US-Präsident Barack Obama:Das Echo der versöhnenden Töne

Der US-Präsident spielt wieder die Rolle, die ihm am besten liegt: als Mann, der die Nation eint. Wie es Barack Obama gelungen ist, die Mehrheit der Amerikaner wieder hinter sich zu versammeln - und sogar politische Gegner zu überzeugen.

Reymer Klüver

Das Lob kommt von gänzlich unerwarteter Seite. "Er macht vieles richtig", sagte Senator John McCain am Wochenende. Das ist neu. Der republikanische Präsidentschaftskandidat von 2008 hatte nach seiner Wahlniederlage, zutiefst verbittert, kaum je ein gutes Haar an Barack Obama gelassen. "Der Präsident", konstatiert McCain nun am Vorabend der in Washington mit Spannung erwarteten "State of the Union Adress", der alljährlichen Rede zur Lage der Nation, "hat sich schon sehr verändert."

Barack Obama

Der Präsident lacht wieder, so befreit hat man ihn lange nicht mehr gesehen. Doch Barack Obama weiß auch, dass sein Hoch in den Meinungsumfragen nicht viel wert sein wird, wenn die US-Wirtschaft nicht bald wieder in Fahrt kommt.

(Foto: AP)

Tatsächlich hat sich Obama, knapp ein Vierteljahr nach der verheerenden Niederlage seiner Demokraten bei der Kongresswahl, den neuen Verhältnissen angepasst - und ist überraschend schnell dafür belohnt worden. Den Umfragen zufolge ist die Hälfte der Amerikaner wieder mit seiner Amtsführung einverstanden. Erstmals seit einem halben Jahr überwiegen die positiven Bewertungen seiner Präsidentschaft. Das hat gleich mehrere Gründe. Zum einen rechnen die US-Bürger vor allem ihrem Präsidenten den Steuerkompromiss Ende vergangenen Jahres als Verdienst an, der die Steuererleichterungen der Bush-Jahre für alle Einkommensstufen fortschrieb und eine Verlängerung der Zahlungen für Langzeitarbeitslose durchsetzte. Zum anderen hat er erkennbar die Spar-Botschaft aufgegriffen, die wesentlich zum Wahlsieg der Republikaner beigetragen hat.

Die Amerikaner sind zutiefst verunsichert ob der gewaltigen Staatsverschuldung der USA. Deshalb fand der von den Republikanern und der Tea-Party propagierte Appell, die stetig gewachsenen Ausgaben der öffentlichen Hand zu beschneiden, enormen Widerhall bei den Wählern. "Wir müssen mit unseren Schulden verantwortungsbewusst umgehen und den Staat reformieren, damit er schlanker wird und besser geeignet fürs 21. Jahrhundert", sagte Obama nun in einer Videoansprache am Wochenende, die allgemein als Generalprobe für seine Rede zur Nation verstanden wurde. Zudem kommen ihm die zarten Anzeichen einer Erholung der amerikanischen Wirtschaft zugute.

Obama hat seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Republikanern demonstriert. Das honorieren die Amerikaner. Die Zahl derjenigen, die ihn als radikalen Linken weitab der parteipolitischen Mitte der Vereinigten Staaten sehen, ist in den vergangenen zwei Monaten um zehn Prozent gesunken. Vor allem aber hat sich Obama vor knapp zwei Wochen nach den Todesschüssen von Tucson als das erwiesen, was viele Amerikaner von ihrem Präsidenten erwarten - und was er im Wahlkampf versprochen hatte: als ein Mann, der die Nation zusammenführen kann und sich über den Parteienstreit erhebt. Das hat ihm enorme Pluspunkte bei den Amerikanern verschafft.

Den Blick nach vorn wenden

Auch in der Wirtschaftspolitik will er sich als Mann der Mitte positionieren, zwar zum Sparen fest entschlossen, aber doch als mäßigender Faktor, der die US-Bürger vor den allzu radikalen Sparvorstellungen der Republikaner schützt. Und - zur Hälfte seiner Amtszeit - will er den Blick nach vorn wenden: "In den vergangenen zwei Jahren mussten wir die Wirtschaft vor dem Sturz in den Abgrund retten", sagte er am Freitag, als er Jeffrey Immelt, den Boss des Industriegiganten GE, zu seinem neuen Wirtschaftsberater ernannte, "in den nächsten zwei Jahren ist es unsere Aufgabe, die Wirtschaft auf Hochtouren zu bringen."

Am Wochenende legte Obama nach. Seine erste Aufgabe - und das wird er an diesem Dienstag vor vermutlich mehr als 50 Millionen vor den Fernsehschirmen wiederholen - sei es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die US-Wirtschaft wettbewerbsfähig sei, "dass wir wachsen und Jobs schaffen, nicht nur für den Augenblick, sondern weit in die Zukunft hinein". Und dann fügte er mit einer gewaltigen Portion Patriotismus hinzu, die immer gut ankommt in Amerika: "Wir können wettbewerbsfähiger sein als jede Nation auf der Welt." Voraussetzung dafür sei es indes, dass mehr in die Bildung und Forschung und die (in Teilen wirklich marode) Infrastruktur des Landes investiert werde. Damit schlägt Obama einen deutlich anderen Ton an als die Republikaner, die lediglich von "cut and grow" reden - also von Einsparungen bei den Staatsausgaben und von Steuersenkungen, um der Wirtschaft das Wachstum zu erleichtern.

Natürlich gibt es bereits Stimmen, die sagen, dass er wie einst John F. Kennedy aus der Krise heraus den Blick der Nation nach vorn lenken will. Doch ein anderes präsidentielles Vorbild dürfte nicht nur zeitlich näher liegen, nämlich Bill Clinton. Obama wird an diesem Dienstag zwar am meisten über Jobs und die Wettbewerbsfähigkeit Amerikas reden, über den Abbau der Staatsverschuldung und über Wege aus der Wirtschaftskrise - doch die größte Aufmerksamkeit dürften zunächst einmal seine Worte zu den Todesschüssen von Tucson finden und sein Appell zur Versöhnung der Nation mit sich selbst. Er wird, wohl wie in seiner Videobotschaft vom Wochenende, seine Landsleute mahnen, "uns darauf zu konzentrieren, was uns als Volk verbindet". Genauso hatte Bill Clinton gesprochen, nachdem er in den Zwischenwahlen abgestraft worden war.

Nach einem solchen Satz Obamas dürfte auch John McCain dem Präsidenten Beifall spenden und sich von seinem Platz im US-Kongress erheben, wie es das Ritual will bei den Reden zur Nation. Bisher saßen Kongressabgeordnete und Senatoren stets nach Parteizugehörigkeit getrennt. Doch diesmal ist alles anders. 60 Abgeordnete sitzen, als Ausdruck des neues Geists der Kooperation, neben dem politischen Gegner. John McCain wechselt deshalb zu den Demokraten - für die Dauer der Rede.

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