US-Präsidentschaftswahlkampf:Wieso Joe Biden 2016 nicht antritt

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Joe Biden verkündet mit Frau Jill und US-Präsident Barack Obama an seiner Seite, dass er nicht ins Rennen um die Präsidentschaft geht. (Foto: AP)

Nach langem Zögern verzichtet der US-Vizepräsident darauf, Hillary Clinton herauszufordern. Die Demokraten - und Biden selbst - sollten sich freuen.

Von Matthias Kolb, Washington

Darum kandidiert Joe Biden nicht für Obamas Nachfolge

Joe Biden steht zwischen Barack Obama und seiner Ehefrau Jill im Rosengarten des Weißen Hauses, als er sich endlich erklärt: "Wir haben nicht die Zeit, um eine erfolgreiche Kampagne zu organisieren. Aber auch wenn ich nicht kandidiere, werde ich keineswegs still sein." Damit steht fest: Der 72-jährige Vizepräsident wird nach 1988 und 2008 nicht ein drittes Mal ins Rennen ums Weiße Haus einsteigen.

In den Umfragen lag der Demokrat deutlich hinter Hillary Clinton und Bernie Sanders und sein wochenlanges Zögern hatte zuletzt für Kopfschütteln gesorgt. Neben dem tragischen Tod seines Sohns Beau, der an einem Gehirntumor gestorben war, gab es offenbar mehrere Gründe für Bidens Entscheidung.

Großer Rückstand: Wenn Biden nun ins Rennen eingestiegen wäre, hätten viele Probleme auf ihn gewartet. Clinton und Sanders haben in den letzten Monaten Hunderte Berater eingestellt und eine Infrastruktur in den wichtigsten Vorwahlstaaten aufgebaut. Biden hätte also fähige Leute abwerben müssen oder sich auf Nachwuchskräfte verlassen müssen.

Zu wenig Ressourcen: Ein Präsidentschaftswahlkampf kostet enorm viel Geld - und auch hier haben Clinton und Sanders großen Vorsprung. Dies aufzuholen, hätte enorm viel Disziplin erfordert - und über Joe Biden ist bekannt, dass er wenige Dinge mehr hasst, als Spenden einzusammeln.

Clintons gute Leistung in TV-Debatte: Den Sommer über waren immer mehr Zweifel an Clinton laut geworden - es ging um ihre E-Mails, ihre steife Art und die mittelmäßigen Umfragewerten. Auch dies hatte die Rufe nach Biden befeuert. Doch in der ersten TV-Debatte überragte die ehemalige First Lady alle Herausforderer - und nahm so Biden das wichtigste Argument für eine Kandidatur.

Welche Rolle der Tod seines Sohnes Beau spielte

Die Spekulationen über "Biden 2016" waren Anfang August durch die New York Times ausgelöst worden. Die bekannte Kolumnistin Maureen Dowd schrieb, dass Beau am Sterbebett seinen Vater gedrängt habe, für das Präsidentenamt zu kandidieren und das Weiße Haus nicht den Clintons zu überlassen. Beau, der Generalstaatsanwalt von Delaware, war im Mai an einem Gehirntumor gestorben. Viele Amerikaner trauerten mit dem Vizepräsidenten, der bereits in den siebziger Jahren seine erste Frau und eine Tochter durch einen Autounfall verloren hatte.

Wie hart ihn der Tod seines Sohnes trifft, hat Biden nicht versteckt. Auch bei der Rede im Rosengarten des Weißen Hauses betont er: "Beau ist unsere Inspiration." In der Late-Night-Show von Stephen Colbert hatte er im September geschildert, wie verletzlich er sich oft fühle und wie ihn die manchmal Gefühle überkommen. Er erzählte, wie ihm bei einer Rede auf einer Militärbasis ein Soldat zugerufen habe, mit Beau im Irak gewesen zu sein: "In dem Moment hat es mich durcheinandergewirbelt ... ich sollte das nicht sagen ... und so etwas darf nicht passieren [ als Präsidentschaftskandidat; Anm. d. Red.]." Biden zögerte wohl auch deshalb so lange, weil seine Familie überlegen musste, ob sie sich auf die Brutalität eines langen Präsidentschaftswahlkampfs einlassen will - oder ob sie lieber trauert, ohne dass die Weltöffentlichkeit ständig zusieht.

Die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton bleibt die große Favoritin, sich als Kandidatin der Demokraten durchzusetzen. Als offizieller Bewerber hätte Vizepräsident Biden wohl viel mehr Clinton-Anhänger auf seine Seite gezogen als Fans des selbsterklärten Sozialisten Bernie Sanders abgeworben. Sowohl Biden als auch Clinton gelten als Pragmatiker mit enormer außenpolitischer Erfahrung. Sie hätten darum gestritten, wer Obamas Erbe besser weiterführen kann - und wer dem Präsidenten näher steht.

Wenn sowohl Obama (etwa bei Afroamerikanern und Latinos) als auch Biden (bei Arbeitern und im Mittleren Westen) 2016 bei Wahlauftritten für den Kandidaten oder die Kandidatin der Demokraten werben, dann steigen die Chancen für die Partei. Für Clinton, die am Donnerstag vor dem Kongress Fragen zum Tod von vier US-Amerikanern im libyischen Bengasi - und zu ihrem privaten E-Mail-Server - beantworten muss, gilt weiterhin: Nur wenn sie schwere Fehler macht, setzt sie sich in ihrer Partei nicht durch.

Das hat Biden als Politiker bisher erreicht

Seit vier Jahrzehnten mischt Joseph Robinette Biden in der US-Politik mit und ist landesweit einer der bekanntesten Demokraten. 36 Jahre lang vertrat er Delaware im US-Senat, bevor ihn Obama 2008 zu seinem Stellvertreter machte. Als Vizepräsident kümmerte sich Biden viel um Außenpolitik und die Kriege im Irak und in Afghanistan. Im Weißen Haus ist Biden wegen seines losen Mundwerks gefürchtet, doch 2012 arbeitete er unermüdlich für Obamas Wiederwahl.

Schon als Senator hatte sich Biden dafür eingesetzt, die Rechte von Frauen auszuweiten - und zuletzt engagierte er sich stark für die Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen. Sein Bekenntnis zur Homo-Ehe führte im Frühjahr 2012 dazu, dass sich auch Obama eindeutig äußern musste. Für seine Arbeit als Vizepräsident erhält Biden viel Lob: Die acht Jahre als erfahrener Außenpolitiker an der Seite des jungen Barack Obama gelten als Krönung einer außergewöhnlichen Politikerkarriere.

Nun hat sich der 72-Jährige also entschieden, es dabei zu belassen - und nicht womöglich ein drittes Mal als Kandidat für das Weiße Haus zu scheitern. Biden will als erfolgreicher Vizepräsident abtreten und seinen Platz in den Geschichtsbüchern nicht gefährden.

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