Süddeutsche Zeitung

US-Politik in Syrien:Für Trumps rechte Wähler heißt "America First": Syrien sollen andere machen

Doch der US-Präsident braucht für die Kongress-Wahlen im Herbst auch Stimmen aus der Mitte. Diesen Wählern hat er bisher nicht viel anzubieten. Härte gegen Russland und Assad könnte ein Anfang sein.

Kommentar von Thorsten Denkler, New York

Es war dann doch ein eher zurückhaltender Vergeltungsschlag, den die USA, Großbritannien und Frankreich in der Nacht zu Samstag gegen Syrien gerichtet haben. Zumindest gemessen an dem verbalen Getöse, mit dem US-Präsident Donald Trump die Woche über versucht hat, die Stimmung anzuheizen. Ein "Monster" sei der syrische Machthaber Baschar al-Assad, ein "mit Gas tötendes Tier". Er und sein Verbündeter Russland sollten schon mal die "schönen, neuen und klugen" Raketen erwarten, die bald auf Syrien zukämen.

Es ist immer ein Fehler, Menschen wie Assad zu entmenschlichen. Wer das tut, der macht es sich zu einfach. Und lenkt ab, von der eigenen Verantwortung für das Desaster, dass auch die USA in Syrien und in der Region angerichtet haben. Angefangen mit Bushs Irak-Krieg, über Obamas Schlingerkurs im Kampf gegen den IS und gegenüber Syriens Herrscher Assad. Und das Versagen der USA setzt sich fort mit Trumps Unfähigkeit und Unwillen, eine kohärente Strategie für die Region zu entwickeln. Es sei nur daran erinnert, dass er vor etwas über einer Woche erst den sofortigen, dann den baldigen Abzug der US-Truppen aus Syrien angeordnet hat. Ein paar Tage später lässt er Raketen auf das Land feuern. Da passt zu viel nicht zusammen.

Assad ist ein schlechter Mensch. Ein gnadenloser Mörder. Nach Berichten aus der syrischen Stadt Duma, über die Assad vergangenen Samstag sehr wahrscheinlich Giftgas vom Typ Chlorin abwerfen ließ, starben dort Babys und kleine Kinder in den Armen ihrer Mütter. Schaum vor dem Mund, die Augen weit aufgerissen. Und Fassbomben auf Krankenhäuser führten offenbar dazu, dass den schwerverletzten Überlebenden nicht geholfen werden konnte. Wer so seinen Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt, der darf nicht ungestraft davonkommen.

Assad wird noch genug Gas für weitere Angriffe haben

Drei Ziele haben die USA, Großbritannien und Frankreich angegriffen: Eine Forschungseinrichtung, in der angeblich an Giftgas gearbeitet wurde. Und zwei vermeintliche Giftgaslager. Es gibt noch mehr Orte in Syrien, die mit der Herstellung und Lagerung von Giftgas in Verbindung stehen. Assad wird also genug Gas für weitere Angriffe haben. Aber Assad wird, so er denn in Damaskus war vergangene Nacht, gehört haben, wie die Raketen der Koalition in die Forschungsstätte eingeschlagen sind, die sich in der syrischen Hauptstadt befindet. So nahe sind ihm westliche Raketen bisher noch nicht gekommen.

Ob ihn das beeindruckt, hängt stark davon ab, ob Russland und Iran beeindruckt sind. Und ob die Dreierkoalition aus USA, Großbritannien und Frankreich glaubhaft machen kann, dass sie jederzeit wieder zuschlagen wird, wenn Assad den erneuten Versuch unternehmen sollte, Giftgas einzusetzen.

Nur dann kann der Vergeltungsschlag helfen, eine rote Linie wieder sichtbar zu machen, die für Assad längst obsolet geworden ist. Giftgas ist für ihn zu einer Waffe der Wahl geworden. Seit Assad 2013 seine Giftgasbestände angeblich vernichtet hat, hat er mutmaßlich über 50 Mal Giftgas gegen seine Bevölkerung eingesetzt.

Trump muss auf seine Wählerbasis Rücksicht nehmen

Dass die Botschaft der vergangenen Nacht nicht noch deutlicher ausgefallen ist, dass nicht gleich alle mutmaßlichen Giftgasstätten zerstört worden sind, das dürfte an den innenpolitischen Gegebenheiten in den USA liegen. Auf Trumps Lieblingssender Fox News wird seit Tagen vehement gegen eine US-Beteiligung an einem Militärschlag gegen Syrien agitiert. Fox News ist Trumps ständiger Seismograph für das, was seine Kernwählerschaft will. Und Trumps rechte Wählerbasis will nicht länger dulden, dass Amerikaner irgendwo jenseits des Atlantiks Kriege führen. "America First" heißt für sie auch: Lasst sie doch verrecken!

In den sozialen Medien empören sich seine Anhänger bereits zu Tausenden über die Militäroperation. Sie fühlen sich von Trump betrogen, der vergangene Woche noch versprochen hat, es sollten sich jetzt "andere" um Syrien kümmern.

Trump aber hat im November die wichtigen Halbzeit-Wahlen zu bestehen, in denen der Kongress großteils neu zusammengesetzt wird. Diese Wahlen kann er nicht allein am rechten Rand gewinnen. Er braucht Wechselwähler der Mitte. Er hat ihnen nach jetzt über einem Jahr im Amt nicht besonders viel anzubieten. Härte gegen Assad und Russland in einer Koalition mit den alten Waffenbrüdern Großbritannien und Frankreich könnte da ein Anfang sein. Wenn ihn das auf einen halbwegs verlässlichen Kurs bringt, der der Diplomatie Vorrang gibt, wäre das ein Fortschritt. Aber kann er das? Wahrscheinlich nicht.

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