US-Präsidentschaftswahl:Bei der TV-Debatte geht es für Trump um alles

US-Präsidentschaftswahl: Hillary Clinton gegen Donald Trump: Es wird eine hitzige Debatte erwartet.

Hillary Clinton gegen Donald Trump: Es wird eine hitzige Debatte erwartet.

(Foto: AP/AFP)

Unter Zugzwang: Trump muss beim Duell gegen Clinton zeigen, dass er vertrauenswürdig ist - und kein Sexist. Auch das Townhall-Format stellt ihn vor Herausforderungen.

Von Matthias Kolb, St. Louis

Schon vor Freitag war der Druck auf Donald Trump enorm. Der Republikaner hatte die erste TV-Debatte gegen Hillary Clinton nicht nur verloren, sondern die Tage danach vor allem damit verbracht, eine frühere Schönheitskönigin zu beleidigen. Auch die Nachricht, dass er 1995 fast eine Milliarde Dollar Verlust machte und womöglich jahrelang keine Einkommensteuer zahlte, sorgte für Schlagzeilen. Dass Mike Pence in der Vize-Debatte (mit Lächeln und Lügen) - eine gute Figur machte, beruhigte viele Konservative. Trump allerdings dürfte das gewurmt haben, weil er das Rampenlicht für sich allein beansprucht.

Doch dann wurde jenes Video aus dem Jahr 2005 bekannt, in dem Trump mit TV-Moderator Billy Bush über "Titten und Pussys" spricht und sexuelle Übergriffe verharmlost. Seither steht Trump mit dem Rücken zur Wand: Dutzende prominente Republikaner fordern ihn zum Rücktritt auf, seine eigene Frau nennt die Aussagen "anstößig" und CNN sowie die New York Times publizieren weitere Belege für Trumps sexistische Sprüche, einzelne Übergriffe sowie Aussagen über die Brüste seiner Tochter Ivanka.

Doch sowohl in seinem Entschuldigungsvideo (hier im Wortlaut) als auch in wütenden Twitter-Nachrichten machte der 70-Jährige klar, dass er nicht an einen Rückzug denkt und am zweiten TV-Duell der Präsidentschaftskandidaten teilnehmen wird, das in der Nacht auf Montag in St. Louis stattfindet. Dass Trump die Sex-Affären von Clintons Ehemann Bill für ein legitimes Thema hält, um von seinem eigenen Skandal abzulenken, hat er bereits angedeutet - und viel zu verlieren hat Trump ohnehin nicht mehr.

Lesen Sie hier, was Sie über das zweite Fernseh-Duell wissen müssen, wer die Debatte moderiert und wie sich Trump und Clinton auf den wichtigen Auftritt vorbereitet haben.

Steuern, Frauen und Terror: Das sind die Themen. Seit einigen Jahren wird die TV-Debatte als Townhall-Format durchgeführt. Die Fragen stellen nicht die Moderatoren, sondern bislang unentschiedene Wähler, die das Meinungsforschungsinstitut Gallup auswählt. Mit Sicherheit werden sie die frauenverachtenden Sprüche von Trump sowie dessen Steuererklärungen (er hat sie als erster Kandidat seit 1972 nicht veröffentlicht) ansprechen.

Das TV-Duell

Hillary Clinton oder Donald Trump - wer entscheidet die TV-Debatte für sich? In der kommenden Nacht ab 2.45 Uhr live bei SZ.de. Dazu Berichte, Analysen, Kommentare.

Die Rolle der USA in der Welt, Freihandel und der Kampf gegen den IS gehören ohnehin zu Dauerbrennern im Wahlkampf - und Clinton wird erneut erklären müssen, wieso sie als Außenministerin private E-Mail-Server verwendete. Im Trubel um das Trump-Skandalvideo gingen die pikanten Auszüge jener Reden, die Clinton zwischen 2013 und 2014 vor Wall-Street-Bankern hielt, ziemlich unter: Sie stützen den Eindruck, dass die Demokratin ihre Meinung allzu oft ändert oder an das jeweilige Publikum anpasst.

Lehren aus der Premiere: So haben sich Trump und Clinton vorbereitet. Anders als vor der ersten Debatte, als der Republikaner echte Vorbereitung abgelehnt hatte, hat Trump nun offenbar geübt. In New Hampshire antwortete er auf Fragen von Wählern - und parallel lief ein Zwei-Minuten-Countdown. So viel Zeit haben die Kandidaten in St. Louis. Trumps Berater, zu denen neben Tochter Ivanka und deren Mann auch New Jerseys Gouverneur Chris Christie und Wahlkampfmanagerin Kellyanne Conway gehören, hoffen darauf, dass er konzentrierter auftritt, die Kritik an Clinton öfter wiederholt ("ich stehe für Veränderung, sie für Washingtons Elite") und sich nicht provozieren lässt.

Die Selbstdisziplin des Immobilien-Moguls dürfte auf die Probe gestellt werden: Während des Wochenendes blieb Hillary Clinton still und veröffentlichte kein Statement zum Pussygate-Video. Politico zufolge möchte sie die "entsetzlichen Aussagen" (so ihr Tweet) direkt bei der Debatte ansprechen, um die größte Wirkung zu erzielen. Wie üblich hat sie sich genau vorbereitet: Laut New York Times arbeitete sie mit ihrem Team an Körpersprache, dem richtigen Tonfall und passenden Gesichtsausdrücken. Die Detail-Liebhaberin übte ebenfalls, ihre Antworten lockerer zu formulieren - die Fragen kommen ja von normalen Wählern. Für die Demokratin ist die Debatte eine Chance, das Misstrauen vieler Wähler gegen sie abzubauen (62 Prozent halten sie für unehrlich).

Das Townhall-Format, die Moderatoren und offene Fragen

Mitgefühl und Alltag: Das Townhall-Format ist für beide schwierig. Dieses Mal stehen Trump und Clinton nicht hinter Pulten, sondern sitzen auf Stühlen inmitten des Publikums. Wenn ein Kandidat also permanent mit dem Fuß wippt oder Grimassen schneidet, wird das sofort bemerkt. Al Gore kam 2000 George W. Bush auf der Bühne oft zu nahe - dies gefiel vielen Wählern nicht. Und als Präsident Bush 1992 auf seine Armbanduhr schaute, war das für viele der Beleg, dass er den Dialog mit Wählern für Zeitverschwendung hält.

Multimillionärin Clinton und Milliardär Trump müssen zeigen, dass sie nicht abgehoben sind. Die Fragen sind oft konkreter, etwa "Was können Sie tun, damit ich einen Job kriege", "Wie hat die Wirtschaftskrise Ihr persönliches Leben verändert?" oder sogar "Wie viel kostet eine Gallone Benzin?" Der Ablauf ist unberechenbar und schnell entsteht ein Patzer, der zum Internet-Mem wird.

Mitgefühl zu zeigen ist also wichtig, und das ist nicht die Stärke der historisch unpopulären Kandidaten. Dass Clinton Dutzende Townhalls absolviert hat, ist ihr Vorteil; es ist Trump, der sein Image korrigieren und aktiv sein muss. Die Fragen der Bürger sollten die Kandidaten ernsthaft beantworten und nicht nach Sekunden das Thema wechseln und den Gegner attackieren. Moderatoren kann man ignorieren - das Publikum verdient Respekt.

Außenpolitik-Expertin und schwuler Superstar: Das sind die Moderatoren. Erneut dauert die Debatte 90 Minuten ohne Werbepausen, doch nun führen zwei Journalisten durch den Abend. Martha Raddatz ist die Chef-Auslandskorrespondentin des Senders ABC und moderiert regelmäßig die Sonntagstalkshow "This Week". Die 63-Jährige leitete die Vize-Debatte 2012 äußerst souverän. Sie hat Trump mehrmals interviewt und scheute schon im Sommer 2015 nicht vor deutlicher Kritik zurück.

Mit CNN-Star Anderson Cooper moderiert erstmals ein Homosexueller eine Präsidentendebatte. Auch Cooper hat beide Kandidaten oft interviewt und dem Republikaner "kindisches Verhalten" attestiert (Trump rechtfertigte Attacken auf Ted Cruz' Ehefrau mit den Worten "Er hat angefangen"). Der 49-Jährige moderiert jeden Abend die Sendung "360°", die weltweit zu sehen ist. Cooper ist Sprössling der Industriellen-Familie Vanderbilt und veröffentlichte mit seiner Mutter Gloria in diesem Jahr einen Bestseller.

Raddatz und Cooper stehen vor einer ähnlichen Herausforderung wie Lester Holt bei der Premiere 2016: Sie müssen und sollen die Aussagen von Trump und Clinton überprüfen, ohne als parteiisch wahrgenommen zu werden. Beim Townhall 2012 geriet Candy Crowley von CNN in die Kritik, weil sie wie eine Schiedsrichterin eine Aussage von Mitt Romney über Obama korrigierte.

Offene Fragen: Thematisiert Trump die Affären von Bill Clinton?

An sich sollten die zwei Nachrichten-Profis Publikum und Kandidaten gut unter Kontrolle halten können. Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass Trump jede Gelegenheit nutzt, um Hillary Clinton vorzuwerfen, sie habe jahrzehntelang die Affären ihres Mannes nicht nur geduldet, sondern seine Liebhaberinnen anschließend eingeschüchtert. Sie sei also keine Feministin.

Ob sich der Republikaner entschließt, viele alte und schmutzige Details herauszuholen, ist aber ebenso ungewiss wie die mögliche Reaktion der Demokratin. Sie hält eine solche Attacke für möglich, wie ihr Top-Berater Joel Benenson dem Spiegel verriet: "Wir bereiten uns jedenfalls darauf vor. Wir wissen, dass er unberechenbar und zu allem fähig ist."

All das und die brisanten Folgen von Trumps Video sprechen dafür, dass diese Debatte an der Washington University zu jenen gehören dürfte, an die man sich in Jahrzehnten noch erinnern wird.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: