US-Politiker Mike Dunafon:Einer gegen das Zwei-Parteien-Übel

Lesezeit: 4 min

Er will Gouverneur in Colorado werden: Der unabhängige Kandidat Mike Dunafon. (Foto: PR)

Die Bürger unfrei, die Parteien korrupt, die Gefängnisse überfüllt: Mike Dunafon leidet an Amerika und will als Gouverneur Colorado verändern. Im Wahlkampf setzt er auf die Hilfe von Rappern. Begegnung mit einem Einzelkämpfer.

Von Matthias Kolb, Denver

Die politische Karriere von Mike Dunafon begann vor einem Stripclub. 1998 versuchten die Beamten in Glendale, mit strengen Auflagen die Table-Dance-Bar "Shotgun Willie's" zu ruinieren. Dunafon war sauer und organisierte eine Protestaktion, die so erfolgreich war, dass er zum Bürgermeister des Vororts von Denver gewählt wurde. Dunafon engagierte sich nicht nur, weil "Shotgun Willie's" seiner Partnerin Debbie Matthews gehört - er ist der festen Überzeugung, dass der Staat seinen Bürgern so wenig wie möglich vorschreiben soll.

Dieser Impuls treibt den 60-Jährigen bis heute als Stadtoberhaupt von Glendale an und deswegen kandidiert er als Unabhängiger für das Amt des Gouverneurs in Colorado. "Amerikas politisches System funktioniert nicht mehr. Es gibt zwei Parteien, die so tun, also wären sie unterschiedlich, doch in Wahrheit sind sie sich so ähnlich", sagt er zu Süddeutsche.de.

Republikaner und Demokraten sind abhängig von Spenden der Industrie und einzelner Gönner, weshalb sie sich vor allem für deren Interessen einsetzen. So sieht das Dunafon. Der diesjährige Wahlkampf bricht wieder alle Rekorde: Parteien, Verbände und Unterstützer werden bis zum 4. November die absurd hohe Summe von knapp vier Milliarden Dollar für Werbung und Organisation ausgegeben haben.

Dunafon agiert anders. Er akzeptiert keinerlei Spenden von Unternehmen und will mit einem Budget von knapp 55 000 Dollar siegen. Dunafon setzt auf seine persönliche Geschichte: Der Nachfahre von Rodeo-Reitern wäre beinahe Football-Profi geworden und spielte 15 Jahre lang Rugby in der Karibik, bevor er Bürgermeister wurde. Seine Website bezeichnet ihn wenig bescheiden als "interessantesten Politiker der Welt". Im Wahlkampf setzt er auf Social Media, seine knapp 76 000 Facebook-Freunde, und die Unterstützung von prominenten Musikern. Den Song zur Wahlkampagne hat beispielsweise Hip-Hop-Star Wyclef Jean produziert.

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Auch Snoop Dogg hat sich als Dunafon-Fan geoutet und einen eigenen Remix von "Critical thinking for critical times" angefertigt.

Wyclef Jean und Snoop engagieren sich für Dunafon, weil er als einziger Kandidat die Legalisierung von Marihuana in Colorado unterstützt. Wenn das Legalisierungsexperiment hier klappt, dürften viele andere Bundesstaaten folgen. Der "Mittelfinger-Kandidat", wie ihn manche Medien nennen, prangert offen den "Irrsinn" an, dass Amerika so viele seiner Bürger wegsperrt - oft wegen Drogendelikten. "Ein Viertel aller Gefangenen weltweit sitzt in einem US-Gefängnis. Dabei stellen wir nur 2,8 Prozent der Weltbevölkerung", sagt Dunafon. Es gebe zu viele "for-profit-prisons", die dagegen ankämpfen würden, weiche Drogen zu legalisieren, weil sie Umsatz mit Gefangenen machen.

Während Mike Dunafon in Colorado die Themen Cannabis und individuelle Freiheit betont, setzen unabhängige Kandidaten im Rest des Landes andere Schwerpunkte. Sie alle erhalten immer mehr Zuspruch, weil viele Amerikaner ihren Politikern nicht mehr vertrauen und das Bombardement mit Negativwerbung und Wahlvideos leid sind. Die Zustimmungswerte für Republikaner ( 33 Prozent) und Demokraten ( 39 Prozent) sinken beständig.

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Viele Probleme für unabhängige Kandidaten

Anfang des Jahres bezeichneten sich 42 Prozent der Amerikaner als unabhängig, doch es ist keine landesweite dritte Partei in Sicht - und nicht immer treten Einzelkämpfer an. Mike Dunafon kann lange über die Schwierigkeiten erzählen, die er in den vergangenen Monaten erlebt hat.

Auf die Frage, wie seine Popularitätswerte in Colorado seien, antwortet er schlicht: "Ich weiß es nicht, denn kein Meinungsforscher erstellt eine Umfrage für mich. Die sagen mir im Geheimen: 'Wenn ich das mache, dann verliere ich die Demokraten und Republikaner als Kunden.' Deswegen konnte ich auch an den Debatten nicht teilnehmen - dort lag die Hürde bei zehn Prozent Zustimmung in den Umfragen."

Dunafon wirkt nicht beleidigt, der Widerstand stachelt ihn eher an: "Das ist natürlich nicht fair, aber ich glaube nicht an Fairness. Die anderen sind an der Macht und die muss ich stürzen." Je länger Dunafon spricht, umso deutlicher wird seine Weltsicht. Er war früher Republikaner und lässt sich heute am besten als Libertärer beschreiben. Er misstraut der Regierung in Washington, die viel zu weit weg sei, und ist ein kompromissloser Anhänger des Second Amendment: "Wir Bürger haben das Recht, Waffen zu tragen."

Er tritt ohne Wenn und Aber für die Homo-Ehe ein, denn der Staat solle sich nicht ins Privatleben der Bürger einmischen. "Bei meinen Treffen mit der gay community habe ich viele Lesben und Schwule getroffen, die sich Sorgen machen, dass Washington ihnen die Waffen wegnehmen will", sagt Dunafon. "Die Medien behaupten immer, alle Homosexuellen müssten zu hundert Prozent die Demokraten unterstützen, aber das stimmt nicht. Das Leben ist viel komplizierter.".

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In den Umfragen liegen der Demokrat John Hickenlooper und sein republikanischer Herausforderer Bob Beauprez in Colorado mit etwa 44 Prozent Kopf an Kopf. Doch das Team von Mike Dunafon stellt eine andere Rechnung auf. 2010 habe ein Unabhängiger gegen Hickenlooper bereits 37 Prozent geholt.

Bei niedriger Wahlbeteiligung, so argumentiert sein Wahlkampfleiter Patrick Guthrie, könnte es für Dunafon reichen, wenn er die Stimmen aller Bürger von Colorado bekäme, die einen Ausweis für den Kauf von medizinischem Marihuana hätten. Deren Zahl liege bei mehr als 100 000. "Wir wollen die erreichen, die sonst nie wählen gehen", sagt Guthrie. Der Zuspruch von Studenten, die wie viele Amerikaner von Obama frustriert sind ( Details hier), sei extrem positiv. Gerade bei jungen Leuten komme die Hilfe der Hip-Hop-Stars gut an, sagt Dunafon.

Die örtlichen Experten schätzen die Siegeschancen für den 60-Jährigen dennoch als "gering" ein. Der angeblich interessanteste Politiker der Welt hält sich mit diesen Spekulationen nicht auf. Er ist sich sicher, dass er vielen Mitbürgern eine Alternative gegeben hat: "Zu viele Amerikaner sind daran gewöhnt, dass sie sich bei Wahlen nur für das kleinere von zwei Übeln entscheiden können." Und jeder Achtungserfolg für einen independent könnte andere Bürger motivieren, ihren Teil beizutragen, dass Duopol aus Demokraten und Republikanern aufzubrechen.

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Linktipps:

  • Ein interessantes Porträt von Mike Dunafon erschien in der Denver Post
  • "Obamas unbekannter Herausforderer": 2012 forderte der Ex-Bürgermeister von Salt Lake City den US-Präsidenten heraus. Dieser Süddeutsche.de-Artikel beschreibt Andersons Motivation.
  • Kulturkampf um Hasch-Kekse zu Halloween: Wie die Legalisierung von Marihuana den Alltag in Colorado verändert, schildert dieser Artikel.
  • Alle Artikel von SZ und SZ.de rund um die US-Kongresswahl am 4. November finden Sie auf dieser Themenseite.
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