US-Soldaten im Irak:Das letzte Aufgebot

US-Präsident George W. Bush muss Irak-Veteranen für einen zweiten Einsatz reaktivieren.

Reymer Klüver

In aller Stille hat Präsident George W. Bush die Anordnung getroffen. Bereits Ende Juli war das. Doch erst jetzt ließ er sie im Pentagon, dem amerikanischen Verteidigungsministerium, öffentlich verbreiten:

2500 ehemalige Marines, Irak-Veteranen, die aus dem aktiven Dienst ausgeschieden und ins zivile Leben zurückgekehrt waren, müssen noch einmal ran und erneut für ein oder gar anderthalb Jahre in den Krieg ziehen.

Ohne die Zwangs-Reaktivierung bekämen auch die Marines, die sich gern die härtesten Jungs im US-Militär nennen, nicht mehr genug Leute zusammen für den Einsatz am Golf.

61 Prozent der Amerikaner gegen den Krieg

Das Zögern bei der Bekanntgabe der Einberufung der Reserve ist begreiflich. So etwas hängt man nicht an die große Glocke, erst recht nicht, wenn es sich um die Marines handelt, Amerikas Elitetruppe, die immer an vorderster Front kämpfen muss und die auch die Invasion im Irak im März 2003 anführte.

Die Mobilisierung wird den ohnehin unpopulären Krieg im amerikanischen Volk noch ein Stück unpopulärer machen. Inzwischen sind 61 Prozent aller Amerikaner gegen das Irak-Engagement, so viele waren es noch nie.

Von einer Reduzierung der Truppen, wie noch vor zwei Monaten, ist inzwischen keine Rede mehr. Damals waren zeitweise nurmehr 127..000 US-Soldaten im Irak, ein weiterer, deutlicher Abbau zum Jahresende schien nicht ganz ausgeschlossen zu sein.

Inzwischen stehen wieder 138.000 Amerikaner im Irak. Zudem straft die Einberufung alle Versicherungen der Mächtigen im Pentagon Lügen, dass Amerikas Militär den langwierigen Krieg locker wegstecke und von einer Überstrapazierung der Streitkräfte keine Rede sein könne. Ohne die Teilmobilmachung der Reserven geht es nicht mehr.

Mehr als 2600 Gefallene

Die Army hat das bereits des öfteren gemacht und bisher 10.000 Reservisten für den Irak-Einsatz reaktiviert. Es ist allerdings das erste Mal seit der Invasion des Irak, dass der Marine Corps Reservisten einberuft. Dem Corps gehören 180.000 Soldaten an.

Dazu kommen 59.000 Soldaten der so genannten Inividual Ready Reserve. Das sind Soldaten, die bereits vier Jahre aktiven Dienst hinter sich haben, sich aber verpflichten mussten, vier weitere Jahre bereitzustehen, wenn der Corps wieder ruft.

Bisher hatten sich aus der Reserve immer genug Freiwillige gemeldet, um Engpässe zu vermeiden. Doch das hat sich nach fast dreieinhalb Kriegsjahren und mehr als 2600 Gefallenen gründlich geändert. Im nächsten Jahr fehlen den Marines im Irak 1200 Leute: Ingenieure und einfache Infanteristen, Verhörspezialisten und Militärpolizisten, Flugzeugmechaniker und selbst Lastwagenfahrer.

Deshalb werden jetzt 2500 Reservisten, gut die doppelte Zahl der im Irak benötigten Kräfte, ihren zweiten Einberufungsbefehl bekommen. Die Opposition warnt, nicht ganz unerwartet, vor den "Langzeitfolgen" der Mobilisierungsaktion beim Militär und im Volk.

"Die Belastung unserer Soldaten, ihrer Familien und des Materials durch die Operationen im Irak und in Afghanistan muss endlich bedacht werden", sagt Senator Jack Reed, ein Militärexperte der Demokraten. Ob er damit bei der Regierung auf offene Ohren stößt, dürfte eher zweifelhaft sein: Bushs Anordnung gilt, ganz offiziell, für die Dauer des Kriegs gegen den Terror. Und für den ist bekanntlich ein Ende nicht in Sicht.

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