Afghanistan:Helfer für den Notfall

Afghanistan: Ende auf Raten: Bis auf ein Restkontingent von einigen Hundert Mann werden die US-Truppen - hier bei einem Einsatz in der Provinz Paktia - aus Afghanistan abziehen.

Ende auf Raten: Bis auf ein Restkontingent von einigen Hundert Mann werden die US-Truppen - hier bei einem Einsatz in der Provinz Paktia - aus Afghanistan abziehen.

(Foto: Shah Marai/AFP)

Auch nach dem offiziellen Abzug der internationalen Truppen werden Hunderte US-Soldaten im Land stationiert bleiben.

Von Hubert Wetzel, Washington

Der Abzug der letzten amerikanischen Kampftruppen aus Afghanistan bedeutet nicht, dass die USA in dem Land militärisch nicht mehr präsent sein werden. Im Gegenteil: Das Pentagon hat in den vergangenen Wochen viel Zeit damit verbracht zu planen, wie die Zukunft nach dem offiziellen Ende des Afghanistan-Einsatzes aussehen soll.

Das fängt damit an, dass die Vereinigten Staaten weiterhin Personal in Afghanistan stationiert haben werden. Kabul im Jahr 2021 ist nicht Saigon im Jahr 1975 - zumindest vorerst nicht. Die Amerikaner kehren Afghanistan nicht wie einst Vietnam den Rücken. In der afghanischen Hauptstadt wird es auf absehbare Zeit weiter eine US-Botschaft geben, die von Truppen vor Angriffen der Taliban oder Terrorattacken geschützt werden muss. Zudem müssen an- und abreisende Diplomaten sicher vom und zum Flughafen Bagram eskortiert werden. Zu diesem Zweck werden in Kabul daher wohl weiterhin US-Soldaten Dienst tun. Die Rede ist in Washington derzeit von einigen Hundert bis knapp eintausend Mann.

Darüber hinaus wollen die USA sicherstellen, dass Afghanistan nach dem Abzug nicht wieder zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird, die dort Kämpfer ausbilden und Anschläge im Westen planen. Washington hat auch kein Interesse daran, dass am Hindukusch das passiert, was im Irak passiert ist - dass die US-Truppen erst abrücken und dann einige Jahre später zurückkehren müssen, um eine islamistische Terrororganisation zu besiegen. Das Pentagon und die CIA werden daher darauf achten, dass sie erstens wissen, ob sich international aktive Terrorgruppen wie al-Quaida oder der sogenannte Islamische Staat am Hindukusch festsetzen. Und dass sie in diesem Fall dann zweitens die Fähigkeiten haben, militärisch von außen in Afghanistan einzugreifen.

Die USA können auf Satelliten und Drohnen setzen

Die Überwachung lässt sich vermutlich relativ gut mit Satelliten und vor allem Drohnen bewerkstelligen. Letztere könnten zum Beispiel von einem Flugzeugträger im Arabischen Meer aus zu ihren Einsätzen starten. Das gilt auch für Kampfjets, die eventuell Luftangriffe auf Ziele in Afghanistan fliegen sollen, zum Beispiel auf Ausbildungslager von Terroristen. Zudem verfügt das Pentagon mit der Al Dhafra Air Base in den Vereinigten Arabischen Emiraten über einen großen Luftwaffen-Stützpunkt in der Region. Von dort können Kampf-, Tank- und Aufklärungsflugzeuge sowie bewaffnete und unbewaffnete Drohnen starten, bis Afghanistan sind es gut 1800 Kilometer Luftlinie. Die Al Dhafra Air Base war schon in den vergangenen Jahren in den Einsatz in Afghanistan eingebunden.

Komplizierter wäre es, amerikanische Bodentruppen zu schicken, etwa Spezialkommandos. Solche Einsätze werden in aller Regel mit Hubschraubern geflogen, die Soldaten und Material transportieren und punktgenau absetzen können. Das US-Militär bevorzugt es bei diesen Missionen, wenn die Anflugwege nicht zu lang sind, damit die Logistik überschaubar bleibt und das Risiko, entdeckt und abgeschossen zu werden, relativ gering ist. Zudem ist es wichtig, dass in nicht allzu großer Entfernung weitere Truppen stationiert werden können, die im Notfall den Kommandosoldaten zu Hilfe kommen können.

Insofern wäre es nicht überraschend, wenn die USA an Afghanistans Nachbarstaaten herantreten und anfragen würden, ob sie auf deren Staatsgebiet einen Stützpunkt für Spezialkräfte einrichten können. Das wäre nichts Neues - die USA haben während des Afghanistan-Krieges in etlichen Nachbarländern kleinere oder größere Basen unterhalten.

Allerdings müsste eine solche Stationierung diplomatisch vorbereitet werden. Ob das funktioniert, ist unklar - immerhin riskiert jedes Land, das den USA sein Territorium für Angriffe auf mutmaßliche Terroristen überlässt, Ziel von Vergeltungsattacken eben jener Terroristen zu werden. Zudem gibt es Länder, die nicht mehr mit dem amerikanischen Anti-Terror-Krieg assoziiert werden wollen, egal wie die jeweilige US-Regierung diesen Krieg auch nennt.

Die pakistanische Regierung zum Beispiel hat bereits wissen lassen, dass sie den USA unter keinen Umständen erlauben werde, von ihrem Staatsgebiet aus Militäraktionen in Afghanistan zu unternehmen. Andererseits: Es ist gut möglich, dass das nur die öffentliche Position ist. Was im Geheimen vereinbart wird, kann ganz anders aussehen. So könnte Islamabad etwa Überflugrechte für amerikanische Drohnen und Jets gewähren, die vom Arabischen Meer aus anfliegen.

Auch bei einigen zentralasiatischen Ländern könnte Washington vorstellig werden. Im Norden von Afghanistan liegen Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan. Alle diese Staaten werden sich jedoch gut überlegen, was Russland dazu sagt, wenn sie amerikanische Truppen auf ihr Gebiet lassen. Moskau wird daher bei allen Verhandlungen stets mit am Tisch sitzen.

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