US-Soldaten in Afghanistan:Mord als Zeitvertreib

US-Soldaten in Afghanistan sollen die Ermordung afghanischer Zivilisten geplant und drei Menschen tatsächlich getötet haben. Ein Zeuge berichtet von abgeschnittenen Fingern als Trophäen.

Markus C. Schulte von Drach

Bereits seit Mai 2010 läuft eine Untersuchung gegen fünf Soldaten einer Infanteriebrigade, die während ihres Einsatzes in Afghanistan den Mord von afghanischen Zivilisten geplant und in drei Fällen auch durchgeführt haben sollen.

US-Soldaten in Afghanistan: US-Soldaten der 5th Stryker Brigade unterwegs in der Provinz Kandahar. Einige Angehörige der Brigade sollen mehrmals Granaten auf afghanische Zivilisten geworfen und auf sie geschossen haben.

US-Soldaten der 5th Stryker Brigade unterwegs in der Provinz Kandahar. Einige Angehörige der Brigade sollen mehrmals Granaten auf afghanische Zivilisten geworfen und auf sie geschossen haben.

(Foto: AP)

Wie US-Medien nun berichten, hat einer der Angeklagten angeblich auch noch Andenken an die Verbrechen behalten: Finger der Leichen.

Das grausige Detail wurde im Rahmen der Untersuchung bekannt, in deren Verlauf die Ermittler auch auf etliche Hinweise auf weitere Vergehen gestoßen sind.

Neben den fünf Soldaten der 5th Stryker Brigade, die des Mordes angeklagt sind, werden nun weitere sieben Angehörige der Einheit verschiedener Verbrechen und Verstöße beschuldigt - darunter eine Verschwörung zum Mord, Drogenkonsum und Angriff auf einen Kameraden.

Die Meldungen werfen erneut ein schlechtes Licht auf die US-Truppen, nachdem im April ein Video bekanntgeworden war, das zeigt, wie Soldaten im Irak von einem Hubschrauber aus Zivilisten erschießen und sich über ihre Opfer lustig machen.

Bei dem Hauptangeklagten handelt es sich um Staff Sergeant Calvin G. Der 25-Jährige habe nach seiner Ankunft auf der Forward Operating Base Ramrod im Westen der Stadt Kandahar seinen Kameraden erzählt, seinen Erfahrungen im Irak zufolge sei es ganz einfach, "eine Granate auf jemanden zu werfen und ihn zu töten", hieß es. Anschließend habe er mit dem 22-jährigen Specialist Jeremy M. und anderen Angehörigen seiner Einheit ein "Kill Team" gebildet.

Konkret wird G. beschuldigt, gemeinsam mit M. drei afghanische Zivilisten ermordet und Teile der Leichen behalten zu haben. Darüber hinaus sollen er und andere Soldaten drei weitere afghanische Zivilisten beschossen haben.

Wie aus Anklagepapieren hervorgeht, die sueddeutsche.de vorliegen, wird sowohl G. als auch M. vorgeworfen, während einer Patrouille "zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Januar 2010, vorsätzlich, Gul M. ermordet" zu haben, "indem er eine Handgranate auf ihn warf und mit dem Gewehr auf ihn feuerte". Etwa um den 22. Februar 2010 habe er "mit Vorsatz Marach A. ermordet, indem er mit dem Gewehr auf ihn feuerte". Und um den 2. Mai 2010 ermordete er den Dokumenten zufolge angeblich Mullah A. mit einer Handgranate und Gewehrschüssen.

An dem ersten Mord beteiligten sich den Papieren zufolge der 19-jährige Private First Class Andrew H., am zweiten der 29-jährige Specialist Michael W., am dritten der 21-jährige Specialist Adam W.

Am 5. Mai sollen M., G. und fünf weitere Soldaten einen Kameraden verprügelt, bespuckt und mit dem Tode bedroht haben, offenbar weil er ihren Haschkonsum verraten haben sollte. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AP berichtete dieser Zeuge, Private First Class Justin S., den Ermittlern später von etlichen abgeschnittenen Fingern, die G. ihm gezeigt hätte. M. hätte ihn dann gewarnt, wenn er nicht genauso enden wolle, müsste er das Maul halten.

Vorwürfe der Eltern

Die Eltern des Angeklagten Adam W. wehren sich inzwischen vehement gegen die Vorwürfe gegen ihren Sohn. Wie sie AP erklärten, hatte W. seinen Vater bereits im Januar davon unterrichtet, dass Soldaten seiner Einheit einen Zivilisten ermordet hatten, weitere Morde planen würden und ihn bedroht hätten.

US-Soldaten in Afghanistan: Emma und Christopher W. mit einem Foto ihres Sohnes W., der des Mordes an einem afghanischen Zivilisten angeklagt ist.

Emma und Christopher W. mit einem Foto ihres Sohnes W., der des Mordes an einem afghanischen Zivilisten angeklagt ist.

(Foto: AP)

So hatte Adam W. am 14. Februar berichtet, Angehörige seiner Einheit hätten "einen unschuldigen Kerl" getötet, "etwa in meinem Alter, der auf dem Feld gearbeitet hat". Er habe es nicht selbst gesehen, aber die Beteiligten drängten ihn nun, "selbst einen zu erledigen". W. habe sich gefragt, "ob er das Richtige tun und sich in Gefahr bringen soll, oder einfach die Klappe halten und damit fertig werden".

Christopher W. habe die Informationen seines Sohnes mehrmals an den US-Stützpunkt der Einheit in Fort Lewis im Bundesstaat Washington weitergeleitet - offenbar ohne Konsequenzen. Der AP sagte der Vater, sein Sohn hätte niemals einen unbewaffneten Mann getötet und wäre niemals in die jetzige Situation geraten, wenn die Armee früh genug auf die Warnungen gehört hätte, die er geschickt habe.

W.s Anwalt erklärte inzwischen, der junge Mann sei von Calvin G. angewiesen worden, auf den Zivilisten zu schießen, nachdem er von einer Handgranate getroffen worden war. W. habe jedoch danebengeschossen. Mehrere Zeugen bestätigten laut AP, der Staff Sergeant hätte W. bedroht und überlegt, wie er ihn töten könnte, wenn er nicht schweigen würde.

G. und alle anderen Mitangeklagten beteuern allerdings ihre Unschuld und betonen, alles Schießen wäre angemessen gewesen. M. hatte den Ermittlern zwar ursprünglich erklärt, G. und er hätten die Tötungen geplant und jeweils einen dritten Soldaten dazugeholt. M.s Anwalt gab allerdings inzwischen an, sein Mandant habe bei den Aussagen unter Medikamenten gestanden, seine Erklärungen dürften deshalb nicht als Beweise berücksichtigt werden.

Sollten sich die Vorwürfe von Christopher W. erhärten, so muss sich die US-Armee fragen lassen, wieso den Hinweisen eines Soldaten auf schwere Vergehen von Militärangehörigen nicht oder viel zu spät nachgegangen wurde. Noch schwerer wiegt vielleicht, dass innerhalb des US-Militärs offenbar mancherorts eine Atmosphäre herrscht, in der Soldaten glauben, es sei ein Spaß, andere Menschen zu erschießen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: