US-Präsident zur Homo-Ehe:Wie Amerika auf Obamas historisches Bekenntnis reagiert

Meilenstein? Schlingerkurs? Oder gar eine Kriegserklärung an die Ehe? Das positive Statement des US-Präsidenten Barack Obama zur gleichgeschlechtlichen Ehe vertieft die Kluft zwischen den politischen Lagern in Amerika. Während die einen ihm jetzt den Wahlerfolg prognostizieren, glauben die anderen, Obamas Achillesferse entdeckt zu haben.

Das "Ja" von US-Präsident Barack Obama zur gleichgeschlechtlichen Ehe vergrößert sechs Monate vor der Präsidentschaftswahl die Kluft zwischen dem Amtsinhaber und seinem voraussichtlichen Herausforderer Mitt Romney. Das Statement, das Obama nicht in einer großen Wahlkampfrede, sondern in einem Interview mit ABC News abgab, vergrößert offenbar die Kluft zwischen den Wählerlagern - in einer für den Wahlkampf bedeutsamen und ideologisch aufgeladenen Frage.

Obama zur Homo-Ehe, USA Wahlkampf

US-Präsident Barack Obama befürwortet die gleichgeschlechtliche Ehe - ein möglicherweise riskantes Statement gab er dazu im Fernsehen ab. 

(Foto: AFP)

Auch die Haltung der Medien ist gespalten. Während die einen von einem Meilenstein sprechen, nennen die anderen Obamas Aussage ein Eigentor. Im Internet titelte der ultrakonservative Nachrichtensender Fox News kurz nach Obamas Interview: "Kriegserklärung an die Ehe". Inzwischen wurde der Artikel umbenannt. Ein Screenshot der Ursprungsseite wird allerdings von Bloggern und über Twitter weiterverbreitet. Die aktuelle Überschrift des Artikels lautet etwas neutraler: "Obama fährt einen Schlingerkurs".

Im New Yorker spricht Richard Socarides dagegen von einem "Meilenstein" beziehungsweise "einer Ankündigung, die in die Geschichtsbücher eingehen wird". Durch diesen Präsidenten werde das Verständnis amerikanischer Freiheit ausgeweitet - und das könnte ihm letztlich die Wiederwahl sichern.

Am Ende sind die Themen doch Wirtschaft und Jobs

Wie Karen Tumulty in der Washington Post schreibt, hofft der Präsident wohl darauf, dass das Thema jetzt im Wahlkampf eine Rolle spielen wird. Die Linke habe gejubelt, schreibt Tumulty - und verknüpfe damit die Hoffnung, dass Obamas Haltung junge Wähler und Liberale auf den Plan rufe, die er im Herbst brauche, um wiedergewählt zu werden. Einige Unterstützer der Demokraten meldeten jedoch bereits Zweifel an Obamas Strategie an, von der bisher noch niemand wisse, wie sie sich entwicklee.

Alec MacGillis von The New Republic beschreibt Obamas Engagement dagegen als geschickten Schachzug, der, selbst wenn er Obama nicht direkt nütze, zumindest seinem Gegner Mitt Romney großen Schaden zufügen könnte. Romney war einst 1994 mit der Prämisse im Senat angetreten, "vollständige Gleichberechtigung" voranzutreiben. Er hatte sich damals gar die Option offengehalten, in der Zukunft gleichgeschlechtliche Ehen zu unterstützen.

Doch mit dem Urteil des Obersten Gerichtshof von Massachusetts aus dem Jahr 2003, das gleichgeschlechtliche Ehen unterstützte, änderte Romney, damals Gouverneur von Massachusetts, seine Position. Und begann eine Art Kreuzzug gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, wie die Autoren seiner Biografie The Real Romney, Michael Kranish und Scott Helman, es nennen. Er sei durchs Land gezogen und habe mit Abscheu davon berichtet, was er in seinem Heimatstaat erlebt hatte - zum Beispiel, dass Homosexuelle "sogar" Kinder aufzogen.

Todesstoß fürs Schulprogramm

Später kündigte der Gouverneur von Massachusetts dann seine Unterstützung für "Gay and Lesbian Youth" auf, ein Forum für Schulprogramme homosexueller Jugendlicher, das zehn Jahre zuvor gegründet worden war, um Suizide zu verhindern. Das Programm habe Romney anfangs unterstützt. "Ich glaube, Romney hätte gerne, dass über all das jetzt nicht gesprochen wird", schreibt MacGillis.

Kurz vor Obamas Interview mit ABC News hatte Romney noch einmal deutlich gemacht, dass er eine juristische Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare weiterhin ablehne.

Neue Verbote trotz wachsender Akzeptanz

Karen Tumulty von der Post hält Obamas Vorstoß für ein Eigentor: Die Rechte habe, so schreibt Tumulty, den Aufruf zur ideologischen Bewaffnung gegeben, wodurch es für Romney jetzt noch einfacher werde, indifferente konservative Wählerschichten zu gewinnen. Auch sie glaubt zwar, dass die Konservativen das Thema gleichgeschlechtliche Ehe eher nicht zum Wahlkampfthema machen wollten - aber eher, weil sie sich lieber auf andere Themen wie Wirtschaft und Arbeitslosigkeit konzentriert hätten.

Tumulty erinnert in ihrem Text auch daran, dass die Frage nach der gleichgeschlechtlichen Ehe im Jahr 2004 Präsident George W. Bush die Wiederwahl erleichtert hatte, weil dieser damit die Evangelikalen auf den Plan rief. Heute verbieten drei Viertel der Staaten gleichgeschlechtliche Ehen in irgendeiner Weise, erst kurz vor Obamas Bekenntnis haben die Bürger North Carolinas dafür gestimmt, ein dementsprechendes Verbot in ihre Verfassung aufzunehmen. Allerdings, schreibt Tumulty, sei inzwischen eine wachsende Akzeptanz zu bemerken. Eine Umfrage hätte im März ergeben, dass 52 Prozent für eine Legalisierung von gleichgeschlechtlichen Ehen und 43 Prozent dagegen sind.

Obamas Vorstoß berge dennoch ein Risiko: dass er nämlich Stimmen von Afroamerikanern verlieren könnte, die der gleichgeschlechtlichen Ehe eher kritisch gegenüberstehen. Nur 42 Prozent von ihnen befürworten eine Legalisierung.

Ein Fall für die Geschichtsbücher

Allerdings, und das ist womöglich der ausschlaggebende Punkt, hat sich jeder sechste finanzielle Unterstützer Obamas (von den Großspendern mit mehr als 500.000 Dollar Spenden) als homosexuell geoutet.

Auf Obamas Statement folgte eine E-Mail mit Spendenaufrufen - womöglich auch, um eventuelle Ausfälle anderer Unterstützer auszugleichen.

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