US-Präsident in Deutschland:Obama auf Abschiedstour: Er wird nicht allen Deutschen fehlen

Obama in Berlin

Obama am Brandenburger Tor in Berlin bei seinem Staatsbesuch in Deutschland im Jahr 2013

(Foto: dpa)

Barack Obama wurde in Deutschland umjubelt, als er ins Weiße Haus einzog. Das blieb nicht lange so. Über das Auf und Ab der Deutschen mit dem ersten schwarzen US-Präsidenten.

Analyse von Thorsten Denkler, Berlin

Mehr als 200 000 Menschen stehen vor der Siegessäule im Herzen Berlins. Sie jubeln, als sie ihn die Bühne hochkommen sehen. Sie applaudieren nach fast jedem Satz. Es ist der 24. Juli 2008. Barack Obama ist da, zum ersten Mal in Deutschland. Selten hat ein Politiker im Nachkriegs-Deutschland so viele Menschen an einem Platz versammeln können.

Es ist faszinierend und beängstigend zu gleich. Kann dieser schmale Mann mit dem breiten Grinsen die Erwartungen stemmen? Es scheint damals möglich. Seine Botschaft geht um die Welt: "Yes, we can!"

An diesem Mittwoch will Obama wieder eine große Rede in Europa halten. Seine Vermächtnisrede, wie manche sagen. In Athen, der Wiege der Demokratie, will er genau darüber sprechen, über Demokratie. Dann reist er weiter nach Deutschland, wo ihm wieder viele Menschen zujubeln werden. Sich diesmal wünschen werden, dass er doch weitermachen könnte. Dass er das Weiße Haus nicht für Donald Trump räumen müsste.

Was sie ausblenden: So beliebt war der US-Präsident Obama nicht immer in Europa und Deutschland. Es gab schlechte Phasen. Nicht alle Deutschen werden ihn vermissen.

Doch zurück ins Jahr 2008, das Jahr seiner Wahl zum US-Präsidenten. Jahr sieben nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington. In Afghanistan wollte sich die Lage nicht beruhigen. US-Präsident George W. Bush hatte fünf Jahre zuvor mit falschen Beweisen über Massenvernichtungswaffen einen Krieg gegen den Irak angefangen, der wie eine offene Wunde blutete. Die Beziehungen zwischen den USA und einem Großteil Europas waren nahezu auf den Nullpunkt heruntergekühlt.

"Wenn wir ehrlich zueinander sind", sagte Obama vor der Siegessäule, "wissen wir, dass wir manchmal auf beiden Seiten des Atlantiks auseinandergedriftet sind und unser gemeinsames Schicksal vergessen haben." Diese Beziehungen müssten erneuert werden. "Jetzt ist die Zeit, neue Brücken über den Globus zu bauen." Und dann rief er: "Yes, we can! Yes, we can!"

Merkel und Obama - kein guter Start

Und was alles möglich sein sollte: Irakkrieg beenden und die Truppen abziehen. Das Gefangenenlager Guantánamo schließen. Die Beziehungen in die arabische Welt und zu Russland voranbringen. Gerade in Deutschland kam er mit diesen Zielen gut an. Hätte er Bundeskanzler werden wollen, er wäre sofort mit absoluter Mehrheit gewählt worden.

Doch es dauerte alles viel länger als gedacht. Oder ist nie so gekommen.

Kanzlerin Angela Merkel hatte anfangs ihre Schwierigkeiten mit Obama. Als er Berlin 2008 besuchte, da ließ sie ihn mit dem Wunsch abblitzen, vor dem Brandenburger Tor zu reden. Er nahm ihr das übel. Und sie ihm, dass er nicht verstand, warum ein einfacher US-Senator nicht an diesem symbolträchtigen Ort auftreten kann, der hohen Staatsgästen vorbehalten ist.

Nun, Obama gewann die Wahl. Er wurde der erste schwarze Präsident im Weißen Haus. Merkel, die erste Frau im Bundeskanzleramt, musste den Partner in ihm erst suchen.

Es fing aus europäischer Sicht gut an. In einer großen Rede an die arabische Welt erklärte Obama Mitte 2009: "Der Islam ist Teil Amerikas." Die Supermacht USA auf Versöhnungskurs mit dem Islam, das versprach Frieden. Wenige Monate später bekam Obama den Friedensnobelpreis für seine Verdienste um die Stärkung der Diplomatie. Damals ahnte noch niemand, dass er sich bald vom Friedens- zum Kriegspräsidenten entwickeln würde. Aber einige fanden schon: Das ist etwas zu früh.

Im Irak ging der Krieg weiter, der offiziell keiner mehr sein durfte. In der Besatzungszeit kamen mehr Menschen, mehr US-Soldaten ums Leben als in den Kriegsjahren. Erst 2011 konnte Obama einen Großteil der Truppen abziehen. Um zwei Jahre später zu sehen, wie die Terrormiliz IS den halben Irak und Teile Syriens überrollt.

Die Begeisterung für Obama wich Ernüchterung

Heute ist die arabische Welt ein Trümmerhaufen im Vergleich zu 2008. Und die USA finden ihre Rolle nicht im Kampf gegen den IS. Haben mit Russland sogar einen erstarkten Gegenspieler bekommen.

Die riesige Begeisterung in Europa für den neuen US-Präsidenten wich schon früh Ernüchterung bis Enttäuschung. Es war, als hätte jemand ein Feuer mit einem großen Eimer Wasser gelöscht.

Wie die USA die Deutschen verprellten

Oft standen Obama beide Kammern des Kongresses im Weg. Der US-Präsident hatte schon nach zwei Jahren im Amt nicht die Macht, gegen die republikanischen Mehrheiten zu regieren. Seine Krankenversicherung Obamacare konnte nur deutlich abgespeckt in Kraft treten. Und das Gefangenlager Guantánamo ist bis heute nicht geschlossen, weil der Kongress zu hohe Hürden baute. Auch wenn deutlich weniger Gefangene dort leben als noch 2008. Ein letzter Versuch, das Lager zu schließen, scheiterte zu Beginn des Jahres.

Im Mai 2011 tötete eine US-Spezialeinheit in Pakistan den mutmaßlichen Drahtzieher der 9/11-Anschläge, Osama bin Laden. Ein Riesenerfolg aus US-Sicht. In Europa wurde die Aktion hingegen teils sehr kritisch gesehen, als Verstoß gegen das Völkerrecht und Missachtung der Souveränität Pakistans.

Unglücklich war Obamas Eingreifen in Libyen. Auf die Frage, was sein "schlimmster Fehler" gewesen sei, sagte er im April 2016 dem US-Sender Fox: "Möglicherweise, keinen Plan für den Tag nach der Intervention in Libyen gehabt zu haben." 2011 hatten die USA gemeinsam mit europäischen und arabischen Verbündeten den Despoten Muammar al-Gaddafi gestürzt. Danach versank das Land im Chaos. Die Folge: In den aufkeimenden Konflikt in Syrien griff Obama danach nur halbherzig ein. Heute steht dort Russland bombend an der Seite des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad.

Obama konnte sich trotz der Misserfolge retten, er gewann die Wahl 2012. Auch weil er in Mitt Romney einen schwachen Gegenkandidaten hatte, der es vor allem jedem recht machen wollte.

Auch in seiner zweiten Amtszeit führte Obama einen unerbittlichen Drohnenkrieg gegen den Terror. Diese Art der Kriegsführung führte vor allem in Europa zu massiver Kritik. Der Drohnenkrieg sei zu einem "provokativen Symbol amerikanischer Macht geworden, die sich über nationale Souveränität hinwegsetzt und Unschuldige tötet", schreibt die New York Times. Auch dafür brauchte Obama Deutschland. Auf der US-Militärbasis in Ramstein steht die Relaisstation, mit der die Steuersignale der Drohnenpiloten in den USA an die Flugkörper im Nahen Osten weitergeleitet werden.

Einen regelrechten Riss bekamen die Beziehungen der USA zu Deutschland im Sommer 2013. Grund waren die Veröffentlichungen von US-Whistleblower Edward Snowden, die zeigten: Der Schnüffelwahn der US-Geheimdienste machte auch vor dem Handy der Kanzlerin nicht halt. Immer neue Nachrichten, wie der US-Geheimdienst NSA den Bundesnachrichtendienst für sich benutzt hatte, erschütterten das Vertrauen.

Obamas Beliebtheit rauschte in Deutschland in den Keller. Noch 43 Prozent der Deutschen sind im November 2013 zufrieden mit Barack Obama - ein Jahr zuvor waren es 75 Prozent, zu Beginn seiner Präsidentschaft sogar fast 90 Prozent.

Viele Deutschen wünschten sich für Obama eine Verlängerung

Mit der Anschlagsserie in Frankreich und Belgien intensivierte sich von 2015 an die Zusammenarbeit der Geheimdienste wieder. Obama setzte allerdings stärker auf die Eigenverantwortung der Europäer. In der Ukraine-Krise um die von Russland 2014 annektierte Krim und dem Kampf um den Donbass ließ er den Europäern freie Hand, allen voran Kanzlerin Merkel. Er versicherte ihr aber jedwede Unterstützung.

Es war aber auch Obama, der der Klimapolitik mit Beginn seiner zweiten Amtszeit neuen Schub gab. Noch kurz vor der jetzigen Wahl ratifizierten die USA das Klima-Abkommen von Paris. Und verpflichteten sich damit auf das Zwei-Grad-Ziel.

Was die Europäer wirklich an Obama haben, wurde ihnen wohl spätestens bewusst, als Donald Trump die Präsidentschaftswahl gewann. Obama war ein verlässlicher Partner, der Europa wohlgesonnen ist und die Krisen der Welt lösen wollte. Wie verlässlich Trump sein wird, muss sich zeigen. Zwei Drittel der Deutschen wünschten sich zuletzt, Obama bliebe im Amt.

Die amerikanische Verfassung verhindert das, Obama wird Abschied nehmen. Er hinterlässt eine komplizierte Weltlage. Wie sagte er 2008 an der Siegessäule: "Jetzt ist die Zeit, neue Brücken über den Globus zu bauen." Der Satz ist so wahr wie lange nicht mehr.

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