Süddeutsche Zeitung

US-Präsident:Trump, die lahme Ente

Allmählich wehren sich auch die Republikaner gegen ihn. Es könnte schon bald sehr einsam um den US-Präsidenten werden.

Gastbeitrag von Charles A. Kupchan

Bis vor Kurzem konnte die Regierung Trump, so erratisch und fehlgeleitet sie auch gewesen sein mag, immer noch den Eindruck erwecken, sie führe Amerika. Die halbherzige Unterstützung durch den von den Republikanern beherrschten Kongress ermöglichte es einem Weißen Haus, in dem es drunter und drüber ging, sich durchzuwursteln.

Jetzt scheint ein Wendepunkt erreicht zu sein. Wachsender Widerstand aus dem republikanischen Establishment, ein schlimmer Aderlass im Weißen Haus, die wachsende Entfremdung wichtiger Berater Trumps und die Mühle der Russland-Ermittlungen haben Trump zu einem neuen Tiefpunkt gebracht. Nach kaum sechs Monaten wirkt der Präsident wie eine lahme Ente, wie ein Politiker am Ende seiner Karriere.

Trump wird sicher auf seine politische Isolierung reagieren; er wird zurückschlagen und noch populistischer werden. Und republikanische Amtsinhaber werden in ihrem Werben um Trumps Basis das Spiel immer wieder mitspielen. Und doch scheinen jetzt etliche Republikaner im Kongress aufzuwachen und zu begreifen, dass es eine nationale Aufgabe höchster Priorität ist, ihren Präsidenten einzufrieden. Wenn Repräsentantenhaus und Senat die Nase voll haben, ist dies die beste Chance, die Macht des Präsidenten zu begrenzen.

Russland-Ermittlungen untergraben Trumps Glaubwürdigkeit

Seit dem Amtsantritt Trumps waren die meisten Republikaner depriminierend schwach im Umgang mit einem Präsidenten, mit dem sie ideologisch überquer lagen und der, wie die meisten realisierten, auf einzigartige Weise ungeeignet für seinen Job war. Doch jetzt scheint sich das Klima zu ändern.

Senat und Repräsentantenhaus haben mit überwältigenden Mehrheiten ein Gesetz verabschiedet, das nicht nur Sanktionen gegen Russland, Iran und Nordkorea vorsieht, sondern gleichzeitig verfügt, dass der Präsident die Sanktionen nur mit Zustimmung des Kongresses wieder aufheben darf. Für einen Präsidenten, der die Beziehungen zu Moskau verbessern will, ist das ein gehöriges Stück Zurückweisung durch die eigene Partei; selbst Republikaner trauen Trump in Sachen Kreml nicht mehr.

Ähnlich liegt der Fall beim Thema Gesundheit. Die Republikaner haben sich erst einmal von einem der wichtigsten Ziele Trumps verabschiedet, der Rücknahme von Barack Obamas Gesundheitsreform (Obamacare). Dass ein von Republikaner beherrschter Kongress nicht einmal eine verwässerte Fassung des Gesetzes durchbrachte, ist eine schwere Niederlage für Trump und zeigt, wie seine Autorität geschwunden ist.

Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Republikaner allmählich doch ein wenig Rückgrat zeigen, ist der Umgang mit den Attacken Trumps auf Justizminister Jeff Sessions; dieser hatte sich bei den Russland-Ermittlungen für befangen erklärt. Die Angriffe lösten eine regelrechte Revolte unter Sessions früheren Kollegen im Senat aus. Die Senatoren machten Trump klar, dass sie einen möglichen Nachfolger blockieren würden, sollte der Präsident tatsächlich Sessions entlassen. So etwas kommt im Senat nicht alle Tage vor.

Auf der persönlichen Ebene ähnelt das Leben in der Regierung mittlerweile einer schlechten Reality-Show, die Machtkämpfe werden lähmend und destruktiv. Die Einstellung eines unflätigen Kommunikationsdirektors namens Anthony Scaramucci zog den Rücktritt von Trumps Stabschef Reince Priebus und seinem Pressesprecher Sean Spicer nach sich. Ein paar Tage danach wurde Scaramucci gefeuert.

Frage der Zeit, bis die Besten in Trumps Team das Weite suchen

In so einem Chaos ist es nur eine Frage der Zeit, bis die besten Mitglieder von Trumps Team das Weite suchen werden. Sicherheitsberater General McMaster ist eine der beständigeren Stimmen und konnte eine gewisse Ordnung in den Nationalen Sicherheitsrat bringen. Aber er harmoniert nicht mit Trump; beider Positionen liegen bei zentralen Themen wie Afghanistan oder dem Klimawandel meilenweit auseinander. McMaster wurde von Trumps Treffen mit Wladimir Putin in Hamburg ausgeschlossen. Viel mehr von der Art wird er wohl nicht hinnehmen.

Das Gleiche gilt für Außenminister Rex Tillerson. Er ringt noch immer um Zuständigkeiten und wird dabei von den sich bekämpfenden Egos zur Seite gedrängt. Anfangs sollte er wohl die Verantwortung für die Russland-Politik bekommen. Nach dem Beschluss über die Sanktionen ist er diese Aufgabe faktisch los. Gerüchte um seinen Rücktritt machen die Runde.

Verteidigungsminister James Mattis ist in einer sichereren Position, als es McMaster und Tillerson sind. Trump hat operative Fragen des Militärs abgegeben. Mattis regiert damit sein eigenes Reich. Aber das Pentagon wurde von Trumps Entscheidung, Transsexuelle vom Militärdienst fernzuhalten, kalt erwischt. Damit war klar, dass niemand vor den Launen des Präsidenten geschützt ist. Mattis, ein erfahrener Profi, könnte schnell genug haben von der Inkompetenz im Weißen Haus und Trumps unberechenbarer Außenpolitik.

McMaster, Tillerson und Mattis sind die Erwachsenen in der Regierung. Aber man kann wohl darauf wetten, dass sie nicht bis Jahresende bleiben werden. Bis auf Weiteres haben die drei beschlossen auszuharren und Vernunft in die Regierung zu bringen. Aber irgendwann ist es für sie eine Frage der Selbstachtung, dass sie das sinkende Schiff verlassen. Wen es so weit sein sollte, werden sie weitere hochrangige Berater mit sich ziehen.

Die Russland-Ermittlungen sind eine weitere Ursache für Trumps Verlust an politischer Autorität. Die Enthüllung, dass sich sein Sohn mit einem russischen Team traf, das ihm belastende Informationen über Hillary Clinton anbot, war eine neue dramatische Wendung. Was immer auch bei diesem Treffen gesagt wurde, wir wissen jetzt, dass Trumps Leute offen, wenn nicht sogar begeistert waren für russische Versuche, die amerikanischen Wahlen zu beeinflussen. Selbst wenn man nie Beweise finden wird, die Ermittlungen werden mit Sicherheit die Regierung Trump noch mehr Glaubwürdigkeit kosten.

Die amerikanische Verfassung gibt dem Präsidenten breite exekutive Macht. Aber sie gibt auch dem Kongress, wenn er es denn will, die Möglichkeit zurückzuschlagen. Er ist damit das wichtigste Instrument der Nation, um ein fehlgeleitetes Weißes Haus zu disziplinieren. Diese verfassungsmäßigen Checks und die Russland-Ermittlungen belasten die Trump-Präsidentschaft inzwischen schwer.

Unter den besten Voraussetzungen werden es für Trump vier sehr lange Jahre werden. Aber der Schaden, den er dabei anrichtet, lässt sich entscheidend verringern, wenn man ihm enge Grenzen setzt.

Charles A. Kupchan, 58, ist Professor an der Georgetown University und Senior Fellow am Council on Foreign Relations. Von 2014 bis 2017 war er Sonderbeauftragter für Nationale Sicherheit des US-Präsidenten.

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SZ vom 08.08.2017/SZ.de/migh
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