Zu den Seltsamkeiten, die sich der republikanische Senator Bob Corker in den vergangenen Tagen anhören musste, gehören die Aussagen von Kellyanne Conway. Wer so twittere wie Corker, sagte die Beraterin von Donald Trump auf dessen Lieblingssender Fox News, Corker handele "unfassbar unverantwortlich". Corkers Tweets müssten zu den Beleidigungen addiert werden, die der Präsident von Medien und Gegnern erfahre. Sie alle könnten offenbar auch ein Jahr nach Trumps Wahlsieg nicht akzeptieren, wer nun im Weißen Haus sitze.
Als wenn es darum noch ginge.
Es ist in einem Streit manchmal nicht leicht, zu erkennen, wer angefangen hat. Wenn es allerdings um Trump geht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er nicht unschuldig ist. Wie auch in diesem Fall: Am Sonntagmorgen hatte Trump getwittert, Corker habe ihn "angefleht", ihm seine Unterstützung zuzusichern. Andernfalls sei er 2018 bei seiner Wiederwahl chancenlos. Er habe aber "NEIN" gesagt, brüstet sich der Präsident auf Twitter.
Wie er darauf kommt, ist schleierhaft. Corker will nach zwölf Jahren im Senat ohnehin nicht wieder antreten. Das hatte er bereits im September angekündigt. Sein Büroleiter hat jetzt erklärt, tatsächlich habe Trump Corker gebeten, doch bitte weiterzumachen.
Auslöser für Trumps Twitter-Attacke war wohl die sonntägliche Politik-Show auf Fox News: Dort wurde eine Aussage Corkers vom Mittwoch wiederholt, wonach es nur Außenminister Rex Tillerson, Verteidigungsminister James Mattis und Stabschef John Kelly zu verdanken sei, "Chaos in der US-Außenpolitik" zu verhindern. So etwas hört Trump nicht gern.
Ohne den Präsidenten namentlich zu erwähnen, twittert Corker anschließend: "Es ist eine Schande, das Weiße Haus wird immer mehr zu einer Kindertagesstätte für Erwachsene. Und irgendwer hat offensichtlich seine Schicht verpasst an diesem Morgen."
Stunden später sagt Corker der New York Times, ihn beunruhige, dass Trump im Oval Office sitze. Und: dies "sollte jeden beunruhigen, der sich um unsere Nation sorgt". Trump, wie Corker ein Republikaner, riskiere mit seinen "tollkühnen Drohungen" gegen andere Länder, die USA "in einen Dritten Weltkrieg" zu führen. Corker muss Nordkorea nicht nennen, alle wissen, was er meint. Corker sagte in dem Telefonat mit der New York Times, er wisse mit Gewissheit, dass im Weißen Haus alle nur daran arbeiten würden, Trump irgendwie unter Kontrolle zu halten. Trump führe das Land wie eine "Reality Show".
Am diesem Dienstag schlägt Trump zurück. Wieder via Twitter. Er nennt den Senator nur noch den "kleinen Bob Corker". Die New York Times habe "Liddle' Bob Corker" aussehen lassen wie einen "Dummkopf", schreibt Trump. "Und mit sowas muss ich mich herumschlagen."
Warum Corker so mächtig ist
Der 65-jährige Bob Corker ist nicht irgendwer unter den konservativen Senatoren. Der Mann aus Tennessee leitet den Auswärtigen Ausschuss. Er hat damit eine Schlüsselposition inne, etwa wenn es um die Besetzung des Außenministers geht. Es wird bereits spekuliert, dass noch vor Weihnachten ein Ersatz für Amtsinhaber Rex Tillerson gesucht werden muss. Tillerson soll mit Trump über Kreuz liegen und den Präsidenten im Juli einen "Moron" genannt haben. Wer das mit "Trottel" übersetzt hat, der hat noch eine der harmloseren Bedeutungen des Wortes aus dem Lexikon gefischt. Tillerson hat diese Wortwahl bisher nicht dementiert. Sondern vergangene Woche lediglich erklärt, dass er bisher nicht an einen Rücktritt gedacht habe. Corker lobte Tillerson danach als Teil jener Gruppe, die garantiere, dass zumindest das gröbste Unheil verhindert werde.
Trump geht ein hohes Risiko ein, wenn er Leute wie Corker vergrätzt - seine Partei hat mit 52 von 100 Sitzen nur eine knappe Mehrheit im Senat. Vier Gründe sprechen dafür, dass sich Trump mit Corker verhoben hat:
- Der größte Trumpf des erfahrenen Außenpolitikers ist: Er hört Ende 2018 auf. Corker braucht den Präsidenten also nicht für eine mögliche Wiederwahl-Kampagne. Er kann frei reden und ohne falsche Rücksichtnahme vorgehen.
- Sollte Tillerson doch hinwerfen und Trump einen neuen Außenminister bestimmen müssen, kann Corker den Nominierungsprozess massiv verlangsamen oder gar unmöglich machen. Er kann Kandidaten, die ihm nicht genehm erscheinen, ins Leere laufen lassen. Und neue Vorschläge einfordern.
- Corker hat zudem feste Überzeugungen, wenn es um die Verschuldung des Landes geht. Er wird keine Steuerreform unterstützen, die die Neuverschuldung der USA erhöht. Trump kann sich nur zwei Abweichler im Senat erlauben, um eine Steuerreform durchzusetzen. Sonst scheitert er ebenso wie mit dem Versuch, die als "Obamacare" bekannte Reform der Krankenversicherung seines Vorgängers abzuschaffen.
- Corker ist für Trump wichtig, wenn der tatsächlich das internationale Atomabkommen mit Iran aufkündigt. Danach ist nämlich der Kongress am Zug und muss über weitere Sanktionen entscheiden. Corker spielt als Chef des entsprechenden Ausschusses eine wichtige Rolle. Zu Obamas Zeiten hat er dafür gesorgt, dass der Kongress in der Sache ein Mitspracherecht bekommt. Corkers Bedeutung scheint dem Polit-Neuling Trump nicht ganz klar zu sein: In einem weiteren Tweet macht Trump Corker alleine dafür verantwortlich, dass das Abkommen damals in Kraft treten konnte.
Es ist also keine gute Idee, sich einen Mann wie Corker zum Gegner zu machen. Manche sagen, Corker hat im Senat deutlich mehr Freunde als Trump. Trotzdem machen der US-Präsident und seine Unterstützer aus der Sache jetzt eine persönliche Angelegenheit: Der frühere Trump-Vertraute Jason Miller legt Corker am Montag auf CNN nahe, doch bitte zurückzutreten, wenn er den Präsidenten nicht unterstützen wolle. Die gleiche Forderung erhebt Trumps ehemaliger Chefstratege im Weißen Haus, Steve Bannon.
Corker ist keineswegs der erste Republikaner, der Trumps Twitter-Wut zu spüren bekommt. Zu seinen Opfern gehörte etwa der Senator John McCain, dessen Gegenstimme letztlich den Ausschlag gab, dass Obamacare weiter in Kraft ist. Oder der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell. Ihn machte Trump persönlich für die Obamacare-Pleite verantwortlich.
Manche fragen sich, ob Trump einen höheren Plan verfolgt, wenn er sich mit genau denen anlegt, die er für politische Erfolge braucht. Es scheint fast so, als wolle er unbedingt verhindern, dass irgendetwas zustande kommt, nur um dann "die Politiker in Washington" dafür verantwortlich zu machen, dass nichts vorangeht. Wenn Trump daran interessiert ist, das politische System der USA zu Fall zu bringen, dann ist er auf dem richtigen Weg.
Die Theorie passt zu den Untergangs-Phantasien, die Steve Bannon entwickelt hat. Erst muss das System in sich zusammenbrechen, bevor aus den Trümmern etwas Neues aufgebaut wird. Bannon, der zu seinem ultrarechten Medium Breitbart zurückgekehrt ist, arbeitet konsequent an der Umsetzung seines Plans. Er hat schon Listen mit republikanischen Senatoren erstellt, die nicht voll auf Trumps Linie sind. Gegen die will er zu den Kongresswahlen 2018 stramm rechte Gegenkandidaten installieren, die im Kongress alles und jeden blockieren würden.
Bob Corker glaubt nicht an solche Pläne. Er hält Trump schlicht für unfähig. Dabei war Corker nicht immer ein Gegner des ehemaligen Reality-TV-Stars. Im Wahlkampf war er früh auf Trumps Seite und wurde sowohl als möglicher Vizepräsident sowie als potenzieller Außenminister gehandelt. Je länger aber Trump im Amt ist, desto mehr wachsen in Corker die Zweifel.