US-Präsidentschaftswahlkampf:Republikaner: Der "radikale Islam" bedroht die USA

Bei einem Forum jüdischer Republikaner gedenken die 14 Präsidentschaftskandidaten kurz der Opfer von San Bernardino - dann warnen sie vor Iran und dem IS. Und Trump macht Witze über Juden.

Von Matthias Kolb, Washington

Im konservativen Amerika kommt der Republican Jewish Coalition (RJC) eine besondere Bedeutung zu. Die RJC-Mitglieder sind einflussreiche jüdische Aktivisten und Spender (der berühmteste ist der Casino-Milliardär Sheldon Adelson), deren Hauptanliegen es ist, dass die US-Regierung Israel unterstützt. Auf der Rednerliste des "RJC Presidential Forum" stehen alle 14 konservativen Bewerber für das Weiße Haus: Jeder will erklären, wie er oder sie Hillary Clinton im November 2016 besiegen will.

Denn dass Clinton für die Demokraten antreten wird, darin besteht im riesigen Konferenzzentrum kein Zweifel. Ebenso groß ist die Einigkeit, dass der Atomdeal mit Iran ein Desaster ist - entsprechend lautet das Wifi-Passwort "HillaryIsWrongOnIran". Doch die Aktualität verändert den geplanten Ablauf zumindest ein bisschen: Nach der Schießerei in San Bernardino mit 14 Toten beginnt die Veranstaltung mit einer Schweigeminute für die Opfer.

Doch wer gehofft hatte, dass vielleicht einer der konservativen Bewerber nach den vielen "Gebete und Gedanken"-Tweets laut über strengere Waffengesetze nachdenken würde, der wurde enttäuscht. Kein Republikaner, der ins Weiße Haus will, kann es sich leisten, irgendetwas zu unterstützen, was das im Second Amendment garantierte Recht auf Waffenbesitz gefährden könnte.

Obwohl viele Details noch unklar sind, wird das Massaker in San Bernardino von allen als Beleg interpretiert, dass sich die USA "im Krieg mit dem radikalen Islam" befinden. Mehr Überwachung durch Geheimdienste sei daher dringend nötig. Es sei schändlich, dass weder Präsident Barack Obama noch Hillary Clinton die Wahrheit aussprechen, schimpft etwa Ted Cruz: "Die Worte radical islamic terrorism kommen ihnen nicht über die Lippen." Obwohl der Konsens unter den 13 Rednern (Rand Paul sagte kurzfristig ab) sehr groß ist, zeigt das RJC-Forum doch, wie unterschiedlich die Republikaner-Kandidaten sind.

Trump und Carson: die unterhaltsamen Newcomer

Donald Trump, der in den aktuellen Umfragen mit großem Abstand führt, ist der vierte Redner. Auch wenn er vieles wiederholt, was er bei fast allen Events sagt, fällt der 69-Jährige hier aus der Reihe. Er wird ausgebuht, weil er nicht sagen will, dass er die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlagern wird.

Für Kopfschütteln sorgt Trump mit Sätzen, die auf einige antisemitische Klischees anspielen: "Ich bin ein Verhandler, genau wie ihr. Ist irgendjemand hier im Raum, der nicht ständig Deals aushandelt? Niemals hatte ich ein Publikum, das so gern verhandelt wie ihr." Trump gibt zwar damit an, dass er einen Werbespot für Israels Premier Netanjahu gedreht hat und dass seine Tochter einen Juden geheiratet hat, doch er meint auch zu wissen, dass ihn die RJC nicht möge: "Ihr unterstützt mich nicht, weil ich euer Geld nicht brauche."

Für Ari Fleischer, den Ex-Pressesprecher von George W. Bush, steht fest: "Dieser Auftritt hat ihm nicht geholfen. Das war beleidigend." Noch verheerender fallen die Urteile für die Rede von Ben Carson aus: Der ehemalige Gehirnchirurg liest seine Rede mit monotoner Stimme ab. Dass die Leute trotzdem zuhören, liegt daran, dass der 64-Jährige nicht kenntnisreich wirkt und etwa die Palästinensergruppen Hamas und Fatah auf ungewöhnliche Art ausspricht - bei Carson klingt die Terror-Organisation Hamas wie die Kichererbsen-Speise Hummus. Das Internet reagiert sofort - und viele RJC-Mitglieder denken wie Rachel Berg: "Ich kann ihn mir nicht als Präsidenten vorstellen."

Cruz und Rubio: die jungen Shootingstars

Marco Rubio und Ted Cruz sind Senatoren, 44 Jahre alt, ihre Väter sind Kubaner - und sie begeistern das Publikum. Ted Cruz ist der erste Redner des Forums, und er ruft nach einem "moment of silence" sogleich aus, dass sich die USA "im Krieg" befänden. Der Texaner verspricht, am ersten Tag als Präsident den "katastrophalen Iran-Deal zu zerschreddern". Er zieht Parallelen zum Münchner Abkommen, das 1938 mit Hitler abgeschlossen wurde - und zu den späten siebziger Jahren: Wie damals Jimmy Carter sei Obama ein "schwacher Präsident, der kein Leader ist", Iran und Russland machten sich über die USA lustig. Solche Sätzen des Tea-Party-Lieblings wirken sehr kalkuliert, aber sie funktionieren. Und der Carter-Vergleich zeigt auch, wie clever Cruz ist: Damit schlüpft er in die Rolle der konservativen Ikone Ronald Reagan.

Marco Rubio aus Florida lässt keinen Zweifel, dass er als Präsident Israel ("die einzige Demokratie im Nahen Osten") immer unterstützen werde. Obama und Hillary Clinton hätten Israel "im Stich gelassen", und er werde dies als Präsident ändern: "Dann sind die Zeiten vorbei, in denen Ayatollah Chamenei mehr respektiert wird als der israelische Premier." Im Senat hat sich Rubio auf Außenpolitik spezialisiert, weshalb er am kenntnisreichsten über die Hintergründe des Islamischen Staats spricht, doch seine Botschaft ist klar: "Man kann nicht mit dem IS verhandeln, weil sie an die Apokalypse glauben. Entweder gewinnen sie - oder wir besiegen sie. Es gibt nichts dazwischen."

Jeb Bush zeigt Schwächen beim Heimspiel

Noch immer läuft der Wahlkampf mies für Jeb Bush, doch zumindest beim RJC ist sein Nachname keine Last. Wie es denn seinen Eltern gehe, wird der 62-Jährige gefragt: "Gut, es geht ihnen gut. Aber mein Vater ist 91, und es fällt ihm schwer, das Trump-Phänomen zu verstehen. Er schaut Fox News und wirft Schuhe auf den Fernseher." Großen Beifall erhält Jeb, als er sagt, dass sein Präsidenten-Bruder sein wichtigster Ratgeber in Sachen Nahost ist.

Bush spricht zwar etwas differenzierter als die meisten Rivalen, aber seine Botschaft ist klar: "Die Terroristen haben uns den Krieg erklärt, also müssen auch wir ihnen den Krieg erklären." Doch wie in vielen Debatten wirkt der Ex-Gouverneur nicht wirklich kämpferisch und von sich überzeugt. Während Cruz, Rubio und Trump ständig tönen "Als Präsident werde ich ...", formuliert es Bush eher so: "Sollte ich Präsident werden, dann ..." Das macht ihn zwar sympathisch, doch es illustriert auch all seine Probleme in diesem verrückten Wahlkampf.

Die Außenseiter ringen um Aufmerksamkeit

Bei einem ganzen Tag voller Reden fällt es nicht leicht, aufzufallen und herauszustechen. Gerade jene Kandidaten, die in den Umfragen weiter hinten liegen, wählen besonders alarmistische Formulierungen, die eine rationale Debatte quasi unmöglich machen. Chris Christie aus New Jersey verkündet: "Jeder Ort in den USA kann zum Ziel werden. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir uns mitten im nächsten Weltkrieg befinden." Auch Christie wartet nicht auf weitere Details zur Schießerei von San Bernardino, sondern gibt den harten Hund: "Von meiner Erfahrung als ehemaliger Staatsanwalt kann ich sagen, dass ich sofort geahnt habe, dass dies ein Terroranschlag ist."

Lindsey Graham, der chancenlose Senator aus South Carolina, haut in die gleiche Kerbe: "Unsere Heimat ist Teil des Schlachtfelds." Er sei überzeugt, dass die IS-Miliz bereits über "geheime Zellen" in den USA verfüge, weshalb das US-Militär nun stärker aktiv werden müsste. Wie Graham will auch Carly Fiorina den Geheimdiensten mehr Möglichkeiten geben, Daten zu sammeln - und auch verschlüsselte Kommunikation mitlesen zu können. Für ihren Spruch "Edward Snowden ist ohne jeden Zweifel ein Verräter und sollte angeklagt werden" erhält sie viel Beifall.

Von manchen Reden ist kaum etwas in Erinnerung geblieben außer seltsamen Sätzen, die nur in den Twitter-Timelines von Reportern überleben werden. Die Kriegsrhetorik hat alle Anwesenden ermüdet, doch spricht nichts dafür, dass sich die öffentliche Debatte in den kommenden Tagen beruhigen wird.

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