Mitt Romney gibt sich bescheiden. Bisher hat er sich in seiner Wahlkampagne kaum einen Fehler geleistet, und Fehler will er nun auch auf den letzten Metern vermeiden: nur nicht zu siegessicher wirken. Deshalb sagt der Multimillionär aus Boston, hemdsärmelig und in Jeans, überall wo er am Neujahrstag aus seinem Wahlkampfbus in Iowa steigt, dass er zwar "ziemlich zuversichtlich" sei. Aber stets fügt er hinzu: "Ich weiß nicht, wer gewinnt." Tatsächlich ist ein Erfolg für ihn in Iowa in greifbare Nähe gerückt - obwohl seine Strategen nie darauf gesetzt hatten.
In der letzten Umfrage des Des Moines Register liegt Romney vorn. Knapp zwar, aber immerhin. Und die Umfragen der führenden Tageszeitung in dem Bundesstaat haben sich in der Vergangenheit als ziemlich präzise erwiesen. Demnach würde Romney 24 Prozent der Stimmen bekommen und wäre damit Sieger in diesem ersten Entscheid der Republikaner über ihren Präsidentschaftskandidaten, dicht gefolgt von dem texanischen Kongressabgeordneten Ron Paul mit 22 und dem ehemaligen Senator Rick Santorum mit 15 Prozent.
Drei Kandidaten mit Chancen
Allen dreien trauen die Experten noch einen Erfolg zu. Der Register stellte fest, dass der Zulauf zu Santorum in der Woche nach Weihnachten dramatisch zugenommen hat. Newt Gingrich, der noch vor einem Monat mit großem Abstand Favorit in Iowa war, kommt dagegen nur noch auf zwölf Prozent. Alle anderen Kandidaten liegen weiter zurück.
"Wenn wir gewinnen, ist es fantastisch", zitiert das Washingtoner Insiderblatt Politico einen Wahlstrategen Romneys. Dem ehemaligen Gouverneur von Massachusetts dürfte die Nominierung nur schwer zu nehmen sein, sollte er, wie erwartet, bei der Vorwahl kommende Woche in New Hampshire ebenfalls gewinnen. Denn dann gäbe es keinen Konkurrenten, der sich als klare Alternative zu ihm anböte. Aber auch wenn Romney auf dem zweiten Platz oder, knapp unterlegen, auf dem dritten Rang in Iowa landen würde, wäre es nicht schlecht. Denn es ist keineswegs immer so gewesen, dass in Iowa der Kandidat siegt, der am Ende als Spitzenmann nominiert wird.
So zogen die republikanischen Wähler vor vier Jahren den evangelikalen Ex-Gouverneur von Arkansas, Mike Huckabee, dem Senator John McCain vor. McCain setzte sich später durch, Huckabee hatte keine Chance, in anderen Bundesstaaten vergleichbar Zulauf zu finden wie bei der konservativen Parteibasis in Iowa. Er musste das Rennen bald aufgeben, weil ihm das Geld ausging. Ein ähnliches Schicksal könnte dem ebenso erzkonservativen Rick Santorum drohen, selbst wenn er einen Überraschungserfolg in Iowa landen sollte.
Santorum hat bisher kaum Geld für Wahlwerbung zur Verfügung und dürfte nur schwerlich mithalten können mit der flächendeckenden Organisation von Wahlhelfern, die Mitt Romney in den nächsten Vorwahlstaaten New Hampshire, South Carolina und Florida aufgebaut hat. Vor allem aber ist sein Name außerhalb von Iowa, wo er im vergangenen Jahr geduldig Wahlkampf gemacht und alle 99 Wahlkreise des Bundesstaats besucht hat, kaum geläufig: In Umfragen in diesen drei Bundesstaaten ist Santorum bisher nicht über zwei oder drei Prozent hinausgekommen.
Kein Geld, keine Helfer
Ron Paul, der dritte der möglichen Wahlsieger in Iowa, dürfte ein vergleichbarer Coup in anderen Bundesstaaten ebenfalls kaum gelingen. Er verfügt über eine treue Anhängerschar, aber jenseits dieser libertär gesonnenen Gemeinde sind seine Positionen vom radikalen Staatsabbau selbst in einer zusehends konservativ gewordenen republikanischen Partei nicht mehrheitsfähig. Eines ist sicher: Paul verfügt über so viel Geld und Unterstützer, dass er im Rennen bleiben wird - und mit den Stimmen seiner Delegierten auf dem Nominierungsparteitag zum Königsmacher werden kann, sollte es einen ernstzunehmenden Konkurrenten zu Romney geben.
Von den übrigen Kandidaten trauen die Wahlauguren dies eigentlich nur noch Newt Gingrich zu. Doch sein jäher Absturz in Iowa hat die Schwächen Gingrichs allzu deutlich werden lassen. Er hat bei weitem nicht so viel Wahlspenden gesammelt wie Romney und deshalb dessen negativer Wahlwerbung wenig entgegenzusetzen. "Wenn er könnte, würde Romney die Wahl kaufen", sagte Gingrich am Wochenende in Iowa und fügte hinzu: Er werde gegenwärtig "romney-boated" - eine Anspielung auf die schmutzige Wahlkampagne gegen John Kerry, 2004 der demokratische Herausforderer von Präsident George W. Bush.
Konservative Aktivisten hatten damals - in Verdrehung der Tatsachen - Kerrys Einsatz als Patrouillenboot-Kommandeur im Vietnamkrieg schlecht gemacht. In den Wahlspots einer Gruppe reicher Romney-Freunde wird nun Gingrich, der sich als konservativen Fels in der Brandung stilisiert, als unsicherer Kantonist dargestellt - offenbar mit Erfolg.
Rückendeckung fehlt
Zudem verfügt Gingrich genauso wenig wie Santorum über einen ausgedehnten Apparat an Wahlhelfern. Im US-Bundesstaat Virginia hat er nicht einmal genug Unterschriften sammeln können, um dort offiziell als Präsidentschaftsbewerber registriert zu werden. Das unterscheidet die Situation maßgeblich etwa vom Duell der demokratischen Konkurrenten vor vier Jahren: Damals hatten Barack Obama und Hillary Clinton eine flächendeckende Wahlkampforganisation aufgebaut, die es ihnen ermöglichte, sich monatelang einen Zweikampf um die Nominierung zu liefern.
Von den übrigen Kandidaten verfügt zwar Rick Perry noch über einige Geldmittel, die er in Wahlwerbung und Organisation stecken könnte. Aber wenn er in Iowa wie erwartet untergeht, trauen ihm wohl selbst seine eigenen Leute einen Sieg nicht mehr zu. Auch John Huntsman und Michele Bachmann kommen in den Umfragen nirgendwo über den einstelligen Bereich hinaus. Bachmann versprach am Wochenende in Iowa zwar, in allen 50 Bundesstaaten anzutreten. Doch werten das Wahlbeobachter nur als Versuch, sich als Vizepräsidentschafts-Kandidatin im Gespräch zu halten; sie könnte dann einem Präsidentschafts-Kandidaten Romney die Stimmen evangelikaler Republikaner sichern.