Süddeutsche Zeitung

US-Präsident Obama in Berlin:Visionen von einer Welt ohne Atomwaffen

Schon als junger Student ist Barack Obama für eine atomwaffenfrreie Welt eingetreten. Als US-Präsident verfolgt er dieses Ziel immer noch. Sein Engagement hat bereits zum neuen Start-Abkommen mit Russland geführt. Doch das reicht ihm noch lange nicht.

Die nukleare Abrüstung ist schon lange ein Lieblingsthema von Barack Obama. Wie die New York Times bereits im Vorfeld der Rede des US-Präsidenten in Berlin angekündigt hatte, plädierte er bei dieser Gelegenheit erneut dafür, die Zahl der gegenwärtig etwa 1700 US-Atomsprengköpfe zu verringern. Und zwar deutlich: Bis zu ein Drittel ihrer Nuklearwaffen wollten die Vereinigten Staaten abschaffen, sagte Obama.

Eine Reduktion auf gut 1000 Sprengköpfe würde weit über den 2010 im Start-Abkommen vereinbarten Abbau hinausgehen. Dem New Start zufolge sollen Russland und die USA die Zahl der Sprengköpfe bis 2018 auf 1550 reduzieren. Wenn Russland bereit ist, mitzuziehen, kann sich Obama aber auch vorstellen, das Arsenal schon bald weiter zu beschränken.

Doch wie ernst meint es der US-Präsident mit seinem Engagement für die nukleare Abrüstung?

Bereits im Juli 2008 hatte Obama - noch als Präsidentschaftskandidat - ebenfalls in Berlin erklärt, er wünsche sich eine Welt ohne Nuklearwaffen. Ein Jahr zuvor hatte er dieses Ziel als Teil einer Außenpolitik vorgestellt, die er als Präsident verfolgen wollte.

Damit setzte er Bemühungen fort, die er bereits 1983 begonnen hatte. Damals veröffentlichte er als 22-jähriger Student an der Columbia University von New York in der Campus-Zeitung seine Vorstellung von einer atomwaffenfreien Welt. Damals warnte er vor der Nachrüstung in Europa im Rahmen des Nato-Doppelbeschlusses und betonte die Bedeutung der friedensbewegten Grünen in Deutschland.

Als Präsident traf sich Obama bereits im April 2009 mit dem russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew in London und begann mit Verhandlungen über ein neues Start-Abkommen. Und wenige Tage danach verlieh er in Prag erneut seiner Hoffnung Ausdruck, dass eine Welt ohne Atomwaffen möglich sei. Die USA, so kündigte er an, wollten tatsächlich abrüsten.

Im selben Jahr kam es zu einem Gipfeltreffen in Moskau, auf dem Obama und Medwedjew ihre Pläne zur Reduzierung der atomaren Sprengköpfe vorstellten. Um auch andere Atommächte zur Abrüstung zu bewegen, regte Obama eine UN-Resolution an, die im September 2009 vom Sicherheitsrat verabschiedet wurde.

Die Bemühungen des US-Präsidenten wurden dann vom Nobel-Komitee honoriert: 2009 erhielt Obama den Friedensnobelpreis.

Im März 2010 einigten sich die USA und Russland schließlich auf den New-Start-Vertrag, demzufolge beide Länder ihre Arsenale bis 2018 von mehr als 2000 atomaren Sprengköpfen auf 1550 und die Zahl der Trägersysteme auf 700 verringern sollen. Im April unterzeichneten die beiden Präsidenten das Papier.

Abrüstung mit New Start

Im Februar 2011 trat New Start dann tatsächlich in Kraft. Natürlich ist das Abkommen noch weit weg von Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen schließlich viele Staaten an einen Tisch kommen: Russland, Großbritannien und Frankreich, Indien, China, Pakistan, Israel, selbst Nordkorea soll über Atombomben verfügen.

Dass der US-Präsident aber weiter auf dieses Ziel hinarbeiten will, verkündete er zuletzt im Februar 2013. In seiner Rede zur Lage der Nation versprach er den US-Amerikanern, sich weiterhin für eine gemeinsame nukleare Abrüstung mit Russland einzusetzen. Und dass er Chuck Hagel zum Verteidigungsminister ernannte, dürfte auch mit seiner Vision zusammenhängen.

Hagel ist ein prominentes Mitglied der Initiative "Global Zero", die eine Abrüstung der amerikanischen und russischen Atomwaffen um 80 Prozent bis 2022 fordert. Der US-Verteidigungsminister ist also ein wichtiger Verbündeter Obamas, genau wie die übrigen etwa 300 politischen und militärischen Persönlichkeiten hinter "Global Zero", deren erklärtes Ziel es ist, schon bis 2030 den Planeten von allen Atomwaffen befreit zu haben.

Seit Barack Obama der Friedensnobelpreis verliehen wurde, gab es viel Kritik an seiner Politik. Die Zahl der umstrittenen Angriffe von bewaffneten Drohnen ist während seiner Regierungszeit deutlich gestiegen, das Militärgefängnis Guantanamo ist noch immer nicht geschlossen, die Überwachungsmaßnahmen der US-Geheimdienste sorgen weltweit für Empörung. Dass er sich nicht für die nukleare Abrüstung eingesetzt hätte, kann jedoch niemand behaupten.

Möglicherweise stößt sein Engagement auch auf weniger Widerstand im eigenen Land und weltweit, weil Atomwaffen heute nicht mehr dieselbe Bedeutung haben wie während des Kalten Krieges. Die eher asymmetrischen Kriege der Gegenwart lassen sich nicht mit Atomwaffen führen. Und: Atomare Sprengköpfe sind extrem teuer.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1700603
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/mcs/beitz/leja
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.