US-Republikaner John Boehner:Amerikas mächtigster Prügelknabe ist müde

US Speaker of the House and Republican from Ohio John Boehner

Repräsentantenhaus-Sprecher John Boehner.

(Foto: dpa)

Zwischen den Fronten der eigenen Partei zerrieben, vom Präsidenten verspottet: Der Republikaner John Boehner hat die vielleicht undankbarste Aufgabe in der Amerikas Politik. Weil er seinen Job im Repräsentantenhaus auch noch planlos erledigt, verstummen die Gerüchte um seinen Rückzug nicht.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

In dieser Woche konnte John Boehner mal wieder einen Erfolg feiern: In seinem Wahlkreis in Ohio setzte sich der der Republikaner spielend gegen seine parteiinternen Konkurrenten von der Tea Party durch. Einer davon hatte ihm im Wahlkampf ein "elektorale Störung" vorgeworfen. Diese Form der Wählerfeindlichkeit ist nicht mit "Erektionsstörung" gleichzusetzen, soll aber durchaus zu Verwechslungen einladen.

Wer solche Parteifreunde hat, braucht nicht nach Feinden Ausschau halten. Boehner mag zwar als Sprecher des Repräsentantenhauses offiziell der drittmächtigste Mann im Staat sein, in Wahrheit aber ist er eher der Prellbock für die verschiedenen Gruppen der Konservativen.

Vor allem die ultrarechte Tea Party legt ihm jeden Kompromissversuch als Schwäche aus, weshalb sogar jüngst Präsident Barack Obama seinen Gegenspieler während des White House Correspondents' Dinners ironisch bemitleidete. "Dieser Tage machen die Republikaner im Repräsentantenhaus Boehner mehr Ärger als mir", sagte er und ergänzte grinsend in Anspielung auf dessen Sonnenstudio-Teint: "Das heißt wohl, dass Orange das neue Schwarz ist."

Wie lange Boehner die Rolle des mächtigen Prügelknaben noch spielen möchte, ist eine der spannendsten Fragen rund um die Kongresswahlen im November. Bereits vor einiger Zeit flackerten Gerüchte auf, der 64-Jährige werde seinen Posten Ende des Jahres aufgeben - hastig ließ er Vertraute dies dementieren.

Allerdings werden genau jene Vertrauten weniger - und deshalb erhalten die Spekulationen neue Nahrung, Boehner könnte sich bald in seine jüngst gekaufte Ferienwohnung in Florida zurückziehen.

Sechs seiner wichtigsten Verbündeten werden dem nächsten Kongress nicht angehören: Der Chef des Geheimdienstausschusses Mike Rogers, der stets verlässliche Vermittler Dave Camp, der engste Boehner-Vertraute Tom Latham sowie die Weggefährten Saxby Chambliss, Buck McKeon und Doc Hastings. Insgesamt haben mehr als zwei Dutzend konservativer Abgeordneter ihren Abschied aus dem Repräsentantenhaus angekündigt - eine Folge des vergifteten Klimas in der Fraktion.

Boehner selbst, eigentlich eine politische Sphinx, stellt seine Frustration inzwischen stellenweise zur Schau. So mokierte er sich in seinem Heimatwahlkreis über die winselnden Parteikollegen. "Sie haben diese Einstellung: 'Ohhh, lass mich das nicht machen. Ohhh, das ist zu hart'", lästerte er über deren Weigerung, die Einwanderungsreform noch vor November auf den Weg zu bringen. Genutzt hat es ihm wenig: Falls er das Gesetz nicht mit Hilfe der Demokraten einbringt, wird vor 2015 kaum etwas passieren.

Wer kann die Republikaner überhaupt einen?

Für pragmatische Bündnisse mit der Gegenseite fehlte dem seit 2011 amtierenden Boehner allerdings bislang der Mut, so wie seine Führungsstrategie ohnehin konzeptlos wirkt. Er erhöhte die Hürden für die Debatten zu Gesetzesentwürfen im Repräsentantenhaus und schaffte die gängige Praxis ab, für die Zustimmung zu Gesetzen projektgebundenen Budgetmittel für den eigenen Wahlkreis auszuhandeln.

Die Arbeit im Kapitol werde sich ändern, hatte er versprochen. Er behielt recht: Weil Boehner seine Fraktion aus Alt-Konservativen und Neu-Rechten nur selten für Kompromisse gewinnen kann, arbeitet Washington inzwischen quasi überhaupt nicht mehr. "Was geht im Kopf von John Boehner vor?", rätselt nicht nur das New York Magazine.

Als möglicher Nachfolger stünde Mehrheitsführer Eric Cantor aus Virginia bereit. Dessen Verhältnis zu Boehner gilt als eher kühl, vor allem aber nimmt die rechte Tea-Party-Bewegung Cantor als zu liberal wahr. Weitere Kandidaten sind Tea-Party-Liebling Paul Ryan oder der unbekannte wie ultrakonservative Jeb Hensarling aus Texas, der dem Finanzausschuss vorsitzt.

Rückkehr von IRS und Bengasi

Doch eigentlich kann nur eines die Fraktion einen: Eine republikanische Mehrheit im Senat, mit der gemeinsam man das Weiße Haus mit konservativen Gesetzen überfluten könnte. Obama bliebe dann nur noch sein Vetorecht. Ein Machtwechsel im Senat ist nicht unmöglich und würde sicherlich auch John Boehner eine weitere Amtszeit schmackhaft machen.

Im Repräsentantenhaus hat deshalb längst das Wahlkampfspektakel begonnen. In dieser Woche rückten die Republikaner dort den Angriff auf das US-Konsulat in Bengasi und das Vorgehen der Steuerbehörde IRS gegen Tea-Party-Gruppen wieder in den Mittelpunkt.

An Boehners Bilanz, in führender Position Teil des untätigsten und unbeliebtesten Kongress aller Zeiten gewesen zu sein, ändern solche Aktionen zwar nichts, doch der Applaus der konservativen Basis ist ihm gewiss. Für Boehners Verhältnisse ist das durchaus ein Erfolg.

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