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US-Nuklearwaffen in Deutschland:Die Atombombe nebenan

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Anlässlich der Konferenz in New York über die Zukunft des Atomwaffensperrvertrags haben Politiker aus Regierung und Opposition den sofortigen Abzug aller US-Nuklearwaffen aus Deutschland gefordert. Doch wieviele Atomsprengköpfe befinden sich eigentlich auf deutschem Bundesgebiet? Wo sind sie stationiert?

Die US-Regierung selbst verweigert jegliche Auskunft über Ort und Zahl ihrer Atomwaffen in Europa. Nach Erkenntnissen des unabhängigen amerikanischen Instituts "Natural Resources Defence Council" (NRDC) lagern in Deutschland jedoch weitaus mehr US-Nuklearwaffen als bisher angenommen.

So verfügt die US-Armee laut einer NRDC-Studie über rund 150 Atombomben auf deutschem Bundesgebiet. Die Sprengköpfe lagern dem Bericht zufolge auf den Stützpunkten Büchel (Rheinland-Pfalz) und Ramstein (Rheinland-Pfalz). Bisher waren Experten von lediglich 65 Kernsprengköpfen in Deutschland ausgegangen.

In ganz Europa befinden sich der Studie zufolge rund 480 amerikanische Atombomben - neben den Standorten in Deutschland in Großbritannien, Belgien, Italien, Griechenland, in den Niederlanden und in der Türkei.

Das US-Arsenal in Europa sei demnach erheblich größer als die gesamte Atomstreitkraft Chinas. Ein Pentagon-Sprecher bestätigte im Februar der New York Times lediglich, dass die USA in Europa nach wie vor über ein beträchtliches Nuklear-Arsenal verfügten.

In dem NRDC-Bericht heißt es weiter: "Die politischen und militärischen Rechtfertigungen, die die USA und die Nato für die US-Atomwaffen in Europa angeben, sind nicht nur veraltet, sondern auch sehr unbestimmt." Die Langstreckenraketen, über die die USA und Großbritannien mittlerweile verfügten, machten die Stationierung von Atombomben in Europa überflüssig.

"Die noch in Deutschland lagernden Atomwaffen sind ein Relikt des Kalten Krieges", sagte deshalb auch Grünen-Chefin Claudia Roth in der aktuellen Montagsausgabe der Berliner Zeitung. Für nukleare Sprengköpfe auf deutschem Boden gebe es keine Notwendigkeit mehr. "Sie gehören abgezogen und vernichtet."

Ähnliche Forderungen stellten FDP-Chef Guido Westerwelle und der außenpolitische Sprecher der SPD, Gert Weisskirchen. Ein Abzug der Atomsprengköpfe würde "die Glaubwürdigkeit für Verhandlungslösungen mit Ländern stärken, die jenseits aller weltpolitischen Vernunft auf eine eigene atomare Aufrüstung setzen", sagte Westerwelle.

Mit dem Abzug der Kernwaffen könnten die Amerikaner ein Signal in Richtung Russland setzen und den Abrüstungsprozess wieder in Gang bringen, meinte Weisskirchen.

Auf der internationalen Konferenz in New York über die Zukunft des Atomwaffensperrvertrags wird Deutschland von Außenminister Joschka Fischer vertreten.

Ob sich Fischer mit Verve für einen Abzug der amerikanischen Atomsprengköpfe aus Deutschland einsetzen wird, dürfte jedoch eher unwahrscheinlich sein. Am Rande des Treffens will der grüne Außenminister eher für einen ständigen deutschen Sitz im Weltsicherheitsrat werben.

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