US-Politik:Was Barack Obama überhaupt noch erreichen kann

President Barack Obama Holds Press Conference

Präsident Obama am 18. Dezember bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus.

(Foto: dpa)

2016 wird der US-Präsident zur "lahmen Ente" und zum Wahlkämpfer. Eigenmächtig könnte Obama in Sachen Guantánamo und Waffengesetze Reformen umsetzen - und eine historische Reise antreten.

Von Matthias Kolb, Washington

Als Barack Obama mit seiner Familie zum alljährlichen Weihnachtsurlaub nach Hawaii fliegt, ist er zufrieden. Kurz zuvor hatte die Welt in Paris ein ambitioniertes Klima-Abkommen abgeschlossen und der US-Präsident sagte voller Pathos: "Ich stelle mir vor, wie ich mit meinen Enkeln einen Sonnenuntergang anschaue. Dabei werde ich wissen, dass die künftigen Generationen saubere Luft und sauberes Wasser haben werden. Was kann es Wichtigeres geben?"

Der Klima-Deal ist ein großer Erfolg für Obama, für den er nicht auf die Republikaner und den US-Kongress angewiesen ist. Per Dekret hatte er bereits die Keystone-Pipeline abgelehnt und strengere CO₂-Emissionen für US-Kohlekraftwerke angeordnet. Mit dem Rest der Welt für saubere Luft zu kämpfen, diese Führungsrolle mag der Demokrat - er könnte der Öl- und Autoindustrie weitere Auflagen machen.

Obama selbst gab sich in der Abschluss-Pressekonferenz "optimistischer denn je", doch auch ein US-Präsident ist getrieben von Entwicklungen, die er nicht beeinflussen kann. Und dass er im Kampf gegen den IS nicht nur in den Augen vieler Republikaner zu wenig leadership zeigt, ist die andere Geschichte des siebten Jahres von Obamas Amtszeit.

Die Rede, mit der er sein verunsichertes Volk nach Paris und San Bernardino beruhigen will, illustriert das Dilemma. Zwar steht Obama hochsymbolisch im Oval Office, doch er bietet nichts Neues. Er verkündet nur, was er nicht tun werde und dass er die USA aus einem weiteren Krieg in Nahost heraushalten wolle. Also schimpfen die Republikaner über den "Schwächling im Weißen Haus", während die Demokraten ihn pflichtschuldig verteidigen. Dies wird in Europa oft übersehen: Obama ist zwar ein glänzender Rhetoriker, aber er überzeugt im polarisierten Amerika nur noch jene, die seine Meinungen teilen.

Fünf Themen, die dem Präsidenten wichtig sein dürften

Also sollte niemand allzu viel von seiner letzten "Rede zur Lage der Nation" erwarten, die Obama am 12. Januar 2016 halten wird. Traditionell werden in einem Wahlkampfjahr wenig neue Gesetze initiiert, damit der neue Präsident mehr Spielraum hat - und weil der Amtsinhaber mit jedem verstreichenden Tag an Macht verliert. Doch auch als lame duck kann Obama Akzente setzen - und dem 54-Jährigen werden wohl diese fünf Themen wichtig sein.

  • Lässt sich das Lager auf Guantánamo per Dekret schließen? Es scheint völlig offen, ob Obama sein Wahlversprechen doch noch erfüllt und das "schandvolle" Gefangenenlager auf Kuba schließt. Nicht nur die New York Times argumentiert, dass der Präsident dies per Dekret anordnen könnte: Das Lager nütze nur der IS-Propaganda und schade dem Ansehen der USA - und in den 14 Jahren seines Bestehens wurden fünf Milliarden Dollar ausgegeben. Die etwa 100 Gefangenen müssten dann aufs US-Festland transferiert werden - ein Schritt, den die Republikaner im Kongress vehement ablehnen (per Gesetz müssen die Abgeordneten 30 Tage vor einer Verlagerung informiert werden). Sollte Obama es dennoch tun, würde er sein Recht, als Präsident Fakten zu schaffen, extrem ausreizen. Die Entscheidung wird dem Juristen Obama schwerfallen: Einerseits könnte er etwas "Unamerikanisches" beenden. Andererseits würde er einen Präzedenzfall schaffen, auf den sich künftige Republikaner-Präsidenten berufen können, wenn sie sich über - demokratische - Mehrheiten im Kongress hinwegsetzen.
  • Historische Reise nach Havanna. Ende 2014 erklärte Obama, dass die USA wieder diplomatische Beziehungen mit Kuba aufnehmen sollten. Mittlerweile gibt es offizielle Botschaften in beiden Staaten und Obama hat die Hoffnung, dass er noch als US-Präsident nach Havanna reisen kann. Im Interview mit ABC News berichtet er, dass Präsident Castro eine Bedingung gestellt habe: "Ich reise nur, wenn ich Demokratie-Aktivisten treffen kann. Ich will mit jedem reden können." Ein solcher Besuch - zuletzt reiste 1928 Calvin Coolidge als US-Präsident nach Kuba - würde die passenden Bilder für diese bemerkenswerte Kehrtwende liefern und an etwas erinnern, was Obama bei seiner Amtseinführung gesagt hat: "Wenn Länder den Willen zeigen, ihre Faust zu öffnen, dann werden sie unsere ausgestreckte Hand finden."

Zum Ende der zweiten Amtszeit konzentrieren sich US-Präsidenten gern auf die Außenpolitik - Bill Clinton setzte alles daran, den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern voranzutreiben. Hier wird sich Obama wohl kaum persönlich engagieren, denn mit Premier Benjamin Netanjahu verbindet ihn eine gegenseitige tiefe Abneigung.

Sein Image als Präsident wird auch beeinflussen, ob der US-Kongress das transpazifische Freihandelsabkommen TPP akzeptiert, für das Obama ständig wirbt. Ansonsten werden das Verhältnis zur aufstrebenden Supermacht China, die Rivalität mit Russlands Präsident Putin und die Lage in der Ostukraine sowie der Kampf gegen die IS-Dschihadisten viel von Obamas Zeit in Anspruch nehmen.

Und da langfristige Lösungen wohl nicht zu erwarten sind, wird sich sein Nachfolger - oder seine Nachfolgerin - vom 20. Januar 2017 an genau mit diesen Themen beschäftigen müssen.

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