Die Sprecherin von US-Präsident Donald Trump beeilte sich am Montag, ihren Chef aus der Schusslinie zu bringen. Trump habe mit dem Rücktritt des stellvertretenden FBI-Chefs Andrew McCabe nichts zu tun gehabt, sagte Sarah Huckabee Sanders. Was in etwa so wahr ist wie ihre Feststellung, Umfrage nach Umfrage würde zeigen, dass die Russland-Affäre "niemanden" im Land interessiere. Die Umfragen, die es dazu gibt, zeichnen ein deutlich anderes Bild. Aber das ist eine andere Geschichte.
McCabe jedenfalls, berichtet die New York Times, will deutlichen Druck gespürt haben, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Und Donald Trump gehört zu denen, die McCabe immer wieder persönlich angegriffen haben. Für Trump ist er der personifizierte Beweis, dass das FBI nichts anderes im Schilde führt, als ihm, Donald Trump, zu schaden.
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Als Grund führt Trump einem Bericht zufolge an, dass er Mueller nicht für unvoreingenommen hält - unter anderem wegen eines Streits über seine Mitgliedschaft in einem Trump-Golfclub. Besonders brisant: Mueller soll den US-Präsidenten demnächst zur Russland-Affäre befragen.
Dass Trump sich so auf McCabe einschießen konnte, hat aber auch mit McCabe zu tun. Seine Frau Jill war 2015 als Kandidatin der Demokraten für den Senat von Virginia angetreten und Vertrauten der Clinton-Familie finanziell unterstützt worden. Gewählt wurde sie trotzdem nicht. Ein Jahr später hat sich McCabe erst wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl im November 2016 aus den FBI-Ermittlungen zur E-Mail-Affäre von Hillary Clinton zurückgezogen. Das machte alles in allem keinen guten Eindruck.
Unter FBI-Chef James Comey blieb McCabe dennoch, was er seit Februar 2016 war: stellvertretender Chef der Behörde. Als Trump im Mai 2017 Comey feuerte, verhinderte er nicht, dass McCabe geschäftsführend den Platz von Comey einnahm. Erst drei Monate später konnte Trump Christopher Wray als neuen FBI-Boss installieren. Es brauchte etwas Zeit, bis sich jemand fand, der unter Trump das FBI führen wollte.
Wray steht seitdem erheblich unter Druck, Trumps Versprechen einzulösen, im FBI aufzuräumen. Mehrfach hatte Trump vor allem McCabe namentlich als Kandidaten für einen Rauswurf genannt. Wray aber blieb standhaft. Wie jeder andere neue FBI-Chef hätte auch er sich von Beginn an ein eigenes Führungsteam zusammensuchen können. Tat er aber nicht. Womöglich auch, um Trump zu signalisieren, dass das FBI nicht unter der Kontrolle des Präsidenten steht.
Mit McCabe handelte Wray aber offenbar einen Deal aus: Der könne noch bis Mitte März 2018 im Amt bleiben. Ab dem Zeitpunkt kann McCabe nämlich ohne finanzielle Abstriche in Pension gehen. Schon im Dezember berichtete die Washington Post von dem Plan. Dass der aber jetzt schon, Ende Januar, verkündet wird, ist dann doch überraschend. Zwar hat sich der Plan im Kern nicht geändert. Aber die Ankündigung von McCabe können Trump und seine Leute als kleinen Sieg aussehen lassen, in ihrem Bemühen den Washingtoner Sumpf auszutrocknen.
Mit dem Abgang von McCabe aber scheinen sich die Gegner des FBI nicht zufriedengeben zu wollen. Am Montagabend beschloss der Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses mit republikanischer Mehrheit, ein selbstverfasstes Memorandum mit als geheim eingestuften Informationen über das FBI zu veröffentlichen. Und zwar gegen den deutlichen Rat des Justizministeriums, das die Aufsicht über das FBI hat. Eine Veröffentlichung sei über alle Maßen "unverantwortlich", hieß es in einer Stellungnahme. Einen derartigen Versuch, als geheim klassifizierte Informationen öffentlich zu machen, hat es in der mehr als 40-jährigen Geschichte des Ausschusses nicht gegeben.
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Trump könnte noch sein Veto gegen die Veröffentlichung einlegen. Aber auch er scheint sehr interessiert daran zu sein, dass jeder das Papier lesen kann. Weil es nämlich - zumindest in der Fassung der Republikaner - den Verdacht mancher Konservativer untermauert, das FBI sei von Demokraten unterwandert.
Es wird berichtet, in dem Papier gehe es um Abhörmaßnahmen des FBI gegen einen früheren Mitarbeiter in Trumps Wahlkampfteam, Carter Page. Dieser soll verdächtig enge Kontakte zu russischen Regierungsvertretern gehabt haben, er soll gar ein russischer Agent sein.
Das FBI habe seine Macht missbraucht, behaupten die Republikaner jetzt. Als die Behörde sich 2016 die richterliche Erlaubnis für die Überwachung von Page eingeholt habe, sei nämlich verschwiegen worden, woher die Informationen stammten, die dem Verdacht gegen Page zugrunde lagen: Die Quelle soll der frühere britische Geheimagent Christopher Steele ein. Der wiederum soll seine Informationen im Auftrag der Demokraten zusammengetragen habe.
Die Republikaner im Geheimdienstausschuss scheinen jedoch selbst ein paar Dinge zu unterschlagen. Das FBI soll sich nach Medienberichten mitnichten allein auf die Erkenntnisse von Steele gestützt haben. Sondern viele andere Geheimdienstquellen in Anspruch genommen haben, um den strengen Vorgaben des Gesetzes Rechnung zu tragen. Die Demokraten haben deshalb ein eigenes Memorandum erstellt, das dies klarstellen würde. Sie hoffen jetzt, dass es die republikanische Mehrheit im Ausschuss und anschließend Trump im Weißen Haus zur Veröffentlichung freigeben. So wie jetzt wohl das Memorandum der Republikaner.
Was das Memorandum der Republikaner aber aus einer ganz anderen Sicht noch interessant macht, ist der Umstand, dass darin offenbar der stellvertretende Justizminister Rod Rosenstein in Misskredit gebracht wird. Der hatte kurz nach seinem Amtsantritt im vergangenen Frühjahr höchstselbst einer Verlängerung der Überwachung von Page zugestimmt, was in dem Memorandum der Republikaner ausdrücklich erwähnt wird. Und sicher nicht, um Rosenstein zu helfen. Rosenstein wird so zu einem Teil der von manchem Republikaner vermuteten Weltverschwörung gegen Trump. Andererseits lässt die Verlängerung der Überwachung vermuten, dass im Justizministerium erhebliche Zweifel an der Unschuld des früheren Trump-Mitarbeiters bestehen.
Zwischen Trump und Rosenstein stehen die Dinge ohnehin nicht zum Besten. Rosenstein ist Trump spätestens ein Dorn im Auge, seit der den als völlig unbestechlich geltenden früheren FBI-Chef Robert Mueller zum Sonderermittler in der Russland-Affäre ernannte. Und Rosenstein dürfte Trump nachtragen, dass dieser ihn zwingen ließ, dem damaligen FBI-Chef Comey ein vernichtendes Zeugnis über dessen Performance in Clintons E-Mail-Affäre auszustellen.
Auf Grundlage dieses Zeugnisses empfahl Justizminister Jeff Sessions dann dem Präsidenten, Comey zu feuern. Was dieser sehr gerne tat. Ein abgekartetes Spiel, wie sich später herausstellte. Und den Verdacht erhärtete, Trump behindere die Justiz in ihrer Arbeit. Rosenstein, wird berichtet, habe sich benutzt gefühlt. Jetzt führt er die Aufsicht über die Russland-Untersuchung seines Sonderermittlers Mueller. Sehr zum Missfallen von Trump.
Republikaner glauben an eine "geheime Gesellschaft" innerhalb des FBI
Die Republikaner versuchen noch an einer anderen Front, die Glaubwürdigkeit des FBI zu unterminieren. Sie beschäftigen sich gerade intensiv mit Tausenden von Textnachrichten, die zwei führende FBI-Mitarbeiter miteinander im Wahlkampf 2015/16 und danach ausgetauscht haben. FBI-Ermittler Petzer Strzok soll etwa gegenüber der FBI-Juristin Lisa Page mehrfach erwähnt haben, was für ein "Idiot" Trump doch sei. Die beiden hatten eine Affäre, haben also recht offen miteinander gesprochen und mit ihren politischen Ansichten nicht hinterm Berg gehalten.
Für besondere Aufregung sorgte im Laufe der vergangenen Woche, dass Page am Tag nach der Wahl den Begriff "Secret Society" benutzt habe, geheime Gesellschaft. Manche Republikaner scheinen jetzt felsenfest davon überzeugt zu sein, dass es im FBI tatsächlich eine konspirative "geheime Gesellschaft" gebe. Von Demokraten gesteuert natürlich, die nichts anderes im Schilde führten, als Trump und seine Regierung zu sabotieren.
Wer aber die Textnachricht im Zusammenhang liest, der kann nur zu dem Schluss kommen, dass die Verwendung des Begriffes scherzhaft gemeint war, sagen Personen, denen die Nachrichten vorliegen. So berichtet es die New York Times. Demnach seien in jenem Ermittler-Team des FBI, dass damals die Russland-Affäre untersuchte, nach der Wahl Jahreskalender mit Russland-Bezug verteilt worden. Ein Scherz, um die Stimmung etwas aufzuhellen.
Strzok und Page gehörten dem Team an. Auf die Verteilung dieser Kalender hatte Page dann Bezug genommen. Und in diesem Zusammenhang scherzhaft von der "geheimen Gesellschaft" gesprochen. Es scheint allerdings, dass sowohl Trump als auch seinen Anhängern der Sinn für Humor abhandengekommen ist, wenn es gegen ihr Lager geht.
Anfang November 2016 fand es die heutige Trump-Sprecherin Sanders übrigens gar nicht lustig, wenn jemand auf FBI-Agenten herumgehackt hat. "Wer FBI-Agenten attackiert, weil gegen ihn ermittelt wird, der wird verlieren", schrieb sie wenige Tage vor der Wahl auf Twitter. Damals allerdings ging es um die Kritik mancher Demokraten an den FBI-Ermittlungen in Clintons E-Mail-Affäre. Das ist natürlich etwas ganz anderes.