Einen offenen Brief zu schreiben, das ist heutzutage ganz leicht. Brandon Stanton, der Gründer des tollen "Humans of New York"-Blogs, hat vergangene Woche aufgeschrieben, wieso er Donald Trump für einen gefährlichen Rassisten hält, der die US-Gesellschaft spalte. Mehr als eine Million Mal wurde Stantons Brief geteilt - Rekord bei Facebook.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Immobilien-Milliardär, ein ganz besonderer Mensch aus New York, ein knappes Dutzend Vorwahlen gewonnen. Er gilt als Favorit, von den Republikanern als Präsidentschaftskandidat nominiert zu werden.
America Ferrera hat schon am 2. Juli 2015 einen offenen Brief an Trump verfasst. Es dauerte einige Tage, bis sie sich von Trumps Kandidatenrede erholt hatte: Damals bezeichnete er Mexikaner als "Vergewaltiger" und "Verbrecher" und sprach erstmals von der "schönen großen Mauer", die er an der Grenze zu Mexiko bauen wolle. Weil Ferrera eine preisgekrönte Schauspielerin ist, veröffentlichte die Huffington Post ihren Text mit dem Titel: "Danke, Donald Trump!"
"Wir Latinos müssen alle gegen Trump stimmen"
Acht Monate später sitzt Ferrera auf dem Podium eines Hotels in Austin und sagt: "Ich habe geahnt, dass sich wegen Trumps Rassismus mehr Latinos für Politik interessieren werden als je zuvor." Mit ihrem Brief habe sie vor allem ihre Community aufrütteln wollen: Es habe keinen Zweck, nur wütend zu sein, Angst zu haben oder mit Begeisterung Pinata-Puppen zu zerhauen, die aussehen wie Trump. Letztlich, so die 31-Jährige, zähle nur eins: "Wir müssen mit der ganzen Familie zur Wahl gehen und gegen ihn stimmen."
Für Mitt Romney votierten 2012 nur 27 Prozent der hispanics - und vielleicht unterbietet ein Kandidat Trump diesen Wert. Die Aussicht, dass Trumps Name am 8. November auf dem Wahlzettel steht, macht Ferrera noch kampfeslustiger. Je länger man den Aktivisten beim SXSW-Festival zuhört, umso klarer wird: Rein aus strategischen Gründen konnte ihnen kaum etwas Besseres passieren als Trumps Kandidatur. Das Durchschnittsalter der US-Latinos beträgt 27 Jahre, doch viele haben sich bisher nicht engagiert.
Wunsch nach Wettbewerb: Wer registriert die meisten Wähler?
27 Millionen Latinos können im November ihre Stimme abgeben und wenn die aktuelle Wut über Trumps Beleidigungen nun dazu führt, dass Hunderttausende hispanics die Staatsbürgerschaft beantragen oder sich als Wähler registrieren lassen, dann könnte das Jahrzehnte lang die Politik mit beeinflussen. America Ferrera arbeitet mit der Nichtregierungsorganisation Voto Latino zusammen, deren Chefin Maria Teresa Kumar Trump mit Technik besiegen will.
Die neue App, die es bisher nur fürs iPhone gibt, heißt VoterPal und soll den oft schwierigen Prozess erleichtern. "Mit der App könnt ihr euren Verwandten und Freunden helfen, sich als Wähler zu registrieren. Ihr macht ein Foto vom Ausweis oder Führerschein, das Formular wird automatisch ausgefüllt und ihr kriegt eine Email zum Ausdrucken", erklärt Maria Teresa Kumar.
Wie Republikaner Latino-Wähler schikanieren
Sie gibt zu, dass die erste Version noch nicht perfekt sei, aber Voto Latino will besonders früh viele Teenager und Millennials aktivieren. Den Strategen ist klar, dass eine App viele Vorteile hat: Nicht nur hat fast jeder US-Amerikaner unter 30 ein Smartphone, sondern Voto Latino möchte - Stichwort gamification - einen Wettbewerb starten. "Vergleicht mit ihren Freunden, wer mehr Leute registriert hat", ruft Kumar. Mit der App lassen sich Erinnerungsnachrichten schicken - dies ist äußerst wirksam, da zahlreiche Studien eines belegen: Wer persönlich angesprochen wird, der geht auch zur Wahl. Noch besser ist es, wenn es sich um um Nachbarn oder Verwandte handelt.
America Ferrera, die etwa in der ABC-Serie "Betty Ugly" mitspielt, wirbt in diesem Jahr für Hillary Clinton und trat Ende Februar in Nevada in örtlichen Universitäten und High Schools auf. Im konservativen Texas sind weiße Amerikaner bereits in der Minderheit und den von Republikanern dominiertem Parlament wird vorgeworfen, dass Latinos und Afroamerikaner mit Schikanen vom Wählen abgehalten werden sollen.
America Ferrera wird sehr schnell sehr sauer, wenn sie den Vorwurf hört, dass viele Latinos nur zu faul seien, um sich zur Wahl registrieren zu lassen: "Wenn man die Öffnungszeiten der Wahllokale begrenzt, dann benachteiligt das die Arbeiter. Wenn ein Waffenschein ausreicht, um wählen zu dürfen, aber ein Studentenausweis nicht - dann schadet das uns jungen Latinos."
Es sei nun mal eine traurige Realität, dass sich viele US-Bürger einen Tag freinehmen müssen, um zum Amt zu fahren und dort stundenlang zu warten. Ferrera bekommt viel Beifall, als sie sagt: "Diese Leute müssen viel Zeit und viel Geld opfern, um später ihre Stimmen abgeben zu können. Wir sollten es leichter machen, wählen zu gehen."
Dass die Säle anderswo voller sind und zu ihrer Präsentation nur etwa 60 Leute gekommen sind, stört Maria Teresa Kumar von Voto Latino nicht. Voller Leidenschaft erinnert sie daran, dass Trumps rassistische Sprüche schon heute das Klima vergiften würden: "Eine Mutter aus der Nähe von Washington schrieb neulich, dass sie ihr die Lehrerin ihres Sohnes gesagt habe, dass seine Klassenkameraden darüber reden, welche Einwandererkinder abgeschoben werden, wenn Trump Präsident wird. Sie hätten ihn ausgelacht, weil er wegen seiner Hautfarbe verschwinden müsse."
Dass so etwas unter Drittklässlern passiere, schockiert Kumar. Sie wirbt dafür, dass sich die Latinos mit den Aktivisten von "Black Lives Matter", Gewerkschaften oder LGBT-Gruppen zusammentun. Eine klare Wahlempfehlung für die Demokraten scheint unnötig: Das SXSW-Publikum wird von liberalen Amerikanern dominiert - und nach den Aussagen von Trump und anderen Republikanern kommen für Latinos 2016 eigentlich nur Hillary Clinton oder Bernie Sanders in Frage.
Auch America Ferrera betont, dass alle gemeinsam kämpfen müssten, die sich ein tolerantes Amerika wünschen, in dem Donald Trump keinen Platz hat. Niemand kämpfe nur für sich allein, betont die Schauspielerin, die sich schon 2012 bei Voto Latino engagiert hat. "Als ich Freunden davon erzählt habe, sagten die: 'Ach wie süß, du hilfst den Latinos.' Nachdem Obama die Wahl gewonnen hatte, kriegte ich plötzlich Anrufe und Emails von meinen weißen Freunden: 'Danke dir, jetzt habe ich es kapiert. Ohne euch hispanics hätte Obama verloren.'"
Dies ist die andere Botschaft, die die Latino-Aktivisten verbreiten: Ihre App "VoterPal" ist für alle US-Amerikaner, die mit ihrem Telefon neue Leute zum Wählen bewegen wollen.
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