US-Republikaner: Sarah Palin:Mama Grizzly zieht in den Kampf

Sarah Palin versetzt die Politauguren in den USA in Hochspannung. Das Idol der amerikanischen Rechten will offenbar wirklich 2012 Präsidentschaftskandidatin der Republikaner werden.

Reymer Klüver, Washington

Will sie? Oder will sie nicht? Was steckt hinter dem YouTube-Video, das unter dem Stichwort "Mama Grizzlies" im Internet Furore macht? Zweifellos sehen so Wahlspots aus von Politikern mit Ambitionen. Sammelt Sarah Palin deshalb Geld? Fast eine Million Dollar hat sie im vergangenen Vierteljahr bekommen. Welche Strategie verbirgt sich hinter ihren Empfehlungen für einzelne Kandidaten, die bei der Kongresswahl im Herbst antreten sollen? Gezielt und ziemlich erfolgreich wurden sie ausgesprochen. Fragen über Fragen, nur vage Antworten aber - wohl mit Absicht.

Palin versetzt die Politauguren in den USA in Hochspannung. Die einschlägigen Blogs schwirren vor Gerüchten. Will sich die Jeanne d'Arc der Rechten tatsächlich um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner 2012 bewerben? Das hielt kaum jemand für möglich nach ihrer kläglich gescheiterten Vizepräsidentschaftskandidatur 2008 und ihrem überstürzten Abgang als Gouverneurin von Alaska ein knappes Jahr später.

Genaues weiß keiner, vielleicht nicht einmal Palin selbst. In jedem Fall aber hat die von den Linken geschmähte Bannerträgerin der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung in den vergangenen Wochen ihren enormen politischen Einfluss unter Beweis gestellt. Wen sie bei den Vorwahlen vor einigen Wochen empfahl, der hatte gute Chancen, von der republikanischen Parteibasis zum Kandidaten für die Kongresswahl im Herbst bestimmt zu werden. Und Palin empfahl auffallend viele Frauen. Mama Grizzlies nennt sie sie, in Anspielung auf die Grizzlybären-Mütter in ihrer kalten Heimat, die sich bei Gefahr schützend vor ihre Jungen stellen. So, das ist die Botschaft ihres jüngsten Videos, müssten sich die Mütter Amerikas aufrichten und ihr Land gegen den Angriff der Linken verteidigen - unter Palins Führung.

In New Mexico und South Carolina werden nun Frauen für die Republikaner bei der Gouverneurswahl antreten. Ehe Palin ihre Empfehlung für Susana Martinez und Nikki Haley ausgesprochen hatte, lagen die beiden konservativen Frauen in den Umfragen abgeschlagen zurück. Nun haben sie sehr gute Chancen auf einen Wahlsieg. In Nevada hat sie Sharron Angle als Senatskandidatin durchgesetzt. In Georgia könnte ihre diese Woche ausgesprochene Empfehlung für Karen Handel die Stichwahl für die Gouverneurskandidatur entscheiden, und im Bundesstaat New York unterstützt sie die Konservative Ann Marie Buerkle im Kongresswahlkampf.

Doch es sind keineswegs nur Frauen auf der Linie der Tea-Party-Bewegung, für die Palin Wahlempfehlungen ausgesprochen hat. Ganz gezielt und offenbar unberührt von allen ideologischen Grundsatzerwägungen hat sie sich auch für Frauen und Männer eingesetzt, die den Lackmustest der neuen Rechten bei den Republikanern nie und nimmer bestehen würden, deren Beistand aber wichtig sein könnte bei einer Präsidentschaftskandidatur. So unterstützt sie, in alter Verbundenheit, John McCain in seiner neuerlichen Bewerbung um die Senatskandidatur der Republikaner in Arizona - gegen einen Kandidaten, der das Gütesiegel der Tea Party hat. John McCain liegt inzwischen deutlich vorn. In Kalifornien wirbt Palin für Carly Fiorina, die ehemalige Chefin des Computerriesen HP, die nach Jahrzehnten erste republikanische Senatorin Kaliforniens werden will, des Bundesstaats, der bei Wahlparteitagen der Republikaner mit Abstand die meisten Stimmen stellt.

Hauptsache gegen Obama

Und in Iowa hat Palin sich für Ex-Gouverneur Terry Branstad starkgemacht, wahrlich kein Liebling der Tea-Party-Aktivisten. Palins Hintergedanken sind nicht schwer auszumachen: Der Caucus in Iowa eröffnet stets die Vorwahlserie bei den Präsidentschaftswahlen in den USA. Da kann es nicht schaden, sich mit dem möglichen künftigen Gouverneur gut zu stellen. Ohne viel Aufhebens zu machen, hat sie zudem für die Wiederwahl des knorrigen Senators Chuck Grassley in Iowa, auch kein Held der Tea Party, die Höchstsumme von 5000 Dollar gespendet.

Und immer wieder hat sie sich in den vergangenen Monaten in den politischen Diskurs des Landes eingeschaltet, mit Bemerkungen auf ihrer Facebook-Seite oder ein paar Zeilen auf Twitter. Das geht auch vom fernen Alaska aus bestens. Dabei zeigt sie eine große Unbekümmertheit - ihre Verächter werden sagen Beliebigkeit - in der Wahl ihrer Argumente. Hauptsache, es geht gegen den politischen Gegner und vor allem gegen Präsident Barack Obama.

So schickte sie eines ihrer typischen Twitter-Schreiben aus, in dem sie die "extremen Ökos" für die Ölkatastrophe im Golf mit verantwortlich machte. "Kapiert ihr nun, warum wir ,bohr, Baby, bohr' wollen?", fragte sie. Gäbe es nicht so viele Bohrverbote an Land wie im Arctic National Wildlife Refuge, dem Naturschutzgebiet im Norden Alaskas, so ihre Logik, würden die Ölfirmen nicht in so großen Tiefen an den Küsten bohren. Sie ließ natürlich aus, dass sie Obama nur zwei Monate zuvor gegeißelt hatte, weil er scheinbar zauderte bei der Freigabe der Küste für weitere Bohrungen, während Russland, China und Venezuela "mit Volldampf" damit voranschritten.

Und dann sind da noch die Finanzen. 866.000 Dollar hat sie im vergangenen Vierteljahr gesammelt. Das ist zwar im Vergleich etwa zu Mitt Romney, der offen an einer erneuten Präsidentschaftskandidatur bastelt, nicht viel. Er sammelte allein im April und Mai mehr als eine Million Dollar. Doch auffällig ist, dass bei Palin drei Viertel der Einzelbeträge von Kleinspendern kamen, die 200 Dollar oder weniger gaben. Der Letzte, der mit einer vergleichbaren Strategie Höchstbeträge einfuhr, war Obama. Zudem spricht der Umstand, dass Palin bereits jetzt so viele zum Spenden motivieren kann, dafür, dass sie wie Obama vor drei, vier Jahren bei den Demokraten eine Aufbruchstimmung bei den Rechten erzeugen könnte. Bisher, so schreibt der Politikchef des Magazins The Atlantic, Marc Armbinder, habe er es nie für möglich gehalten, dass Palin eine Kandidatur in Erwägung ziehen würde. Das sieht er nun anders: "Jetzt glaube ich, sie könnte es wirklich versuchen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: