US-Haushaltsstreit:Neunjähriger Ausreißer fliegt allein und ohne Ticket nach Las Vegas

Kein Bock mehr auf zu Hause: Ein kleiner Junge reißt in den USA von seinen Eltern aus und schmuggelt sich ohne Ticket in ein Flugzeug nach Las Vegas. Wie das passieren kann? Schuld soll der US-Haushaltsstreit sein.

Casinos, Revues, Luxushotels: Mitten in der Wüste Nevadas liegt Las Vegas, eines der beliebtesten Reiseziele in den USA. Mehr als 350 Millionen Gäste besuchen die Stadt nach Angaben der Stadtverwaltung jedes Jahr. Den größten Reiz dürfte Las Vegas für volljährige Touristen besitzen, immerhin ist die Stadt bei ihren Gästen für Glücksspiel, Prostitution und sonstige Ausschweifungen bekannt.

Aber auch auf Kinder übt die Zocker-Metropole im US-Bundesstaat Nevada offensichtlich eine starke Anziehungskraft aus. Wie US-Medien berichten, schmuggelte sich jüngst ein erst neun Jahre alter Junge in Minneapolis in ein Flugzeug mit Ziel Las Vegas.

Videoaufnahmen zeigten den jungen Ausreißer, wie er am Donnerstagvormittag die Sicherheitsschleusen auf dem Minneapolis-Saint Paul International Airport im Bundesstaat Minnesota passierte. Zuvor hatte er noch in einem Restaurant gespeist und die Zeche geprellt. Erst in der Luft wurde die Besatzung wegen des jungen Passagiers misstrauisch. Die von der Polizei eilig aufgesuchten Eltern des Jungen erklärten den Beamten, sie hätten von ihrem Sohn "heute noch nicht allzu viel gesehen".

Auf den ersten Blick ist es ein ungewöhnlicher Fall von Aufsichtspflichtverletzung. Doch die kuriose Flucht des neunjährigen Amerikaners hat auch eine politische Dimension. Wie kann ein Mensch ohne gültiges Ticket in ein Flugzeug gelangen? Die Transportsicherheitsbehörde (TSA) machte in einer Mitteilung die schlechte Personalsituation verantwortlich. Dem Fernsehsender CBS zufolge sagte ein Sprecher, dass wegen des US-Haushaltsstreits viele Flughafenmitarbeiter in Zwangsurlaub seien - und sich viel weniger Sicherheitskräfte im Einsatz befänden als sonst.

Shutdown belastet die USA

Die Anekdote des Ausreißers verdeutlicht, wie stark der "government shutdown" das öffentliche Leben in den Vereinigten Staaten beeinträchtigt. Der Verwaltungsapparat steht teilweise still, weil sich der Kongress nicht rechtzeitig auf ein Haushaltsgesetz einigen konnte. Hunderttausende Staatsbedienstete müssen deshalb seit vergangener Woche unbezahlt zu Hause bleiben. Nationalparks, Kunstsammlungen, Denkmäler und Museen bleiben teilweise geschlossen.

Der Streit um den Haushalt der USA wirkt sich auch auf wichtige staatliche Stellen, die Wirtschaft und die Außenpolitik aus. Nahrungsmittelinspekteure arbeiten nicht, ebenso sind Webseiten von Behörden deaktiviert. Sogar die US-Bundessteuerbehörde stellte den Betrieb ein. Eine Übersichtsseite der Washington Post informiert darüber, welche staatlichen Stellen geöffnet bleiben und welche geschlossen sind.

Die Bundespolizei FBI stellt seit einer Woche nur noch Informationen online, die in "direktem Bezug zum Schutz von Leben und Eigentum" stehen. Auch das Verteidigungsministerium warnt seit dem "Shutdown" mit einem roten Balken, dass Inhalte auf seiner Homepage veraltet sein können. Ähnliche Warnungen finden sich beim Justiz- und beim Handelsministerium. Die Seite der Raumfahrtbehörde Nasa ist überhaupt nicht mehr erreichbar.

Sogar die Verhandlungen über eine Freihandelszone mit der Europäischen Union musste die US-Regierung verschieben. Wegen der Haushaltskrise können US-Vertreter nicht wie geplant nach Brüssel reisen. Eigentlich hätte in der kommenden Woche die zweite Gesprächsrunde der Unterhändler aus den USA und der EU über den umfassenden Abbau der Handelsbarrieren zwischen den beiden Wirtschaftsräumen beginnen sollen.

Kompromissfindung weiter schwierig

Auch die Veröffentlichung wichtiger Arbeitsmarktdaten musste wegen des Zwangsurlaubs von Regierungsangestellten auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Das Arbeitsministerium in Washington sollte die Arbeitslosenzahlen eigentlich am Freitagnachmittag vorstellen. Die Daten werden am Finanzmarkt stark beachtet.

Am Wochenende fand der tief gespaltene Kongress weiter keinen Kompromiss. Zumindest für die beurlaubten Staatsdiener gab es aber einen Lichtblick. Sie sollen rückwirkend ihr Gehalt bekommen, sobald der Streit beendet ist. Das Abgeordnetenhaus billigte am Samstag einstimmig einen entsprechenden Gesetzentwurf. Das Abstimmungsergebnis von 407 zu 0 Stimmen war ein erstes Zeichen der Einigung nach tagelanger politischer Blockade.

Auch für die Mitarbeiter des Pentagon gab es am Wochenende nach Tagen der Unsicherheit über ausbleibende Gehaltschecks gute Nachrichten. Das US-Verteidigungsministerium entschied, "die meisten" seiner etwa 400.000 beurlaubten Mitarbeiter sollen ab Montag wieder arbeiten. Obama hatte kurz vor dem "Shutdown" ein entsprechendes Gesetz zur Finanzierung des Militärs unterzeichnet.

Ohne rechtzeitige Einigung wirkt sich der Notstand ab diesem Montag auch auf Tausende potenzielle Immobilienkäufer aus. Einem Bericht der Washington Post zufolge könnten die Immobilienhändler ohne wichtige Unterlagen der lahmgelegten Behörden ihre Geschäfte nicht abschließen.

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