US-Hilfe nach dem Erdbeben:Haiti hofft auf Hillary

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Nach dem Beben ist Haiti mehr denn je von internationaler Hilfe abhängig. Da hilft es, dass Außenministerin Clinton eine persönliche Beziehung zur Insel hat - und Washington klare Interessen.

Barbara Vorsamer

In den Herzen von Bill und Hillary hat Haiti einen besonderen Platz. Nach ihrer Heirat 1975 verbrachten die Clintons verspätete Flitterwochen an den weißen Stränden der karibischen Insel und verliebten sich in Land und Leute. Sie bereisten Haiti noch oft und besitzen mehrere Bilder haitianischer Künstler, die sie in jedem Haus aufhängen, in dem sie wohnen - auch im Weißen Haus.

US-Außenministerin informiert sich per Handy über die Situation in Haiti. (Foto: Foto: AFP)

Inzwischen ist der ehemalige US-Präsident Sondergesandter der Vereinten Nationen für Haiti, seine Frau Hillary US-Außenministerin. Der Inselstaat bedeutet ihnen nach wie vor viel.

Wegen des verheerenden Erdbebens, das Haiti am 12. Januar 2010 verwüstete, brach die Ministerin ihre Auslandsreise ab, die sie eigentlich noch nach Australien, Papua-Neuguinea und Neuseeland führen sollte. Sie flog zurück nach Washington, um die US-Hilfe für Haiti persönlich zu koordinieren.

Das Beben in Haiti nannte sie eine Katastrophe von "unvorstellbarem" Ausmaß und verglich es mit dem verheerenden Tsunami, der Weihnachten 2004 über Südost- und Südasien hereingebrochen ist. Mit Blick auf andere Naturkatastrophen, die Haiti kürzlich heimgesucht haben, sprach Clinton sichtlich bewegt von einer "biblischen Tragödie, die Haiti und die Haitianer weiter verfolgt". Im vergangenen Jahr sei das Land von vier Hurrikanen verwüstet worden.

Gerade habe man wieder positiv in die Zukunft geschaut, "da kommt Mutter Natur und macht einfach alles dem Erdboden gleich". Man werde den Haitianern die Hilfe geben, "die sie brauchen, um diese neue Katastrophe durchzustehen", sagte die Außenministerin.

Hillary Clinton hat bereits im vergangenen Jahr, kurz nach ihrem Amtsantritt, eine Geberkonferenz für das Land einberufen. 324 Millionen Dollar sammelte sie damals und sagte: "Diese kleine Nation steht am Abgrund."

Bill Clinton, der als Präsident im September 1994 Truppen zur Wiedereinsetzung des gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide nach Haiti entsandt hatte, ist seit Anfang 2009 UN-Sondergesandter für den Karibikstaat. Als solcher soll er bei Geldgebern und Firmen für Investitionen in dem Karibikstaat werben.

Gleich nach dem Erdbeben setzte sich Bill Clinton in einem Telefonat mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon für Haiti ein. Am Mittwoch besprachen Clinton und Ban bei einem persönlichen Treffen die internationale Hilfe.

Dass sich beide Clintons so intensiv für Haiti engagieren, könnte sich als großes Glück für die vom Pech verfolgte Insel erweisen. Denn nichts beeinflusst die Lage dort so stark wie die Beziehungen zum übermächtigen und nicht immer wohlgesinnten Nachbar USA. Die geographische Nähe und die wirtschaftliche und politische Dominanz der USA sind für Haiti Segen und Fluch zugleich.

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Die Amerikaner sind die größten bilateralen Geldgeber Haitis - sowohl bei der Entwicklungshilfe als auch bei privatwirtschaftlichen Investitionen. Regierung und Verwaltung der Insel funktionieren nur, solange finanzielle Hilfe von internationalen Organisationen und Nachbarstaaten fließt. Um es plastisch auszudrücken: Haiti hängt am Tropf.

Bill Clinton und Ban Ki Moon koordinieren die internationale Hilfe für Haiti. (Foto: Foto: AP)

Das US-Engagement ist allerdings kein selbstloser Akt. Die haitianische Hauptstadt Port-au-Prince liegt nur zwei Flugstunden von Miami in Florida entfernt. Um sich nicht mit Tausenden illegalen Einwanderern auseinandersetzen zu müssen, haben die USA ein Interesse an einem halbwegs stabilen Haiti. Außerdem ist die Karibikinsel ein Transitland für Drogen zwischen Süd- und Nordamerika - eine Entwicklung, die Washington ein Dorn im Auge ist.

Haiti ist ein gescheiterter Staat

Zu viel amerikanisches Engagement sehen wiederum die Haitianer nicht so gerne, denn ihre Erfahrung mit dem großen Nachbarstaat sind nicht nur positiv. Von 1915 bis 1934 hielt die US-Armee das Land militärisch besetzt. Auch danach mischten sich die Regierungen in Washington in die haitianische Innenpolitik ein. So gilt es als wahrscheinlich, dass die USA in den neunziger Jahren die mordende und folternde Militärjunta unterstützten, bevor sie dem von der Armee weggeputschten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide durch eine Intervention zurück an die Macht verhalfen.

Dabei haben die Länder einiges gemeinsam: Beide waren Vorreiter als unabhängige Staaten. Die USA sagten sich 1776 von Großbritannien los. Der von ehemaligen Sklaven besiedelte Westteil der Insel Hispaniola - damals hatte sie noch den Namen Saint-Domingue und war eine französische Kolonie - erklärte sich als erstes mittel- und südamerikanisches Land 1804 unabhängig.

Doch während Amerika stolz darauf ist, als "älteste Demokratie der Welt" ein stabiles und prosperierendes Land zu sein, war Haitis Geschichte von Gewaltherrschaft und Besetzungen geprägt. Dazu kommen bis heute: Korruption und Kriminalität, Armut und Hunger, Erdbeben und Wirbelstürme.

"Man wird Euch nicht vergessen"

Die von Christopher Kolumbus 1492 entdeckte Insel Hispaniola (La Española) hat eine tragische Geschichte und gilt als failed state: als gescheiterter Staat. Um Haiti nach dem Erdbeben aus seiner Misere zu helfen, braucht die internationale Gemeinschaft - und vor allem die USA - mehr Zeit und Geduld als bei den vorangegangen Krisen und Unglücken. Zu früh kehrten die Helfer dem Inselstaat nach jeder Katastrophe den Rücken.

Haiti muss hoffen, dass die US-Außenministerin Hillary Clinton und der UN-Sondergesandte Bill Clinton nicht so schnell wieder wegschauen. Unterstützung bekommen die Clintons auch von einem weiteren Ex-Präsidenten: George W. Bush wolle sich Bill bei dessen Hilfsbemühungen anschließen und ihn unterstützen, berichteten US-Medien, die sich auf einen Vertrauten Bushs bezogen.

US-Präsident Barack Obama gab unterdessen 100 Millionen US-Dollar für die Nothilfe frei. "Wir sagen den Menschen von Haiti klar und mit Überzeugung: Man wird Euch nicht vergessen. In dieser Stunde der größten Not steht Amerika Euch bei. Die Welt steht Euch bei", sagte Obama in Washington. Die US-Marine entsandte nach Angaben des Verteidigungsministeriums sieben Schiffe nach Haiti, darunter einen Flugzeugträger mit einer Besatzung von 3.200 Personen und das Hospitalschiff Comfort mit mehreren hundert Ärzten und Personal.

Hilfe aus Hollywood

Auch die öffentlichkeitswirksamen Spendenaufrufe aus Hollywood könnten Haiti zugute kommen. Zahlreiche Schauspieler und Musiker haben bereits ihre Unterstützung zugesagt und selbst gespendet. Die beiden Schauspieler Angelina Jolie und Brad Pitt etwa ließen der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen eine Million Dollar zukommen, wie People.com berichtet. "Es ist unglaublich fürchterlich, dass eine derartig schlimme Katastrophe ein Volk trifft, das schon so viele Jahrzehnte unter extremer Armut, Gewalt und Unruhen leidet", sagte Jolie.

Auch Hip-Hop-Star Wyclef Jean ruft die Welt dazu auf, seinem Geburtsland zu helfen. "Wir müssen sofort handeln", drängt er in seinem Spendenaufruf. Man müsse alles unternehmen, damit diese Katastrophe nicht noch schlimmer werde. Jean selbst war kurz nach Bekanntwerden des Bebens nach Haiti gereist, um sich dort um seine Familie und Mitarbeiter seiner Wohlfahrtsorganisation "Yéle Haiti" zu kümmern. Jolie und Pitt haben in den vergangenen Jahren zusammen mit Wyclef Jean das Land häufiger besucht und die 2005 ins Leben gerufene Hilfsinitiative des Musikers unterstützt. Doch erst, nach der Katastrophe, findet ihr Engagement für das bitterarme Land weltqweite Aufmerksamkeit.

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