US-Republikaner Mitt Romney:Stärkster unter Schwachen

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"Ich glaube an Amerika": Mitt Romney hat endlich seine zweite Kandidatur für die US-Präsidentschaft verkündet. Dieses Mal setzt der 64-jährige Republikaner auf Tradition, Expertise - und die Angst vor Sarah Palin.

Reymer Klüver, Washington

Es ist eine perfekte Inszenierung. Das weiße, windschiefe Farmhaus zwischen weißen, windschiefen Scheunen auf dem sommergrünen Eichenhain, oberhalb der Landstraße zur Küste. Am Fahnenmast der Sternenbanner, der in den Windböen aus Nordwest flattert. Die duftenden Heuballen, auf denen die Zuhörer im Halbrund sitzen.

Auf einer Farm in New Hampshire ruft Mitt Romney seinen Anhängern zu, dass er noch einmal antreten will. An seiner Seite: Ehefrau Ann. (Foto: AP)

Einen passenderen Hintergrund dürfte es kaum geben, nicht für einen Wahlkampfauftritt im ländlichen New Hampshire, dem US-Bundesstaat, dessen Wähler angesichts seiner geringen Größe (nur acht der 50 Bundesstaaten haben noch weniger Einwohner als New Hampshire) eine geradezu grotesk überdimensionierte Rolle im Präsidentschaftswahlkampf zukommt: Sie stimmen Anfang kommenden Jahres mit als erste über den Herausforderer von Präsident Barack Obama ab - und stellen damit die entscheidenden Weichen im Kampf um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner.

Kein Wunder also, dass Mitt Romney Bittersweet Farm in Stratham, mitten in der grünen Wald- und Wiesenlandschaft New Hampshires ausgesucht hat, um der Nation offiziell zu verkünden, was ohnehin seit Monaten klar war. Der 64 Jahre alte ehemalige Gouverneur von Massachusetts will es noch einmal wissen. Im zweiten Anlauf möchte er erreichen, was ihm 2008 versagt geblieben war: die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei. "Ich heiße Mitt Romney, ich glaube an Amerika, und deshalb bewerbe ich mich als Präsident der Vereinigten Staaten", rief er am Donnerstag Hunderten von Anhängern, auf einem Heuwagen stehend, zu.

Vor vier Jahren hatte der Multimillionär, der als Chef eines Investmentfonds reich geworden ist, seinen Sieg mit enormen Geldeinsatz erzwingen wollen. In den Bundesstaaten Iowa, New Hampshire und South Carolina hatte er eine flächendeckende Wahlkampforganisation mit Hunderten fest angestellter Helfer aufgebaut. Er dominierte die lokalen Fernsehsender über Monate mit teuer bezahlter Wahlwerbung. Dennoch scheiterte er in Iowa (wo als erstes abgestimmt wurde) an Mike Huckabee, der mit viel Witz und wenig Dollar das Herz der konservativen Parteibasis erobert hatte. In New Hampshire dann (und später in den meisten anderen Bundesstaaten) unterlag er John McCain, der in seiner mitunter verschrobenen Sturheit viel authentischer wirkte als der gelackte Ex-Manager Romney.

Diesmal will Romney alles anders machen. Bisher hat er sich betont zurückgehalten. Wahlspots sind nicht zu sehen, und seinen Wahlkampf konzentriert er auf New Hampshire. Er gibt sich locker, nicht mehr so steif wie vor vier Jahren. Mit hochgekrempelten Hemdsärmeln verteilte er auf der grünen Wiese vor der Farm in Stratham Chili-Eintopf an seine Parteigänger, schüttelte so lange Hände, bis sich ihm keine mehr entgegenstreckten. Er will seine Partei überzeugen, dass an ihm diesmal kein Weg vorbei führt.

Dafür spricht zum einen die Tradition. Immer wieder haben die Republikaner Männer zu ihren Präsidentschaftskandidaten gemacht, die sich sozusagen ihre Sporen verdient hatten, weil sie sich bereits zuvor vergeblich beworben hatten. So war es bei John McCain, so war es bei George Bush, dem Älteren. Zum anderen aber will Romney seiner Partei und Amerika vermitteln, dass er angesichts der wirtschaftlichen Krisenstimmung in den USA genau der richtige Kandidat wäre: "Barack Obama hat Amerika im Stich gelassen, er hat die Rezession nur noch schlimmer gemacht", rief er vom Heuwagen herab. Er dagegen besitze als langjähriger Manager das, was es bedürfe, um das Land aus der Krise zu führen: Erfahrung und Mut zu Entscheidungen. Zum dritten aber appelliert er, ohne es direkt auszusprechen, an die Angst des Partei-Establishments, dass die radikalen Tea-Party-Aktivisten Sarah Palin als Kandidatin durchsetzen könnten (wenn sie denn antritt). Sie hätte gegen Obama keine Chance.

Insofern war die Farm in Stratham keineswegs zufällig als Kulisse ausgesucht. Ihr Besitzer Doug Scamman zählt zum Partei-Establishment in New Hampshire, 16 Jahre lang saß er im Kongress des Bundesstaates, zweimal war er Parlamentspräsident. Romney baut darauf, dass sich die etablierte Mitte der Partei am Ende um ihn schart. Bislang ist er in den Umfragen Favorit - allerdings der schwächste in Jahrzehnten in einem präsidentiellen Vorwahlkampf, wie das Institut Gallup herausfand. Nur einer von fünf Republikanern unterstützt Romney mit Überzeugung, ein gutes halbes Jahr vor Beginn der Vorwahlen ein bestürzend schlechter Wert. "Unimpressed", herzlich wenig beeindruckt, lautet die Vokabel, die republikanische Wähler am häufigsten gebrauchen, um das Kandidatenfeld ihrer Partei zu schreiben.

Unbeeindruckt sind offenkundig auch mögliche Konkurrenten Romneys. Vorneweg natürlich Sarah Palin, die wie zufällig ebenfalls am Donnerstag zu einem Muschelessen einlud in Seabrook, nur ein paar Kilometer entfernt von Stratham, und es damit fertigbrachte, dass sie in allen Berichten über Romneys Auftritt zitiert wurde. Doch ist Palins Guerilla-Wahlkampftaktik nicht die einzige Unwägbarkeit, vor der Romney steht. Auch sein mormonischer Landsmann Jon Huntsman ist an diesem Wochenende in New Hampshire unterwegs und versucht sich als jüngere, attraktivere Alternative aufzubauen. Und Rudy Giuliani, früherer Bürgermeister von New York, der vor vier Jahren als Kandidat kläglich scheiterte, überlegt es sich vielleicht: Auch er hatte am Donnerstag einen Auftritt vor Republikanern in New Hampshire.

Und nicht zuletzt beginnen die Demokraten, sich auf Romney einzuschießen. Fast täglich verweisen sie darauf, dass Romneys Gesundheitsreform, die er als Gouverneur von Massachusetts durchgesetzt hatte, Vorbild für Obamas Reformwerk war. Ein potentiell tödliches Lob, wenn man bedenkt, wie verhasst "Obamacare" bei den Republikanern ist.

© SZ vom 04.06.2011/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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