Süddeutsche Zeitung

US-Senator Marco Rubio:Auf "Reagans Erben" ruht die Hoffnung der Republikaner

Er ist jung, smart und ein Kind von Einwanderern: Marco Rubio verkörpert alles, was die Republikaner zurzeit nicht sind. Am Dienstag wird der Senator aus Florida die konservative Antwort auf Obamas Rede zur Lage der Nation geben. Die Ähnlichkeit zwischen Rubios Aufstieg und jenen des US-Präsidenten ist verblüffend.

Von Matthias Kolb, Washington

Er ist jung, smart und Einwanderer-Kind: Marco Rubio verkörpert alles, was Republikaner zurzeit nicht sind. Der Senator aus Florida steht im Rampenlicht, weil er am Dienstag die konservative Antwort auf Obamas "Rede zur Lage der Nation" gibt. Rubios Aufstieg ähnelt dem Erfolg des US-Präsidenten auf verblüffende Art.

Am 21. Dezember 2012 griff Oriales Garcia Rubio zum Telefon, um ihren jüngsten Sohn anzurufen. Sie erreichte nur den Anrufbeantworter, und so hinterließ sie folgende Nachricht: "Tony, bitte komm den Einwandern nicht in die Quere. Das sind Menschen wie wir, die aus den gleichen Gründen nach Amerika gekommen sind wie wir. Sie wollen arbeiten und ein besseres Leben haben."

Den Mann, den Oriales wegen seines zweiten Vornamens "Tony" nennt, kennt Amerika als Marco Antonio Rubio, den kubanischstämmigen Senator aus Florida. Rubio ist die größte Hoffnung der Republikaner, die nach Mitt Romneys krachender Niederlage bei der Präsidentschaftswahl weiter auf Sinnsuche sind. Wenn US-Präsident Barack Obama an diesem Dienstagabend seine "Rede zur Lage der Nation" gehalten hat, ist es an Rubio, ein konservatives Alternativmodell zu entwickeln. Der 41-Jährige werde über Einwanderungsfragen sprechen und darlegen, wie die Republikaner das Leben der amerikanischen Mittelklasse verbessern könnten, meldet Politico.

Der neue Anführer

Das Establishment hat sich auf Rubio geeinigt, den "Ersten unter Gleichen" im Kampf der Republikaner um die inhaltliche Ausrichtung, schreibt die Washington Post. Er sei der "neue Anführer der Republikaner". Rubio spielt eine Schlüsselrolle in der überparteilichen Senatorengruppe, die das Einwanderungsrecht ändern will (mehr in diesem Süddeutsche.de-Text), und entwickelt sich immer mehr zum Gegenspieler von Barack Obama.

Das Spiel mit den Medien beherrscht er virtuos. Die auf Spanisch hinterlassene Botschaft seiner Mutter auf dem Anrufbeantworter teilte er gern mit Michael Grunwald vom TIME-Magazin, der die aktuelle Titelstory über ihn geschrieben hat. Auf dem Cover (hier zu sehen) steht "Der Retter der Republikaner". Kaum begann der Medienzirkus über das Titelbild zu reden, twitterte der Katholik: Es gebe nur einen Retter, und der heiße Jesus.

"Retter" ist nur eines von vielen Etiketten: Rubio wurde schon "Michael Jordan der Republikaner" oder "Erbe von Ronald Reagan" genannt. Karl Rove, der Oberstratege der Republikaner und Mastermind hinter den Erfolgen von George W. Bush, sieht in Rubio den "besten Kommunikator seit Reagan". Seit Jahren werden Vergleiche zu jenem früheren Senator laut, der seine außergewöhnliche Lebensgeschichte und seine Talente zum Sprung ins Weiße Haus nutzte: Barack Obama. Es sind mindestens vier Faktoren, die Marco Rubio zu einer der mächtigsten und zugleich spannendsten Figuren der amerikanischen Politik machen.

Rubio ist Latino

Die Gegenrede zu Obamas State of the Union Address wird Rubio auf Englisch und auf Spanisch halten. Noch immer ist es etwas Besonderes, wenn Politiker in Amerika mehr als nur einige Floskeln auf Spanisch beherrschen. Rubio wuchs in West Miami als Sohn von Kubanern auf: Seine Mutter Oriales arbeitete als Zimmermädchen, sein Vater war Bartender. Der junge Marco verbrachte viel Zeit mit seinem Großvater, der stets von Ronald Reagan schwärmte, den Enkel vor dem Kommunismus warnte und auf Diktator Fidel Castro schimpfte.

Anfangs hatte sich Rubio einen Ruf als Hardliner in Einwanderungsfragen aufgebaut und seine Familiengeschichte oft als Beweis angebracht, wie wichtig Freiheit und Kapitalismus für Amerika seien. Sein Beispiel beweise, dass jeder, der hart arbeite, in Amerika aufsteigen könne. Die Enthüllung des Journalisten Manuel Roig-Franzia, dass seine Verwandten nicht wie behauptet vor Castro flohen und sein Opa wegen illegaler Einreise ausgewiesen werden sollte, hat Rubio nicht geschadet (Details hier).

Seit Mitt Romney im November nur 27 Prozent der Stimmen der Hispanics bekommen hat, überlegen die Strategen, wie Republikaner hier zulegen können: Bis 2016 wird sich ihr Anteil an der wahlberechtigten Bevölkerung um zwei Prozent erhöhen. Ein Latino als Kandidat für das Weiße Haus oder als Vize scheint ideal. Doch Experten warnen, dass der Kubaner Rubio bei mexikanischstämmigen Amerikanern auf Vorbehalte stoße.

Rubio ist jung und smart

Als er 2010 in den Senat gewählt wurde, war der vierfache Vater erst 39 Jahre alt. Auch heute wirkt der Jurist jünger als 41, vor allem wenn er über American Football spricht - seine Frau war einst Cheerleaderin. In der Biografie "An American Son" berichtet er von Schaumpartys am Partystrand South Beach in Miami und davon, wie er sich als Wahlkampfhelfer 1996 nach zu viel Wodka vor seiner Chefin übergeben musste. Wie ungewöhnlich Rubios Biografie für einen Republikaner ist, wird deutlich, wenn er mit dem Magazin GQ über Hiphop-Pionier Afrika Bambaataa spricht oder als Lieblingsfilme Pulp Fiction und Der Pate nennt (Video hier). Man schaue sich den folgenden Video-Clip des Online-Portals Buzzfeed an, in dem Rubio über Notorious B.I.G. und Tupac Shakur spricht - und stelle sich dann Mitt Romney oder John McCain in dieser Lage vor.

All das macht Marco Rubio nicht zu einem besseren Politiker, doch es deutet an, dass die Grand Old Party mit ihm bei jüngeren Wählern zumindest Gehör finden könnte.

Rubio ist ein glänzender Redner

Die Aufgabe war nicht leicht. Direkt vor Rubios Rede beim Parteitag der Republikaner in Tampa hatte Clint Eastwood seinen legendären Dialog mit einem leeren Stuhl, auf dem angeblich Präsident Obama saß. Rubio sollte 30 Millionen Fernsehzuschauern Mitt Romney vorstellen, was an sich schon eine schwierige Aufgabe ist. Dass das Publikum nach dem Sketch des Schauspielers entsprechend unruhig war, störte ihn nicht: Es folgte die beste Rede des Parteitags (Video hier).

Vielen Beobachtern imponierte nicht nur die Kaltschnäuzigkeit des jungen Mannes, die er schon bei vielen Gelegenheiten bewiesen hat. Rubio schaffte es als einer der wenigen, Obama zu kritisieren, ohne ihn zu beleidigen: "Unser Problem ist nicht, dass er ein schlechter Mensch ist. Unser Problem ist, dass er ein schlechter Präsident ist."

Rubio hat (noch) das Vertrauen der Tea Party

Sein Geschick als Redner hilft dem Aufsteiger bei dem schwierigen Spagat, den er zu bewältigen hat: Rubio hatte sich zwar auf die konventionelle Art zum Sprecher des Abgeordnetenhauses in Florida hochgearbeitet, doch bei seiner Kandidatur für den US-Senat 2010 half ihm vor allem die ultrakonservative Tea-Party-Bewegung. Deren Rhetorik mit ihren eigenen Floskeln beherrsche er wie ein Muttersprachler, während sie bei Mitt Romney stets wie antrainiert oder auswendig gelernt wirke, bilanziert das TIME-Magazin treffend.

Jedem Republikaner, der 2016 ins Weiße Haus einziehen will, muss es gelingen, die radikalen Ausgabenkürzer der Tea Party sowie das Partei-Establishment hinter sich zu vereinigen - und auch noch für unabhängige Wähler attraktiv zu sein. Abgesehen von der Migrationsfrage bleibt Rubio auf Tea-Party-Linie: Dem Deal zur Aufschiebung der Steuerklippe zum Jahreswechsel verweigerte er seine Zustimmung.

Mit seinem Engagement in der Senatorengruppe, die sich für eine Reform des Einwanderungsrechts einsetzt, zeigt Rubio, dass er die Grand Old Party modernisieren will - und betont zugleich, dass die Partei ihre Grundprinzipien nicht aufgeben müsse. Er geht damit ein beträchtliches Risiko ein, denn niemand weiß, ob es ihm dauerhaft gelingen wird, Talkradio-Hardliner wie Rush Limbaugh oder die einflussreichen Fox-News-Moderatoren Sean Hannity und Bill O'Reilly zu überzeugen, dass es sich bei dem Vorschlag der "Gang of Eight" keineswegs um eine Amnestie handele. Kritik aus den eigenen Reihen bleibt nicht aus: David Vitter, Senator aus Louisiana, nennt Rubio "naiv".

"Wir dürfen nicht die Augen verschließen"

Der 41 Jahre alte Senator aus Florida betont immer wieder, dass Obama und die Demokraten beweisen müssten, dass es ihnen mit einem übergreifenden Kompromiss ernst sei und sie nicht nur den elf Millionen Illegalen einen Weg zur Einbürgerung weisen wollten - der Schlüssel seien vor allem weitere Investitionen in die Grenzsicherung. Rubio macht immer wieder deutlich, dass die Aussichten für eine Reform des Einwanderungsrechts zwar recht gut seien, doch er warnt: "Wir dürfen nicht die Augen vor den Hindernissen verschließen."

Der konservative Hoffnungsträger weiß, dass er gute Karten hat - sollte ein Deal mit Präsident Obama platzen, dann kann er immer argumentieren, für die Einhaltung des Rechtsstaats und gegen eine Amnestie gestimmt zu haben. Seine Fans am rechten Rand wären dann zufrieden, aber Mama Oriales wäre in diesem Fall wohl nicht sehr stolz auf ihren "Tony".

Linktipps: Das ausführliche Porträt über Marco Rubio aus dem TIME-Magazin ist hier nachzulesen. Eine ausgewogene Darstellung des "Phänomens Marco Rubio" erschien soeben in der Washington Post.

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