Süddeutsche Zeitung

Demokraten im US-Kongress:Wieder mächtig

  • Der neue US-Kongress hat seine Arbeit aufgenommen, die neue Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, fordert Transparenz als "Gebot der Stunde".
  • Am Abend verabschiedete das House einen Haushaltsentwurf - da er kein zusätzliches Geld für die von Präsident Trump gewünschte Mauer enthält, wird er den Senat allerdings nicht passieren.
  • Die Parlamentsarbeit steht im Zeichen der Präsidentschaftswahlen 2020 - vor allem für die Demokraten.

Von Johannes Kuhn, Austin

Im Alltag stehen sich Republikaner und Demokraten gerne mit dem Gebaren zweier Messerbanden gegenüber. Doch wenn ein neuer Kongress die Arbeit aufnimmt, legt sich für einen Tag zeremonielle Geschmeidigkeit über das politische Washington.

Und so mangelte es auch am Donnerstag, als die Demokraten offiziell die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernahmen, weder an Feierlichkeit, noch an Bekenntnissen zur Zusammenarbeit. "Wir werden gute Ideen debattieren und vorantreiben, egal woher sie kommen", versprach die frischgewählte Sprecherin Nancy Pelosi.

Nun gehört das Antäuschen von Kompromissbereitschaft im dysfunktionalen Washington inzwischen eher zum Standardrepertoire als echte Kooperation. Doch für die 78-jährige Demokratin und ihre Fraktion stellt sich tatsächlich die Frage, wie sie sich in den kommenden beiden Jahren präsentieren. Als parlamentarische Ermittler gegen Donald Trump? Als demokratische Barriere gegen die Republikaner? Als lösungsorientierte Volksvertreter? Oder alles zusammen, irgendwie?

Der US-Präsident, in Pelosis Rede namentlich nicht erwähnt, ist der Elefant im Raum - oder vielmehr am anderen Ende der Pennsylvania Avenue, die Kapitol und Weißes Haus verbindet.

Pelosi erwähnt Trump mit keinem Wort

2020 steht Trump zur Wiederwahl, die Parlamentsarbeit wird im Schatten des Wahlkampfs stehen. Zumal im Senat, der Gesetzen ebenfalls zustimmen muss, die Republikaner die Mehrheit besitzen. Preisbremsen bei verschreibungspflichtigen Medikamenten und ein kleines Infrastrukturprogramm gelten als mögliche lagerübergreifende Projekte. Viel mehr Gemeinsamkeiten finden sich nicht.

Pelosi erwähnte Trump in ihrer Rede mit keinem Wort, und doch war ihre Botschaft auch an ihn gerichtet. Transparenz sei das "Gebot der Stunde", erklärte sie. Die Demokraten leiten nun verschiedene Ausschüsse, die den US-Präsidenten zur Herausgabe von Dokumenten zwingen, Einsicht in den E-Mail-Verkehr der Regierung verlangen und Regierungsmitarbeiter vorladen können.

Eines der ersten Gesetze, das die Demokraten einbringen wollen, soll Präsidenten und deren Stellvertreter dazu verpflichten, ihre Steuererklärungen der vergangenen zehn Jahre zu veröffentlichen. Trump hatte sich geweigert, dies zu tun.

"Sie werden Vorladungen wie aus einem Maschinengewehr feuern", prognostizierte Matt Bennett, Mitgründer der zentristisch ausgerichteten demokratischen Denkfabrik "Third Way", im Gespräch mit dem Economist. Schon in wenigen Wochen könnten die ersten Untersuchungen zu Trumps Geschäften, seinem Verhältnis zu Russland oder den umstrittenen Vorgängen in Behörden wie dem Umweltministerium beginnen.

Bekenntnis zur Politikreform

Das Gesetzespaket, das die Demokraten am Freitag vorstellen wollen, ist auch als Bekenntnis zu einer Politikreform zu verstehen. Es sieht neben der Steuererklärungs-Herausgabe eine staatliche Verdopplung von politischen Kleinspenden, automatische Wählerregistrierungen, Wahlrecht für ehemalige Häftlinge und unabhängige Entscheidungen über den Zuschnitt von Wahlkreisen vor. Die Chancen einer Verabschiedung im Senat sind gering, doch die Botschaft zielt bereits auf 2020: Amerikas Demokratie ist kaputt - und die Demokraten wollen sie reparieren.

Allerdings zeigte bereits der erste Tag dieser neuen Ära, dass dieser Botschaft nicht so einfach Aufmerksamkeit zu verschaffen ist. Der US-Präsident, der als Kandidat und in seiner Amtszeit anderen Themen gekonnt den Sauerstoff abgesaugt hat, hält den Haushaltsstreit und die Debatte um die Grenzmauer zu Mexiko in den Schlagzeilen.

Pelosi wird auch hier eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen zukommen. Am späten Donnerstagabend verabschiedete das Repräsentantenhaus einen Haushaltsentwurf, der kein zusätzliches Geld für die Mauer, wohl aber für den Grenzschutz bereitstellt. Trump lehnt das ab, der republikanische Senatsführer Mitch McConnell wird den Entwurf nicht zur Abstimmung vorlegen. Der Haushaltsnotstand könnte noch Wochen anhalten.

Das lästige "I-Wort"

Am Donnerstag kursierte auch wieder das gefürchtete "I-Wort". Impeachment nennt sich das Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten. Das Repräsentantenhaus kann es einleiten, doch der Senat fällt das Urteil. Der kalifornische Abgeordnete Brad Sherman brachte zum zweiten Mal seit 2017 seinen Impeachment-Gesetzentwurf ein. Chancen auf Verabschiedung hat er nicht, doch in der demokratischen Basis gibt es den Wunsch, Trump mit diesem stärksten aller Werkzeuge zu bekämpfen. Allerdings könnte sich dies mit Blick auf die Wahl 2020 noch als Eigentor entpuppen.

Pelosi, von den Republikanern als Lieblingsfeindbild auserkoren, übernimmt nun bereits zum zweiten Mal seit 2007 (damals bis 2011) die Mehrheitsführung. Zuletzt gelang eine solche Rückkehr ins Amt in den 1950ern dem texanischen Demokraten Sam Rayburn, der insgesamt 17 Jahre Mehrheitsführer war.

Pelosi, die bislang einzige Frau in dieser Position, wird diese stattliche Amtszeit nicht erreichen: Um die Zustimmung von Abweichlern in der Fraktion zu gewinnen, hatte sie angekündigt, sich 2022 zurückzuziehen. Sollte Donald Trump in zwei Jahren wiedergewählt werden, könnte das schon früher passieren.

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