Süddeutsche Zeitung

US-Spähprogramm:BND will von Prism nichts gewusst haben

Der Verdacht: Die Bundeswehr weiß schon seit Jahren vom US-Spähprogramm Prism und hat es in Afghanistan auch genutzt. Das legt ein Bericht der "Bild"-Zeitung nahe. Der BND dementiert. Die im dem Text genannte Spähsoftware heiße zwar auch Prism, habe aber mit dem gleichnamigen US-Programm nichts zu tun.

Die Entwicklung im Newsblog von Thorsten Denkler, Berlin

Die Meldung schreckte am Morgen das politische Berlin auf: Angeblich hat die Bundeswehr in Afghanistan das Spähprogramm Prism für sich genutzt. Das berichtete die Bild-Zeitung. Wenn das so wäre, dann stellt sich eine entscheidende Frage: Hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gelogen, als sie versicherte, sie habe nicht von den Spionageprogrammen Prism und Tempora gewusst?

Verwirrung um ein "anderes Prism": Eine Kanzlerin, die bewusst die Unwahrheit über ihr Wissen bezüglich Prism gesagt hat - das wäre ein ungeheurer Vorgang. Angeblich aber soll an der Geschichte nichts dran sein. Am Morgen trat CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl kurz vor Beginn der Sondersitzung des Innenausschusses vor die Presse. Er kündigte an, das Verteidigungsministerium werde "noch heute" die Sache aufklären. Das von der Bundeswehr genutzte Spionageprogramm habe mit "dem Prism, über das Sie alle schreiben, nicht zu tun". Der Meldung in der Bild "liegt ein Irrtum zugrunde". Es gehe um ein "anderes Prism".

Dementi vom Bundesnachrichtendienst: Der BND bestätigt die Aussagen von Uhl in einer schriftlichen Stellungnahme: "Bei dem heute in der Bild-Zeitung genannten, als Prism bezeichneten Programm handelt es sich um ein Nato/Isaf-Programm, das nicht identisch ist mit dem Prism-Programm der NSA." Das in der Zeitung genannte Programm sei auch nicht als geheim eingestuft. Der BND habe keine Kenntnis vom Namen, Umfang und Ausmaß des NSA-Programms gehabt. Nach Auskunft des Verteidigungsministeriums hat die Nato schon längere Zeit ein gemeinsames Computer-System über die Sicherheitslage in Afghanistan, das für alle Isaf-Teilnehmerstaaten zugänglich ist. In dieses System würden auch Informationen eingespeist, die aus Erkenntnissen der USA stammen.

Innenminister Friedrich vor dem Innenausschuss: Doch was verbirgt sich genau hinter diesen Erkenntnissen und dem "anderen Prism"? Die Innenpolitiker haben dazu in der Sondersitzung kaum Antworten bekommen. Es hat lediglich Innenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU gesprochen. Er erzählt von seinem USA-Trip, auf dem er der Prism-Sache nachgegangen ist. Die Erwartungshaltung unter den Abgeordneten ist eher niedrig. Michael Hartmann, SPD, sagte vor der Sitzung, er habe Friedrich ja schon am Montag im streng geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium erlebt. "Ich bezweifle, dass der Erkenntnisgewinn heute ein wesentlicher sein wird." Er glaube nicht, dass Friedrich irgendetwas verheimliche, allerdings, dass er "wenig weiß".

Angriffe auf Merkel? Bisher noch nicht: Merkel wegen der Bild-Meldung der Lüge bezichtigen, das wollten weder Hartmann noch die anderen Oppositionspolitiker: "Vielleicht wusste sie nicht davon, oder sie hat uns etwas verheimlicht", mutmaßte Hartmann. Der Grüne Wolfgang Wieland kündigte an, dass jetzt wohl auch Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière befragt werden müsse. Der sei aber an diesem Morgen nicht da. Petra Pau von der Linken ging auf Merkel gar nicht ein.

CDU-Politiker Bosbach vertraut den Aussagen der Sicherheitsbehörden: Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) hat keinen Zweifel daran, dass die Aussagen von Vertretern des Bundesnachrichtendienstes und anderer Sicherheitsbehörden stimmen. Diese hätten "glasklar verneint", vom Umfang und Existenz der Überwachungsprogramme etwas gewusst zu haben. Allerdings: Vom Militärischen Abschirmdienst (MAD), also dem Geheimdienst der Bundeswehr, sei in den entsprechenden Sitzungen niemand gefragt worden, weil kein MAD-Vertreter anwesend gewesen sei.

Die wichtigsten Texte zu den innenpolitischen Auswirkungen der Prism-Affäre auf Süddeutsche.de: Thorsten Denkler schreibt in seinem Kommentar, warum die Affäre nicht geeignet ist, um Angela Merkel wirklich in Bedrängnis zu bringen. Die Rolle der SPD in der Abhöraffäre haben Nico Fried und Frederik Obermaier analysiert.

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