US-Präsident im Ruhestand:Bürger Bush

Vom Kriegspräsidenten zum "desperate Houseman": Ein Jahr nach seinem Abschied hat es sich George W. Bush in Dallas gemütlich gemacht - und gibt noch immer Rätsel auf.

Wolfgang Jaschensky

In dem Wohnviertel mit dem klangvollen Namen Preston Hollow im Norden von Dallas leben viele Prominente. Firmenchefs und Football-Spieler und Footballclub-Besitzer zum Beispiel.

US-Präsident im Ruhestand: Living in Suburbia: Großzügig, aber nicht protzig haben es sich die Bushs in Dallas gemütlich gemacht.

Living in Suburbia: Großzügig, aber nicht protzig haben es sich die Bushs in Dallas gemütlich gemacht.

(Foto: Foto: Reuters)

In Daria Place, einer unscheinbaren Sackgasse nur einen Block vom lauten Dallas North Tollway entfernt, ist vor knapp einem Jahr ein neuer Nachbar eingezogen. Der neue Nachbar heißt George W. Bush. Hier in Texas, in seiner Heimat, richtet sich der bis vor einem Jahr mächtigste Mann der Welt und vielleicht umstrittenste US-Präsident der Geschichte in seltsamer Ruhe als Privatier ein.

Damals, als bekannt wurde, dass Bush sich hier ein Haus kaufen würde, kam Unruhe auf in Suburbia. Würden hier jetzt regelmäßig linke Aktivisten aufmarschieren, um dem Mann, der zwei Kriege begonnen hat, seinen Lebensabend zu vermiesen? Würden Sicherheitskräfte die Straße in einen Hochsicherheitstrakt verwandeln? Würde Bush versuchen, von dem neuen Anwesen aus weiter Weltpolitik zu machen?

Nichts davon trat ein. Nun gut, Cindy Sheehan organisierte im Juni eine Demonstration. Die Mutter eines im Irakkrieg gefallenen Soldaten war in den US-Medien schon zuvor als "Peace Mum" gefeiert worden. Zu ihrer Kundgebung in Preston Hollow kamen dann aber kaum hundert Menschen. Darunter vor allem auch einige Anwohner, die ihren neuen Nachbarn Bush verteidigen wollten.

Das Haus, in dem der Ex-Präsident mit seiner Frau Laura wohnt, ist vergleichsweise bescheiden, und seit die Polizei in Dallas aus Sparzwängen die Bewachung des Grundstücks eingestellt hat, sorgt nur noch der Secret Service für die Sicherheit rund um das Anwesen. Der Nachbar hat keinen Ärger, der Nachbar macht keinen Ärger.

Patrick Ribb, ein Student aus Dallas, organisierte Schilder, mit denen die Nachbarn den Ex-Präsidenten und seine Frau begrüßten. "Willkommen zu Hause, George & Laura" stand darauf. Der Ex-Präsident bedankte sich artig bei dem Studenten.

Eine Meldung, so scheint es, ist Bush nach Ende seiner Amtszeit nur noch in den Lokalnachrichten wert. Wenn er die Pläne für seine Präsidentenbibliothek am Unicampus in Dallas vorstellt. Oder wenn die Anwohner dort Bedenken anmelden, weil durch den Neubau Verkehrsprobleme entstehen könnten.

"Wenn ich nach Texas zurückgehe und dort in den Spiegel schaue, bin ich stolz auf das, was ich sehe", sagte Bush kurz vor seinem Abschied nach Dallas. Fortan schwieg er überwiegend. Eine erstaunliche Zurückhaltung für einen Präsidenten, der mit missionarischem Eifer seine politische Agenda - den Kampf gegen den islamistischen Terror und die Demokratisierung autoritärer Staaten - verfolgt hat.

Während sein treuer Helfer und Vizepräsident Dick Cheney kaum eine Gelegenheit auslässt, Barack Obama zu kritisieren, lebt der Ex-Präsident zurückgezogen in seiner Rolle als Bürger Bush.

Lesen Sie auf Seite zwei, wie sich George W. Bush als Motivationskünstler versucht.

Beliebtheit ist flüchtig

Öffentliche Auftritte beschränkt Bush auf wenige Reden in sicheren Gefilden meist im Süden der USA, wo er selbst am Ende seiner Amtszeit noch Sympathien genoss. Am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag der USA, erklärt Bush in Woodward, Oklahoma, seinen Zuhörern, er freue sich, dass sie einem Rentner etwas zu tun geben. Am 7. Oktober spricht er als "Special Guest Speaker" in Sevierville, Tennessee, auf der nach eigenen Angaben "führenden Konferenz für ältere Menschen und reife Gläubige".

Bush

Abschied ins Private: Präsident George W. Bush bei seinem letzten Spaziergang im Garten des Weißen Hauses am 20. Januar 2009.

(Foto: Foto: Reuters)

Dann erzählt er oft Anekdoten aus seiner Zeit als Präsident, von seinem Leben als Privatmann. Zum Beispiel die: Seine Frau Laura schickte ihn zum Batterien kaufen, ein Mann sprach ihn an und fragte, ob ihm schon jemals jemand gesagt hat, dass er genauso aussieht wie der Präsident. Das müsse ihn doch verrückt machen. Oder die, als er sich bei seinem Nachbarn in Preston Hollow vorstellen wollte. Gerade als er auf einen Nachbarn zugeht und ihm die Hand schütteln wollte, stellte er fest, dass er noch die Tüte mit dem Geschäft seines Hundes in der Hand hielt.

Diese Geschichten erzählt Bürger Bush auch bei den "Get Motivated"-Seminaren der Managementgurus Peter and Tamara Lowe. Immerhin dürften die Auftritte dort rentabler sein - Bush soll für jede Rede eine sechsstellige Summe erhalten. Vor jubelnden Massen debütierte Bush am 25. Oktober in Fort Worth, Texas, als Motivationskünstler. Seine Message: "Es ist einfach, nach Beliebtheit zu streben, doch Beliebtheit ist flüchtig."

Für diese Erkenntnis ist George W. Bush sicher ein glaubwürdiger Redner. Doch fällt es schwer zu glauben, dass Bush sein Platz in den Geschichtsbüchern egal ist. Ende 2010, das hat er bereits angekündigt, will er ein Buch veröffentlichen. Keine klassischen Memoiren, sondern ein Bericht über entscheidende Lebenssituationen. "Decision Points" soll das Werk heißen, und dem Leser begreiflich machen, unter welchen Zwängen er etwa die Entscheidung getroffen hat, in den Irak einzumarschieren.

Zurückhaltung im politischen Tagesgeschäft steht einem Ex-Präsidenten natürlich besser als die Abteilung Attacke à la Cheney. Doch Bushs Vorgänger haben allesamt gezeigt, dass auch Abseits von Washington zahlreiche Möglichkeiten zur Profilierung bestehen.

Bill Clinton half seiner Frau erst in den Senat und dann fast zur Präsidentschaft, gründete eine Stiftung, die sich vor allem dem Kampf gegen HIV widmet, und vermittelte zwischendurch die Freilassung von amerikanischen Gefangenen in Nordkorea.

Jimmy Carter, der wohl erfolgreichste Ex-Präsident der Geschichte, warb nach Ende seiner Amtszeit für die Abschaffung der Todesstrafe, vermittelte in Nordkorea und im Nahostkonflikt und gewann so sogar den Friedensnobelpreis.

Vielleicht orientiert sich Bush in der Beurteilung seiner Chancen auf ein besseres Image aber eher an Richard Nixon, dessen Beliebtheit am Ende seiner Amtszeit ähnlich am Boden war.

Nixon versuchte sein durch Vietnamkrieg und Watergate-Skandal stark ramponiertes Ansehen in einer ausführlichen Interviewreihe mit dem für eher seichte Unterhaltung bekannten TV-Moderator David Frost wiederherzustellen. Doch das Ansinnen scheiterte fulminant: Frost rang Nixon am Ende des Interviewmarathons das Eingeständnis ab, seine Freunde, sein Land und die Menschen in Amerika hängengelassen zu haben.

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