US-Präsident zu Chemiewaffen:Obama hält an militärischer Drohung gegen Syrien fest

Barack Obama addresses the nation

US-Präsident Barack Obama

(Foto: dpa)

Diplomatie ja, aber nicht um jeden Preis: In seiner Rede an die Nation hat US-Präsident Barack Obama für eine Verhandlungslösung im Syrienkonflikt geworben. Russlands Vorschlag für eine internationale Kontrolle des syrischen Chemiewaffenarsenals müsse geprüft werden. Die Drohung eines Militärschlags hält Obama jedoch aufrecht und begründet dies mit der besonderen Stellung der USA in der Welt.

Während US-Zerstörer im Mittelmeer auf das Kommando von Barack Obama warten, hat sich der amerikanische Präsident an die Öffentlichkeit gewandt. Ziel sei, dass Syrien seine Chemiewaffen aufgebe und letztlich vernichte, sagte Obama in der Nacht zum Mittwoch in einer 15-minütigen Rede an die Nation. In der mit Spannung erwarteten Fernsehansprache bezeichnete er den Giftgasangriff gegen die syrische Bevölkerung am 21. August als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". An diesem Tag ließ die syrische Regierung nach Ansicht Washingtons Chemiewaffen in Damaskus einsetzen. Bei der Attacke sollen mehr als 1400 Toten gestorben sein, darunter Hunderte Kinder.

Die USA wüssten, dass Machthaber Baschar al-Assad dafür verantwortlich sei, sagte Obama nun. Er habe US-Außenminister John Kerry gebeten, gemeinsam mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow einen diplomatischen Weg aus dem Konflikt zu suchen und wolle sich in der Frage auch weiterhin mit Kremlchef Wladimir Putin beraten. Noch könne man aber nicht beurteilen, ob Syriens Angebot über die Aufgabe seiner Chemiewaffen auch erfolgreich sein werde.

"Anker der globalen Sicherheit"

Gleichzeitig blieben die US-Streitkräfte in der Region aber in Position, um den Druck auf Syriens Diktator Baschar al-Assad aufrecht zu erhalten, sagte Obama. "Ich habe das Militär angewiesen, seine derzeitige Stellung beizubehalten, falls die Diplomatie scheitert", stellte er klar. Bei einem Militärschlag würden keine Bodentruppen zum Einsatz kommen. Assad solle aber nicht denken, dass ein Angriff harmlos wäre. "Das US-Militär macht keine Nadelstiche. Selbst ein eingeschränkter Schlag sendet eine Nachricht, die keine andere Nation liefern kann." Das syrische Regime habe keine Mittel, das US-Militär ernsthaft zu bedrohen.

Amerika sei keine "Weltpolizei", aber seit fast sieben Jahrzehnten der "Anker der globalen Sicherheit", betonte Obama. Das bedeute, internationale Abkommen nicht nur zu schmieden, sondern auch durchsetzen zu müssen.

Die Mehrheit der Amerikaner ist Umfragen zufolge gegen einen US-Angriff auf syrische Ziele. Die Zahl der Gegner eines Militärschlags stieg einer neuen Umfrage des Pew-Centers zufolge um 15 Prozentpunkte auf 63 Prozent. Dagegen stehen 28 Prozent der US-Bürger, die eine US-Intervention unterstützen.

Abstimmung soll verschoben werden

Noch Stunden vor seiner Rede an die Nation hatte Obama seine umfassenden Bemühungen fortgesetzt, den US-Kongress für einen Militärschlag zu gewinnen. Im Washingtoner Kapitol kam Obama mit Senatoren zusammen, um mehr Rückhalt zu gewinnen. Er habe den Kongress aber gebeten, mit der Abstimmung abzuwarten, um den diplomatischen Bemühungen eine Chance zu geben.

Schon in Interviews mit mehreren US-Sendern hatte Obama in der Nacht zum Dienstag (MESZ) von einer "potenziell positiven Entwicklung" und einem möglichen Durchbruch gesprochen. Zugleich betonte der Präsident, der syrische Staatschef Assad müsse zeigen, dass er es ernst meine. "Wir wollen keine Hinhaltetaktik."

Im US-Kongress erhielten die Beratungen über einen möglichen Militärschlag in Syrien eine neue Stoßrichtung, nachdem Russland vorgeschlagen hatte, die Chemiewaffen unter Kontrolle zu stellen und zu vernichten. Mehrere Senatoren forderten, die Abstimmung über die Syrien-Resolution vorläufig auf Eis zu legen. Dies sei der "beste Weg nach vorn", sagte der republikanische Senator Rand Paul, der als entschiedener Gegner des Syrien-Angriffs gilt, der Zeitschrift Foreign Policy.

McCain "äußerst skeptisch"

Zugleich arbeiteten entschiedene Befürworter eines Angriffs auf syrische Ziele an einer umfassenden Syrien-Resolution. Diese soll Obama notfalls trotzdem grünes Licht für einen Militärschlag geben, falls der UN-Sicherheitsrat sich auf keine gemeinsame Linie einigen kann. Zu den Verfechtern gehört der einflussreiche republikanische Senator John McCain. Er sei "äußerst skeptisch" gegenüber dem Verhalten Assads, sagte McCain dem Sender CBS.

Die im Mittelmeer stationierten Kriegsschiffe erwarten weiterhin das Kommando, wie ein Pentagon-Sprecher bestätigte. Die nötigen Kräfte für einen Schlag seien in Position und die Pläne stünden, sagte US-Generalstabschef Martin Dempsey vor einem Ausschuss des Kongresses. "Die Männer und Frauen der amerikanischen Streitkräfte sind hervorragend geschult, und sie sind vorbereitet."

32 Staaten unterstützen Obamas Kurs

Auch international warb Obama am Dienstag weiterhin für ein geschlossenes Vorgehen. Er telefonierte mit dem französischen Staatschef François Hollande und dem britischen Premierminister David Cameron. Nach Angaben des Élyséepalastes einigten sich Obama und Hollande darauf, vorerst keine Handlungsoptionen auszuschließen.

32 Staaten haben sich mittlerweile hinter Obamas Kurs gestellt, wie das Weiße Haus am Dienstag mitteilte. Die Staaten haben eine von den USA eingebrachte Syrien-Erklärung unterzeichnet, die erstmals beim G20-Gipfel im russischen St. Petersburg auf den Tisch kam.

Ob der Gas-Angriff tatsächlich auf Assads Konto ging, gibt es allerdings auch nach Ansicht der USA bislang keine eindeutigen Beweise, wie der Stabschef im Weißen Haus, Denis McDonough, eingeräumt hat.

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