Abzug aus Afghanistan ventiliert wird und gleichzeitig empörte Zeitgenossen auf den Präsidenten deuten, der doch noch vor einem Jahr in einer Rede in West Point von 2011 gesprochen hatte, dann hilft nur die Wahrheit: Die Ankündigungen sind wenig wert, entscheidend sind die Wahltermine.

Präsident Barack Obama hat natürlich den Ehrgeiz, 2012 wiedergewählt zu werden. Und für 2016 gilt zumindest für die Demokraten die Devise, dass ein Republikaner verhindert werden muss. Dieser Republikaner könnte auch David Petraeus heißen. Der Mann ist heute Kommandeur aller Truppen in Afghanistan. Sollte er sein Kommando erfolgreich - also mit einem Abzug - beenden, dann darf er sich auch Hoffnung auf das Weiße Haus machen.

Der politische Kalender bestimmt den militärischen Fahrplan - daher rührt die Entschlossenheit beim Zahlen-Jo-Jo, das zu Beginn der großen Nato-Woche (Afghanistan- und Reform-Gipfel am Freitag in Lissabon) und der inneramerikanischen Bilanz-Saison (Afghanistan- Anhörungen im Kongress Anfang Dezember) gespielt wird. Für Nato und Kongress muss die Botschaft überzeugend sein: Wir beginnen im kommenden Sommer (2011) damit, den Afghanen ihr Land zu übergeben. Damit stimmt das Signal für die Präsidentschaftswahl 2012. Und 2014 ist endgültig Schluss mit den Kampfeinsätzen, dann ist der Albtraum vorüber und der lange Schatten der Anti-Terror-Kriege kann weichen - rechtzeitig zur Präsidentschaftswahl 2016, die allemal von den Signalen der US-Wirtschaft entschieden wird.

Mit den Zuständen in Afghanistan hat das alles nur noch wenig zu tun. 2011 oder 2014 mag die Lage ruhiger oder unruhiger sein, es mag weniger oder mehr Tote geben - das alles spielt keine Rolle. Üblicherweise beendet man einen militärischen Einsatz, wenn das Ziel erreicht ist - oder aber eine Niederlage konzidiert werden muss. In Afghanistan bemüht sich die US-Regierung um einen dritten Weg: Der Krieg wird mit Hilfe des Terminkalenders beendet. Sollte sich das Ergebnis nicht nach dem Kalender richten, dann findet sich auch dafür ein Grund.

Ehrlicherweise wird man einräumen müssen, dass es anders nicht geht. Afghanistan wird immer mehr oder weniger unruhig bleiben. Den ewigen Frieden werden die ausländischen Truppen nicht bringen. Also müssen sie für sich selbst den Weg aus dem Land finden. Afghanistan ist endgültig zum innenpolitischen Problem für die USA, aber auch die anderen Nationen geworden. Denn am Ende werden allemal die Wähler über diesen Einsatz entscheiden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: