US-Kongress:Nach Attentat: Republikaner schwebt in Lebensgefahr

Lesezeit: 3 min

  • Ein Bernie-Sanders-Anhänger schießt auf ein Baseball-Team der Republikaner.
  • Fünf Menschen werden verletzt. Unter ihnen der hochrangige Abgeordnete Steve Scalise, der sich in kritischem Zustand befindet.
  • Die Polizei prüft nun, ob die Tat politisch motiviert war.

Von Beate Wild

Ein offenbar politisch motivierter Schusswaffen-Angriff hat Washington in einen Schockzustand versetzt. Als am frühen Morgen republikanische Kongressabgeordnete auf einem Baseballplatz für ein Benefizspiel trainierten, eröffnete ein Mann das Feuer. Fünf Menschen wurden getroffen und schwer verletzt - unter ihnen Steve Scalise, Abgeordneter aus Louisiana und der drittmächtigste Republikaner im Abgeordnetenhaus. Als "Majority Whip", als sogenannter "Einpeitscher" hält er seine Parteikollegen im Kongress auf Linie.

Neben Scalise zählen zwei Polizeibeamte, der Kongressmitarbeiter Zach Barth sowie der Tyson-Food-Lobbyist Matt Mika zu den Verletzten. Mika und Scalise wurden sofort operiert und befinden sich in kritischem Zustand. Scalise konnte weitere Treffer offenbar verhindern, indem er vom Platz robbte. Anwesende erzählten, der Schütze habe eine Serie von Schüssen abgegeben.

Befindet sich in kritischem Zustand: Der republikanische Abgeordnete Steve Scalise auf einer Pressekonferenz im Juni 2017 in Washington. (Foto: AFP)

Der Abgeordnete Mike Bishop berichtete: "Er hat Jagd auf uns gemacht. Es war ein derartiger Kugelhagel, ich konnte nicht aufstehen und wegrennen." Senator Rand Paul aus Kentucky, der sich ebenfalls unter den Sportlern befand, sagte "das Spielfeld war im Grunde ein 'killing field' - es ist wirklich krank und sehr traurig."

Der Schütze starb nach einem Schusswechsel mit der Polizei. Zeugen beschrieben den Täter als grauhaarig mit Bart und langem Gewehr. Die Ermittlungsbehörden identifizierten ihn später als James T. Hodgkinson III.

Wahlhelfer für Bernie Sanders

Der 66-Jährige, ein ehemaliger Haus-Inspekteur aus Belleville, Illinois, soll vergangenes Jahr Wahlkampfhelfer für den damaligen Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders gewesen sein. In einem Post auf seiner Facebook-Seite schrieb Hodgkinson: "Trump ist ein Verräter. Trump hat unsere Demokratie zerstört. Es ist Zeit, Trump & Co. zu zerstören."

Zudem war er Mitglied mehrere Gruppen mit Namen wie "Zerstört die republikanische Partei" oder "Die Straße zur Hölle ist gepflastert mit Republikanern". Die Zugehörigkeit wird nach der Tat in konservativen Kreisen als Indiz für eine Radikalisierung gewertet.

Der Täter: James Hodgkinson bei einer Demonstration im Jahr 2012 (Foto: AP)

Der republikanische Abgeordnete Jeff Duncan erzählte Reportern, dass er kurz vor der Schießerei in der Tiefgarage auf den mutmaßlichen Täter getroffen war. Dieser habe ihn gefragt, ob gerade die Republikaner oder Demokraten trainieren würden.

Das FBI erklärte zwar, dass die Ermittlungen noch andauern und es zu früh für die Klärung des Motivs sei. Dennoch wird längst debattiert, wie stark die aufgeheizte politische Lage mit der Tat zusammenhängen.

Michael Hodgkinson, der Bruder des mutmaßlichen Täters, sagte zur New York Times, er sei völlig überrascht. Fügte aber an: "Ich weiß, dass er nicht glücklich damit war, wie die Dinge liefen, das Wahlergebnis und das ganze Zeug." In Briefen an seine Lokalzeitung hatte sich der Mann häufiger über die Republikaner und deren Bevorzugung der Superreichen beschwert. Die Webseite Daily Beast schreibt unter Berufung auf Polizeiberichte, dass er im Jahr 2006 mit häuslicher Gewalt gegen seine Adoptivtochter aktenkundig wurde.

Der Bürgermeister von Alexandria erklärte, der Mann habe in den vergangenen anderthalb Monaten häufiger auf der Sportanlage trainiert und sei auf der Suche nach einer Arbeitsstelle gewesen. Offenbar habe er aus seiner Sporttasche gelebt.

Bernie Sanders verurteilte die Tat. "Diese verabscheuungswürdige Tat macht mich ganz krank", sagte er in einer Stellungnahme. Laut Mitarbeitern von Sanders war der Täter kein bezahlter Mitarbeiter, sondern einer von 10 000 freiwilligen Helfern. Die Führung der Demokraten betonte die Solidarität und verwies auf das Attentat auf die damalige demokratische Kongressabgeordnete Gaby Giffords, der ein Mann 2011 ins Gesicht geschossen hatte.

Die Republikaner im Kongress reagieren unterschiedlich. Während die Mehrheit der Politiker noch keine Verbindung zwischen dem Attentat und dem aufgeheizten Anti-Trump-Klima sehen, kritisierte der konservative Kongressabgeordnete Rodney Davis das Klima in Social Media und den Medien: Das Attentat sei die Folge des "politisch-rhetorischen Terrorismus", der 24 Stunden täglich in den USA herrsche.

Kritik an Linken und Eliten

Noch deutlicher äußern sich Persönlichkeiten des konservativen Spektrums. Trumps TV-Unterstützer Harlan Hill twitterte: "Ereignisse wie heute sind GENAU das, warum wir die New Yorker Eliten kritisiert haben, die den Mord an unserem Präsidenten glorifizieren." Er spielt damit auf Inszenierungen der Komödiantin Kathy Griffin und des Rappers Snoop Dogg an, die Gewalt gegenüber Trump-Puppen zum Gegenstand hatten.

Trumps Sohn Donald Jr. verbreitete Hills Tweet ebenfalls. Er twitterte zudem: "Es ist traurig, dass die Linke es heutzutage lieber sieht, dass Amerika leidet und scheitert, als dass es mit @realDonaldTrump am Steuer Erfolg hat."

Die republikanische Abgeordnete Claudia Tenney erhielt nach der Schießerei eine Droh-Email, wie CNN berichtet. Im Betreff der Nachricht hieß es: "One down, 216 to go" (was soviel bedeutet wie: Einer am Boden, 216 sind noch an der Reihe). Weiter hieß es in dem Drohbrief: "Wenn ihr normalen Menschen das Leben wegnehmt, um damit für die Reichsten unter uns zu zahlen, müsst ihr mit eurem Leben dafür büßen. Gewiss habt ihr eure Seele und Moral schon lange davor verloren. Auf Nimmerwiedersehen!"

Vertreter beider Parteien berichten über die Zunahme an Morddrohungen. In Washington gibt es deshalb Überlegungen, die Sicherheitsvorkehrungen rund um Kongress-Aktivitäten zu verstärken.

Das für Donnerstag geplante Baseballspiel zwischen Republikanern und Demokraten soll trotz des Vorfalls stattfinden. US-Präsident Trump hat seinen Besuch allerdings abgesagt. Trump, der am Mittwoch Geburtstag hatte, ächtete in einer Stellungnahme den "sehr, sehr brutalen Angriff" und besuchte Scalise am Abend im Krankenhaus.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: