US-Regierung:Dieser Mann soll jetzt Trumps Politik anpreisen

Lesezeit: 4 Min.

Der neue Dirigent am Rednerpult im Presseraum des Weißen Haus: Anthony Scaramucci. (Foto: dpa)

"Ich liebe den Präsidenten", sagt Anthony Scaramucci bei seinem ersten Auftritt als neuer Kommunikationschef. In der Vergangenheit äußerte er sich deutlich kritischer. Prompt beginnt er, alte Tweets zu löschen.

Von Simon Hurtz

Wenn Anthony Scaramucci einen Auftritt vergessen machen könnte, dann wäre es wohl dieser. Donald Trump sei ein "stümperhafter Politiker", der "anti-amerikanische" Kommentare von sich gebe, sagte Scaramucci vor zwei Jahren im US-Fernsehen. Minutenlang schimpfte er über Trump, beklagte dessen "sehr, sehr spaltende" Rhetorik und die Art und Weise, wie dieser über Frauen spreche. Scaramuccis Tirade endete mit einer Prognose über Trumps Erfolgsaussichten im Vorwahlkampf der Republikaner: "Dieser Unsinn wird aufhören, und ich prophezeie, dass es noch vor Thanksgiving zu Ende sein wird."

Wahrsager wird Scaramucci in diesem Leben nicht mehr. Stattdessen machte ihn der US-Präsident am Freitag zu seinem Kommunikationschef. Trump, der als nachtragend gilt und großen Wert auf Loyalität legt, beruft einen Mann ins Weiße Haus, der ihm einst öffentlich die Kompetenz absprach. Wie passt das zusammen?

02:04

Trump-Regierung
:Spicer geht, Priebus geschwächt

Trumps Pressesprecher und sein Stabschef waren gegen den neuen Kommunikationschef Scaramucci. Das Stühlerücken im Weißen Haus dürfte mit seiner Ernennung noch nicht vorbei sein.

Von Johannes Kuhn

Zumindest eine Eigenschaft eint die beiden: die Fähigkeit, die eigene Meinung schnell und radikal zu ändern. Ob Klimawandel, Ehe für alle, Abtreibung, die Medien, George Bush, Barack Obama, die Länge seiner eigenen Aufmerksamkeitsspanne oder die Größe seiner Hände - es gibt kaum ein Thema, bei dem Trump sich nicht mindestens ein Mal selbst widersprochen hat.

"Ich liebe den Präsidenten und bin sehr, sehr loyal ihm gegenüber"

Scaramucci ist ähnlich flexibel in seinen Überzeugungen: " Ich liebe den Präsidenten und bin sehr, sehr loyal ihm gegenüber", sagte der 53-Jährige nach seiner Ernennung. Trump leiste einen "phänomenalen Job", und es sei "eine Ehre, hier zu sein". Seine früheren Äußerungen über seinen heutigen Chef nannte Scaramucci " einen der größten Fehler, die ich jemals gemacht habe". Damals habe er wenig Erfahrung mit Politik gehabt, er hätte das niemals sagen sollen. "Mister President, wenn Sie jetzt zuhören: Ich entschuldige mich dafür."

Im selben Atemzug zeigte Scaramucci aber auch, warum Trump ihn als Kommunikationschef des Weißen Hauses ausgewählt hat. Unmittelbar nach der Entschuldigung blies er zum Gegenangriff auf die Medien. Sein Fernsehauftritt liege Jahre zurück und mache drei Minuten seines ganzen Lebens aus, aber er werde ihm immer noch ständig unter die Nase gerieben. Ob es nicht allmählich Zeit sei, diese Dinge auf sich beruhen zu lassen?

Generell legt sich der Mann, der auf der an New York heranreichenden Halbinsel Long Island geboren wurde, gerne mit Medien an. Als CNN ihm kürzlich unterstellte, in Trumps Russland-Affären verwickelt zu sein, klagte er gegen den Sender. Die Geschichte wurde zurückgezogen, drei renommierte Reporter traten zurück. "CNN hat richtig gehandelt. Entschuldigung angenommen. Jeder macht Fehler", gab sich Scaramucci auf Twitter versöhnlich. Diplomatische Milde, die dem US-Präsidenten fremd ist, seinem neuen Kommunikationschef den schwierigen Job aber leichter machen könnte.

SZ JetztRücktritt
:Twitter-Nutzer bedauern Sean Spicers Abschied

Sein Ende als Trumps Pressesprecher bedeute schließlich einen Verlust für die Satire. Besonders die Imitation von Melissa McCarthy wird schon jetzt vermisst.

Scaramucci sagt politisch oft das Gegenteil von Trump

Denn Scaramucci kann sich in den nächsten Wochen auf deutlich mehr unangenehme Fragen einstellen, als nur die nach seinen despektierlichen Äußerungen über den Präsidenten. Auf den ersten Blick prädestiniert ihn seine Vergangenheit bei Goldman Sachs für seine neue Aufgabe - früher wetterte Trump gegen die Investmentbank, mittlerweile hat er etliche ehemalige Mitarbeiter auf hohe Posten berufen. Doch konnte Scaramucci seine frühere Kritik an Trump bei seinem ersten Auftritt im neuen Amt noch halbwegs glaubwürdig als einmaligen Ausrutscher darstellen, so wird das bei konkreten Politikinhalten schon schwieriger. Da nämlich liegt er oft quer mit seinem neuen Vorgesetzten:

Mittlerweile scheint Scaramucci selbst bemerkt zu haben, dass seine Twitter-Timeline Zweifel an seiner Loyalität zu Trump nähren könnte. Aus diesem Grund kündigte er am Samstagabend an, alte Tweets zu löschen, die nicht mit Donald Trumps Ansichten in Einklang standen. Er habe seine Überzeugungen weiterentwickelt, Altes solle nicht ablenken. Deshalb führen viele der Links mittlerweile ins Leere. Nutzer haben etliche von Scaramuccis Tweets als Screenshots gesichert und veröffentlichen sie jetzt auf Twitter. Eine ausführlichere Liste findet sich bei Buzzfeed.

Gegenwind dürfte ihm nicht nur von kritischen Journalisten entgegenschlagen, sondern auch aus dem ihm vermeintlich freundlich gesinnten Trump-Lager. In seltener Einigkeit gelten Berater Stephen Bannon und Stabschef Reince Priebus als erbitterte Gegner Scaramuccis.

Scaramuccis Plan: eine tägliche TV-Show

Möglicherweise deutet Scaramuccis Berufung aber auch darauf hin, dass Trump seinen Chefstrategen und seinen Stabschef bald fallen lässt. "Das war ein Mord an Reince und Bannon", zitiert Politico einen hohen Mitarbeiter des Weißen Hauses zu dem Personalwechsel. Beide hätten gesagt, dass Scaramucci den Job nur über ihre Leichen bekommen würde. Aus Protest gegen die Entscheidung war bereits Pressesprecher Sean Spicer zurückgetreten. Dieser hatte oft Mühe, die verbalen Entgleisungen des Präsidenten abzubügeln. Der eloquente Scaramucci dürfte sich als Kommunikationschef seltener zum Gespött der Medien machen als Spicer, der deshalb sogar als Parodie bei "Saturday Night Life" auftauchte.

Bei einem nicht öffentlichen Treffen hochrangiger republikanischer Politiker soll Scaramucci im Juni dargelegt haben, wie er die Öffentlichkeitsarbeit des Weißen Hauses umkrempeln wolle. Er würde eine Art täglicher TV-Show starten, zitiert die Washington Post einen anonymen Teilnehmer des Treffens. Jeden Morgen würden sie ihre eigenen Nachrichten senden, Gäste einladen und sogar mit Demokraten die politische Agenda diskutieren.

US-Politik
:Trumps heikle Liebe zu den Generälen

Der US-Präsident gibt dem Pentagon viel Geld und freie Hand in vielen Krisenregionen. Wirken die Generäle mäßigend auf Trump? Experten befürchten eher eine Eskalation.

Von Johannes Kuhn

Eine eigene TV-Show ohne Journalisten, die "Fake News" verbreiten können - das dürfte dem fernsehaffinen Trump gefallen.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: