US-Kongresswahl:Obamas Koalition der Enttäuschten

Mark Udall

Der Demokrat Mark Udall ist Wahlverlierer in Colorado.

(Foto: AP)

In Colorado war Obama besonders populär, doch nun zieht dort ein Republikaner in den Senat. Der US-Bundesstaat zeigt exemplarisch, wie die Demokraten die Kongresswahl verloren haben: mit verbissenem Klein-Klein.

Von Matthias Kolb, Washington

Auch die größten Polit-Stars haben Mark Udall nicht retten können. Der ungemein populäre Ex-Präsident Bill Clinton, dessen mögliche Nach-Nachfolgerin Hillary Clinton, First Lady Michelle Obama, die liberale Ikone Elizabeth Warren - sie alle haben in Colorado für den demokratischen Senator geworben, aber der 64-jährige Udall hat trotzdem gegen den Republikaner Cory Gardner verloren.

Wie in Montana, West Virginia, Arkansas, South Dakota, North Carolina und Iowa haben die Wähler die Demokraten abgestraft und deutlich gemacht, dass sie künftig von einem Republikaner im Senat vertreten werden wollen. Die mit sechs Prozentpunkten deutliche Pleite in Colorado ist neben dem Debakel in Iowa wohl die schmerzlichste Niederlage für Obama und seine Partei, denn der US-Präsident wurde hier 2008 zum Kandidaten ausgerufen und erzielte bei seinen beiden Wahlerfolgen klare Siege.

Doch gerade, weil Barack Obama und seine Partei in diesem wichtigen swing state vor kurzem noch so populär waren und eine Koalition aus "jungen Leuten, Minderheiten und weißen Städtern" geschmiedet haben, illustriert das Ergebnis sehr genau, wieso die Demokraten nun die Mehrheit im Senat verloren haben.

Der "toxische Präsident" war eine große Last

Im sechsten Jahr seiner Amtszeit sind viele Amerikaner ihres Präsidenten überdrüssig. Nur 44 Prozent aller US-Bürger denken mittlerweile noch positiv über Obama, in Colorado liegt der Wert noch niedriger. Dabei geht es vor allem um ein Gefühl der Enttäuschung und der fehlenden Führungsstärke, denn die Bilanz des Demokraten (sinkende Arbeitslosigkeit, Millionen neue Jobs etc.) ist eigentlich recht ansehnlich.

Bei Wahlkampfterminen lobten viele Hardcore-Demokraten Obamas Fleiß und schimpften auf die Blockade der Republikaner, doch die parteiungebundenen Wähler verachten den Präsidenten immer stärker. Das wussten auch die Strategen und so tat auch Udall alles, um ja nicht mit ihm fotografiert zu werden. "Obama war hier unerwünscht", bilanziert Polit-Analyst Floyd Ciruli. Damit waren die Demokraten in der Defensive.

Latinos sind sauer wegen verschleppter Einwanderungsreform

Carla Castedo sitzt wenige Tage vor der Wahl in ihrem Büro in einem Vorort von Denver und windet sich. "Natürlich sind viele Latinos enttäuscht, dass Obama die Einwanderungsreform nicht weiter vorantreibt", sagt die 26-Jährige. Sie leitet das Colorado-Büro von "Mi Familia Vota", einer Organisation, die Hispanics zum Wählen motivieren will. Den Frust, dass Obama im Sommer nicht wie versprochen per Verfügung weitere Erleichterungen für Einwanderer angeordnet hat, haben Castedo und ihre Helfer gemerkt, wenn sie an die Türen klopfen.

Hier spiegelt sich der landesweite Trend einer leichten Entfremdung wider: Laut einer Pew-Umfrage sagten 57 Prozent der Latinos vor der Kongresswahl, dass sie für einen Demokraten stimmen wollten, während 28 Prozent mit den Republikanern sympathisierten. 2010 lagen die entsprechenden Werte noch bei 65 und 22 Prozent. Auch die Wahlbegeisterung der Latinos ging offenbar zurück - und das schadet in einem Staat wie Colorado, in dem 21 Prozent der Einwohner und 15 Prozent der Wähler aus spanischsprachigen Ländern kommen, den Demokraten ungemein. Weil viele Hispanics zu Hause blieben, hatte Senator Udall keine Chance.

Die Republikaner waren dieses Jahr smarter

Während die Konservativen zuletzt oft alte, weiße Männer mit radikalen Ansichten und Tea-Party-Background aufstellten, die ganz normale Bürger abschreckten (wie 2012 Todd Akin, der von "legitimer Vergewaltigung" sprach), blieben 2014 diese unliebsamen Überraschungen aus. Die Soldatin Joni Ernst aus Iowa etwa zieht nach einem furiosen Wahlkampf als Senatorin nach Washington und auch in Colorado setzte sich der Republikaner Cory Gardner durch (lesen Sie hier ein Porträt).

Der 40-Jährige ist durch und durch konservativ, aber er wirkt sympathisch, strahlt Optimismus aus und wirkt weniger weltfremd und verbissen. Solch simple Faktoren - gepaart mit dem Versprechen, sich für Kompromisse einzusetzen, die Colorado und dem Land nutzen - können manchmal schon genügen. Und Gardner war Profi genug, um die Vorgabe "Macht keine Fehler und redet nur über Obama, Obama, Obama" perfekt umzusetzen.

Der Vorteil bei den Wählerinnen schmilzt

Bei seiner Wiederwahl gewann Obama 2012 55 Prozent der Stimmen der Amerikanerinnen. Dieser Trend ist seit längerem bei Präsidentschaftswahlen zu beobachten: Männer wählen die Grand Old Party, Frauen die Demokraten. Doch weder in Colorado noch landesweit kam dieser Vorteil zum Tragen. Nachwahlbefragungen zufolge können sich die Demokraten zwar 2014 über einen knappen Vorsprung bei den Wählerinnen freuen, doch dies reichte nicht, um das männliche Übergewicht für die Republikaner auszugleichen.

Besonders beachtlich ist dies in Colorado: Hier hatten die Demokraten so viel über Abtreibung, Frauenrechte und Verhütungsmittel geredet, dass Mark Udall den Spitznamen "Senator Uterus" erhielt. Diese Taktik hat ihm mehr geschadet als genutzt - die Frauen kamen nicht in Scharen an die Urnen und viele Wähler waren erbost über diesen "Ein-Thema-Wahlkampf", der zeige, dass Udall wenig zu bieten habe.

Eine Wählergruppe, die den Demokraten stets die Treue hält, spielt in Colorado keine entscheidende Rolle: Der Anteil der Afroamerikaner liegt nur bei 4,4 Prozent. Bei Gesprächen rund um den Auftritt von Michelle Obama schien es nicht so, als habe die Begeisterung der Schwarzen für "ihren" Präsidenten merklich nachgelassen. Aber offenbar sind sie weder in Colorado noch in anderen umkämpften Staaten so zahlreich an die Urnen getreten, um den Demokraten zu helfen.

In den kommenden Tagen werden die Parteien analysieren, welche Faktoren in den 36 Senatswahlen entscheidend waren, wenn sie über genauere Daten verfügen. Doch aus der Niederlage von Mark Udall können Demokraten im ganzen Land etwas lernen. Sie wirkten zu verbissen, argumentierten im Klein-Klein und hatten keine Vision für Amerika. Die Wut auf Obama und das Versprechen der Republikaner, sich für Kompromisse einzusetzen, waren offenbar entscheidend für viele Wähler.

Cory Gardner, der neue Senator aus Colorado, sagte in seiner Siegesrede: "Dieses Ergebnis ist eine Warnung an alle, die es unterlassen haben, mutig die großen Herausforderungen anzugehen, vor denen unser Land steht." Die Bürger wünschten sich, dass Politiker Lösungen für ihre Probleme finden. Es bleibt eine gehörige Portion Skepsis, dass ausgerechnet die Republikaner diesen vernünftigen Worten Taten folgen lassen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: