Süddeutsche Zeitung

US-Sonderermittler Mueller:Ein Jahr, und kein bisschen weise

  • Mueller wurde vor einem Jahr als Sonderermittler eingesetzt, um nach illegalen Verbindungen zwischen Trumps Wahlkampfteam und Russland zu suchen.
  • Bisher reichen die Beweise für 22 Anklagen - gegen fünf US-Bürger, einen Niederländer, 13 Russen sowie drei russische Organisationen.
  • Allerdings hat er - zumindest nach allem, was die Öffentlichkeit weiß - keine Belege dafür gefunden, dass Trump persönlich mit Moskau gekungelt hat.

Von Hubert Wetzel, Washington

Glaubt man Donald Trump, dann ist alles nur eine gemeine "Hexenjagd". Dann sind die Ermittlungen des früheren FBI-Direktors Robert Mueller, der nach möglicherweise illegalen Verbindungen zwischen Trumps Wahlkampfteam und Russland sucht, nichts anderes als der Versuch einer hinterhältigen, linken Bürokratenclique, ihm seinen grandiosen Wahlsieg zu rauben. Dann findet in den USA derzeit eigentlich so etwas wie ein stiller Putsch statt - der "tiefe Staat" gegen den gewählten Präsidenten.

Die Frage ist natürlich: Glaubt man Donald Trump?

Robert Mueller wurde am 17. Mai 2017 als Sonderermittler eingesetzt, an diesem Donnerstag arbeitet er seit genau einem Jahr. Er und seine Mitarbeiter haben in dieser Zeit Dutzende Menschen vernommen und Tausende Seiten an Dokumenten gesichtet. Dabei hat er genügend Beweise gefunden, dass es für bisher 22 Anklagen gereicht hat - gegen fünf US-Bürger, einen Niederländer, 13 Russen sowie drei russische Organisationen. Allerdings hat er - zumindest nach jetzigem Stand und nach allem, was die Öffentlichkeit weiß - bislang keine Belege dafür gefunden, dass Trump persönlich auf irgendeine Weise mit Moskau gekungelt hat, um sich seinen Wahlsieg im November 2016 zu sichern.

Die amerikanischen Geheimdienste sind überzeugt davon, dass es 2016 eine russische Sabotageaktion gegen die Demokratin Hillary Clinton gab und Moskau Trump helfen wollte. Dazu stahlen und verbreiteten russische Hacker E-Mails der Demokraten, russische Mittelsmänner stachelten über Facebook Misstrauen und Hass in Amerika an. Das ist der Kern der Anklagen gegen die Russen, die Mueller erhoben hat. Die Anklagen gegen die Amerikaner haben freilich andere Gründe: Trumps ehemaliger Wahlkampfchef Paul Manafort wurde wegen Finanzdelikten angeklagt, sein früherer Sicherheitsberater Michael Flynn wegen Falschaussage. Er hatte über seine Gespräche mit dem russischen Botschafter in Washington gelogen.

Ob Trump von der russischen Sabotage gewusst oder gar dabei geholfen hat, ob er also, wie Juristen sagen, mit Russland kolludiert hat, ist hingegen auch nach einem Jahr Ermittlungen unklar. Es gibt Hinweise darauf, dass verschiedene Personen, die mit dem russischen Geheimdienst verbandelt sind, versucht haben, Trumps Wahlkampfteam mit negativen Informationen über Clinton zu füttern; mit "Dreck", wie es eine dieser Personen genannt hat. Und es gab Treffen dieser Russen mit engen Vertrauten Trumps, darunter seinem Sohn Donald Jr. und seinem Schwiegersohn Jared Kushner. Trumps ehemaliger Wahlkampfmanager und Chefstratege Stephen Bannon hat diese Treffen als "dumm" und "verräterisch" bezeichnet.

Allerdings ist nicht bewiesen, dass bei diesen Treffen illegale Absprachen getroffen wurden. Anders gesagt: Sie mögen politisch gesehen dumm gewesen sein. Ob sie im juristischen Sinne verräterisch waren, ist eine ganz andere Frage.

Trump hat seinen Kampf gegen Mueller deutlich verschärft

Was Trump persönlich betrifft, so scheinen sich Muellers Ermittlungen ohnehin um einen anderen möglichen Straftatbestand zu drehen als Verrat oder Kollusion, nämlich Behinderung der Justiz. Im Mittelpunkt dieses Verdachts steht die Entlassung des früheren FBI-Direktors James Comey durch Trump im Frühjahr 2017. Comey zufolge hatte der Präsident ihn zuvor aufgefordert, die Ermittlungen gegen Michael Flynn einzustellen. Und Trump hat einmal öffentlich in einem Halbsatz zugegeben, dass "das Russland-Ding" bei Comeys Rauswurf ein Motiv gewesen sei. Hat der Präsident also tatsächlich versucht, die Ermittlungen abzuwürgen? Man kann das durchaus vermuten, dass man es gerichtsfest beweisen kann, ist zweifelhaft.

Für Trump und seine Verbündeten, darunter einige sehr eifrige konservative Kongressabgeordnete sowie die wichtigsten rechten Kommentatoren, summieren sich Muellers Ermittlungen daher zu der schon zitierten "Hexenjagd". Für die Demokraten hingegen sind Muellers bisherige Erkenntnisse nur die Spitze des Eisbergs. Sie halten nicht nur am Vorwurf fest, Trump habe zuerst mit Moskau zusammengearbeitet und später die Ermittlungen behindert. Sie hoffen vielmehr auch, dass Muellers sehr breite Ermittlungen auch andere Vergehen von Trump ans Tageslicht bringen werden, dubiose oder gar kriminelle Immobiliengeschäfte zum Beispiel.

Ein Gutteil dieser Hoffnung entspringt freilich eher dem Hass auf Trump als einer sorgfältigen Bewertung dessen, was Mueller herausgefunden hat. Juristisch und politisch ist die Lage so: Ob Mueller je eine Anklage gegen Trump vorlegen wird, ob er das überhaupt darf, ist völlig offen. Doch solange Mueller nicht Trump persönlich einer konkreten Straftat beschuldigt, ist die Chance gering, dass seine Ermittlungen das Material für ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten liefern werden. Selbst Demokraten räumen unter vier Augen ein, dass die bisherigen Erkenntnisse über Trumps Verhalten für ein Impeachment wohl nicht reichen.

So unklar die juristischen Folgen von Muellers Ermittlungen nach einem Jahr sind, so klar sind die politischen: Muellers Arbeit spaltet das Land nur noch tiefer, und sie vergiftet das Klima in Washington. Das liegt vor allem daran, dass die Republikaner ihre anfängliche Zurückhaltung längst aufgegeben haben. Trump hat von Anfang an begriffen, dass ihm von Mueller eher politisch Gefahr droht als rechtlich. Seine Abwehrstrategie bestand daher darin, Mueller als politisches Werkzeug des linken "tiefen Staats" zu diskreditieren. So ist alles, was der Sonderermittler herausfindet, in den Augen von Trumps Anhängern zweifelhaft. Diese Strategie ist voll aufgegangen, sowohl was die republikanischen Politiker in Washington betrifft als auch die republikanischen Wähler. Die meisten republikanischen Parlamentarier stehen hinter Trump, und die Wähler der Partei halten ihren Präsidenten mit großer Mehrheit für glaubwürdiger als Mueller.

Insofern ist es kein Zufall, dass Trump seinen Kampf gegen Mueller deutlich verschärft hat. Er hat neue, aggressivere Anwälte angeheuert, darunter seinen alten Weggefährten Rudy Giuliani, und er hat begonnen, Mueller persönlich zu attackieren. Mueller durfte ein Jahr lang in Ruhe ermitteln - damit ist es vorbei.

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Quelle:
SZ vom 17.05.2018/dit
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