Süddeutsche Zeitung

US-Republikaner und die Tea Party:Sieg des alten Washington

Die rechtspopulistische Tea Party hat enormen Einfluss auf die US-Republikaner - die versuchen jetzt, die Kontrolle über ihre Partei zurückzuerobern. Für Obama ist das eine schlechte Nachricht.

Von Nicolas Richter, Washington

Mitch McConnell lächelt am Schreibtisch, oder vor der US-Flagge, er lächelt neben seiner Frau, er lächelt neben einem Pferd. In seinem Wahlwerbefilm verschwendet er keine Worte, nein, er lächelt bloß, milde, scheinbar arglos und im Reinen mit sich selbst. Das Filmchen vom lieben Großvater McConnell war im März ein Großerfolg im Internet, und es verbreitete die Botschaft, die dem Kandidaten letztlich den Sieg bescherte: Ihr kennt mich, ich kümmere mich um euch.

Mitch McConnell, 72, ist seit drei Jahrzehnten US-Senator in Washington, er ist der Anführer der Republikaner im Senat, und er möchte all das auch nach der Parlamentswahl im Herbst noch bleiben. In den Vorwahlen der republikanischen Partei hat ihn zuletzt der wesentlich jüngere Unternehmer Matt Bevin herausgefordert, ein erzkonservativer Anhänger der Tea Party. Er warf McConnell vor, zu lange in der Hauptstadt zu sein und sich zu oft auf faule Kompromisse mit den Demokraten einzulassen.

Am Dienstag in der Vorwahl hat McConnell seinen jugendlichen Widersacher nun mit 60 zu 35 Prozent der Stimmen geschlagen. Der nette Herr McConnell, der sich zum ersten Mal ernsthaft herausgefordert sah, hatte es angekündigt: "Wir werden die Tea Party überall vernichten", sagte er im März voraus. Es ist nun ein Sieg des alten Washington, jedenfalls der Alteingesessenen in Washington.

Diszipliniert, vernetzt, finanziell bestens ausgestattet

In anderen Staaten gingen die Vorwahlen am Dienstag ganz ähnlich aus. In Idaho setzte sich ein langjähriger Abgeordneter gegen einen rechten Herausforderer durch, ebenso in Pennsylvania. In Georgia wird eine Stichwahl entscheiden, welcher Republikaner für den Senat kandidieren darf, aber die beiden Tea-Party-Bewerber sind am Dienstag bereits ausgeschieden.

Kein Wettbewerb erregte so viel Aufmerksamkeit wie der in Kentucky, den am Ende McConnell gewann. McConnell, der rechte Widersacher als "verrückte Konservative" verspottete, ist nun das Symbol dafür, dass ein Amtsinhaber selbst dann noch im Vorteil ist gegen junge Herausforderer, wenn er so lange Amtsinhaber ist wie McConnell. Als kampferprobter Senator konnte er seinem energischen, aber unerfahrenen Konkurrenten mehr Geld und mehr taktisches Geschick entgegensetzen, vor allem aber eine Bilanz dessen, was er in drei Jahrzehnten für seinen Heimatstaat in der tiefen Provinz herausgeschlagen hat.

Für Präsident Barack Obama und seine demokratischen Parteifreunde ist dies ein schlechtes Ergebnis. Sie hatten auf Erfolge der rechten Amateure gehofft, weil es leichter gewesen wäre, diese bei der Hauptwahl im November zu schlagen. Stattdessen müssen die Demokraten nun gegen erfahrene Republikaner antreten, die diszipliniert, gut vernetzt und finanziell bestens ausgestattet sind. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten in einem halben Jahr ihre Mehrheit im Senat, der zweiten Parlamentskammer, verlieren. Das Abgeordnetenhaus wird ohnehin in republikanischer Hand bleiben. Für Obama bedeutet das, dass er ab Ende des Jahres womöglich keine Machtbasis mehr besitzt im US-Kongress. Er würde damit, zwei Jahre vor dem Ende seiner Amtszeit, endgültig zu einer "lahmen Ente".

Die rechtspopulistische Tea Party hat seit 2010 enormen Einfluss auf die republikanische Partei und die US-Politik gewonnen. Sie verlangt, dass der Staat drastisch spart, die Steuern senkt und sich so weit wie möglich aus dem Leben seiner Bürger heraushält. Anhänger der Tea Party haben die republikanischen Vorwahlen nicht nur dort gewonnen, wo ein Mandat neu ausgeschrieben war, sie haben auch konservative Amtsinhaber verdrängt. In vielen Wahlkreisen mussten republikanische Abgeordnete und Senatoren fürchten, von einem Außenseiter rechts überholt zu werden.

Aber spätestens seit dem verheerenden Budgetstreit im Herbst versuchen die etablierten Republikaner, die Kontrolle über ihre Partei zurückzugewinnen. McConnell hat dafür das Drehbuch geliefert. Seine erprobten Kontakte zu Großspendern aus der Wirtschaft ermöglichten es ihm, wesentlich mehr Geld für Wahlwerbung auszugeben als Bevin. Seine erfahrene Mannschaft nahm den Rivalen nach allen Regeln der Kunst auseinander. Und inhaltlich ließ es McConnell nicht zu, dass sein Konkurrent den Titel des wahren, zuverlässigen Konservativen für sich beanspruchte. McConnell ist als Senator der alten Schule durchaus zu Deals und Kompromissen mit den Demokraten fähig. Aber er ist immer ein erbitterter Kritiker Obamas gewesen.

Entscheidung in Kentucky und Georgia

In der Hauptwahl muss McConnell nun gegen die Demokratin Alison Lundergan Grimes antreten. Sie könnte ihm gefährlich werden, obwohl Obama in Kentucky unbeliebt ist. "Mit McConnell hatten wir 30 Jahre des Scheiterns, wir können uns nicht sechs weitere leisten", erklärte die 35 Jahre alte Grimes. Die charismatische Juristin verkörpert die Hoffnung auf den fälligen Generationswechsel.

Ihre Partei wird ihr dabei so viel helfen wie möglich. Aus Sicht der Demokraten nämlich sind die Senatswahlen in Kentucky und Georgia entscheidend. Es sind die beiden einzigen Staaten, in denen sie hoffen können, republikanische Amtsinhaber zu schlagen, also neue Senatssitze zu erobern. In mehreren anderen Staaten wiederum müssen sie damit rechnen, ihre Sitze an die Republikaner zu verlieren.

Der alte Profi McConnell hat sich sofort auf die neue Gegnerin eingestellt. Er weiß, dass er es nun besonders unter Kentuckys Wählerinnen schwer haben wird. Also lobte er ausgiebig seine Ehefrau und erinnerte an seine Mutter. McConnell wird sich noch einmal richtig anstrengen müssen. In der jüngsten Umfrage steht es 43 zu 42 - für seine Kontrahentin Grimes.

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Quelle:
SZ vom 22.05.2014/fran
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