US-Kongress: Streit über Etat:Die Macht der Geldbörse

Der US-Regierung droht der finanzielle Stillstand, denn Demokraten und Republikaner können sich nicht auf einen Haushaltsplan einigen. Es bleiben nur wenige Stunden bis zum Ablauf der letzten Frist. Geht die US-Regierung pleite? Wie viele Menschen sind betroffen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Caroline Ischinger

Sie haben die Nacht durchgearbeitet, aber eine Einigung konnten sie auch am Freitagmorgen nicht verkünden: Demokraten und Republikanern läuft in ihrem Streit um den US-Haushalt 2011 die Zeit davon. Beide scheinen bis zuletzt darauf zu setzen, dass die andere Seite einknickt. Wenn sich die beiden Parteien bis um Mitternacht US-amerikanischer Zeit nicht mindestens auf eine weitere Fristverlängerung verständigen können, droht der US-Regierung ein Ausgaben-Stopp.

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US-Präsident Barack Obama hofft, dass sich Demokraten und Republikaner in letzter Sekunde doch noch auf einen Kompromiss einigen können.

(Foto: dpa)

Obwohl das laufende Haushaltsjahr schon im Oktober begonnen hat, hat der US-Kongress das Budget immer noch nicht verabschiedet. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Regierung vor dem finanziellen Stillstand steht: Vor 15 Jahren musste US-Präsident Bill Clinton viele Bundesbehörden tagelang schließen, weil der republikanische Oppositionsführer Newt Gingrich sich gegen die Verabschiedung des Haushalts stellte.

Wie kann das passieren?

Der Kongress sitzt in den Vereinigten Staaten am Geldhahn der Regierung, beide Kammern müssen dem Haushaltsplan des Präsidenten vor seiner Verabschiedung zustimmen. Man nennt diese Macht von Repräsentantenhaus und Senat auch die "Power of the Purse": die Macht der Geldbörse.

Auf diese Weise können die Abgeordneten viele, auch außenpolitische Entscheidungen, der US-Regierung beeinflussen. Regelmäßig kommt es dabei zu Verspätungen, doch diesmal ist der Parteienstreit besonders dramatisch: Seit den Wahlen im November haben die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus, sie blockierten den Budgetplan von Barack Obama. Es hat schon sechs befristete Verlängerungen des Vorjahreshaushaltes gegeben, die letzte Frist läuft um Mitternacht aus. Auch eine weitere Verlängerung steht im Raum, aber die Republikaner binden ihr Angebot an die Bedingung weiterer Kürzungen, die Präsident Obama strikt ablehnt. Er kann eine Einigung im Kongress mit seinem Vetorecht stoppen.

Droht der US-Regierung die Pleite?

Nein. Auch wenn sich die Parteien bis um Mitternacht nicht auf eine Verlängerung oder gleich auf einen Haushaltsplan einigen können, bleibt die Regierung handlungsfähig. Aber alle vom Bund finanzierten Leistungen, die nicht "essentiell" sind, würden sofort unterbrochen. In US-Medien heißt es, dass etwa 800.000 Beamte vorläufig beurlaubt würden. Weil der Ablauf der Frist immer näher rückt, bereiten sich einige Behörden schon auf den "Shutdown" vor.

Dazu gehören etwa Museen wie die Sammlungen der berühmten Smithsonian Institution, aber auch Nationalparks wie der berühmte Yellowstone-Park. US-Soldaten im Einsatz würden vorläufig ihre Gehaltsschecks nicht einlösen können. Viele US-Bürger müssten auf Steuerrückzahlungen warten. Auch Kreditanträge für Einfamilienhäuser würden von den Behörden vorerst nicht bearbeitet, was Auswirkungen für den Immobilienmarkt bedeuten könnte.

Möglicherweise wären auch zwei Raumfahrten der Nasa betroffen: Der US-Shuttle Endeavour soll planmäßig am 29. April starten, Atlantis am 29. Juni. Außerdem würden nach einem Finanzierungsstopp keine Pässe mehr ausgestellt, US-Botschaften könnten keine Visa für die Einreise in die Vereinigten Staaten mehr ausstellen.

In den USA herrscht kurz vor dem Ablauf der Frist zudem Sorge über die wirtschaftlichen Folgen eines finanziellen Stillstands und die Reaktion an den Börsen. Ein Ausgaben-Stopp, der länger als eine Woche andauert, würde laut Experten der Investmentbank Goldman Sachs die US-Wirtschaft mit Kosten von acht Milliarden Dollar belasten und das Wachstum verlangsamen.

"Analysten und Marktteilnehmer handelten in der Vergangenheit selten rational. Man kann deshalb nicht vorhersehen, wohin die Schafsherde rennen würde", sagt Josef Braml, US-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Doch die Kreditwürdigkeit der USA "könnte darunter leiden".

Wie weit liegen die Positionen auseinander?

Das Haushaltsbudget der USA umfasst insgesamt etwa 3,7 Billionen Dollar. Der Streit zwischen Demokraten und Republikaner bezieht sich mittlerweile noch auf einen im Vergleich relativ kleinen Teil des Budgets, nämlich um einige Milliarden Dollar.

Der Verhandlungsführer der Republikaner, John Boehner, hatte zuletzt ein Angebot auf den Tisch gelegt, das Kürzungen von 39 Milliarden Dollar vorsieht. Für viele Republikaner ist es besonders wichtig, ihr Wahlversprechen über Kürzungen beim Staatshaushalt einzuhalten. Das letzte Angebot der Demokraten lautet weitere 34 Milliarden Dollar einzusparen. Der Streit um die fünf Milliarden Dollar Differenz sowie die Frage, wo gekürzt wird, könnte nun also den gesamten Haushalt lahmlegen.

Worum geht es inhaltlich in dem Streit?

Präsident Obama verkündete am Donnerstagabend, dass in den Verhandlungen Fortschritte erzielt worden seien. Er sehe aber noch keinen Grund für großen Optimismus. Denn der sich zuspitzende Konflikt der Parteien geht über einen reinen Haushaltsstreit hinaus.

"Es geht dabei auch um viel symbolische Politik", kommentiert DGAP-Experte Braml. Die politischen Kontrahenten versuchten, "rohes Fleisch für ihre Basis" zu bekommen - zum Beispiel die Abgeordneten der fiskalkonservativen Tea-Party-Bewegung, die radikale Einsparungen fordere und diese mit religiös-moralischen Forderungen verbräme, um damit auch die Unterstützung der christlich Konservativen innerhalb der Republikanischen Partei zu wahren. Zu den kontroversen Themen gehören auch die finanzielle Unterstützung für Schwangerschaftsberatungsstellen und für Abtreibungen in Washington D.C. sowie Gelder für den Umweltschutz.

Wer würde vom Shutdown profitieren?

"Die Parteien würden sich gegenseitig die Schuld an den Folgen in die Schuhe schieben", sagt Wissenschaftler Braml. "Aber von einem Shutdown würde keiner profitieren". Das bestätigt eine aktuelle Umfrage in den USA: 58 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sich die Parteien auf einen Kompromiss verständigen müssen. Braml geht davon aus, dass zuletzt doch "die Vernunft obsiegen wird".

Die Republikaner jedenfalls haben an den letzten Shutdown 1995 unter der Präsidentschaft Clinton keine gute Erinnerung: Nach dem wochenlangen finanziellen Stillstand Ende 1995 und Anfang 1996 gelang es Präsident Clinton, in den Augen der amerikanischen Öffentlichkeit die Republikaner für die geschlossenen Museen verantwortlich zu machen. Bei den anschließenden Wahlen im November 1996 besiegte Clinton 1996 den Republikaner Bob Dole deutlich.

Ansonsten aber, betont US-Experte Braml, hinke der Vergleich mit der Situation in den Clinton-Jahren: "Die wirtschaftliche Lage ist heute weitaus desaströser. Der Haushalt wurde in den letzten drei Haushaltsjahren bereits jeweils mit neun bis zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts überzogen. Zu der hohen Verschuldung kommen mittel- bis langfristig auch noch steigende Zinsen hinzu", sagt er.

"Die USA steuern auf eine Finanzkrise zu, wenn nicht gravierende Einschnitte gemacht werden". Der Streit der Parteien drehe sich derzeit angesichts dieser Lage um "Kinkerlitzchen", so Braml. Er verweist auf Alice Rivlin, Mitglied der US-Steuerkommissision, die in einem Interview befand: "Selbst wenn alles, was derzeit diskutiert wird, in Gesetzesform gegossen würde, wäre das kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein."

Vor diesem Hintergrund sei ein möglicher Shutdown sogar eine haushaltspolitische Chance für den US-Präsidenten, sagt Braml: "Eine solche Lage würde ihm helfen, endlich das zu machen, was er ohnehin machen muss: Sparen. Obama braucht gute politische Argumente, insbesondere gegenüber seinen gewerkschaftsnahen Parteifreunden, um den Haushalt in den Griff zu kriegen."

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