US-Haushaltsstreit:Harte Landung

President Barack Obama talks with Senate Majority Leader Harry Reid and Sen. Patrick Leahy after delivering his State of the Union address on Capitol Hill in Washington

Barack Obama (rechts in der Mitte) spricht mit dem demokratischen Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid (Archivbild): Wie hart wird die Landung?

(Foto: Reuters)

Obama und dem US-Kongress läuft die Zeit davon: In wenigen Tagen drohen Amerikas Bürgern automatisch Steuererhöhungen und den Regierungsbehörden drastische Kürzungen. Dass das Land von der Steuerklippe stürzt, gilt als äußerst wahrscheinlich - nun soll ein Hintertür-Kompromiss die Geringverdiener schützen.

Von Johannes Kuhn

Es war ein symbolischer Akt, der Handlungsbereitschaft signalisieren sollte: Am Mittwoch brach US-Präsident Barack Obama seinen Weihnachtsurlaub in Hawaii ab, am Donnerstagmorgen Ortszeit wird er ins Weiße Haus zurückkehren.

Die Zeit drängt, denn bis zum Jahreswechsel muss eine Lösung im Haushaltsstreit gefunden werden, sonst droht der Sturz von der "Fiskalklippe": Die Steuern fast aller Amerikaner würden automatisch erhöht, Ausgaben gekürzt - und der Wirtschaft damit möglicherweise so viel Geld entzogen, dass die Konjunktur einbrechen könnte.

Nachdem Obama und die Republikaner bereits seit Wochen erfolglos verhandeln, bleiben nun nur noch wenige Tage. Wahrscheinlich zu wenige. "Fast alle wichtigen Akteure der Verhandlungen einigen sich langsam auf eine Tatsache: Ein Deal bis zum Januar ist quasi unmöglich", schreibt das gewöhnlich gut informierte Portal Politico.

Während der Weihnachtstage sprachen die Streitparteien offenbar nicht miteinander. Noch ist unklar, ob und wann sich Obama erneut mit dem republikanischen Verhandlungsführer John Boehner treffen wird. Der war Ende vergangener Woche von seinen Parteikollegen im Repräsentantenhaus düpiert worden, als diese ihm eine Mehrheit für seinen Kompromissvorschlag verweigerten. Boehners "Plan B" sah höhere Abgaben für Einkommen ab einer Million Dollar vor; Obama will die Schwelle bei 400.000 Dollar ansetzen.

Nun droht auch noch die Schuldengrenze

Inzwischen hat sich auch Finanzminister Timothy Geithner eingeschaltet: Er warnte davor, dass die USA am 1. Januar erneut die Schuldengrenze erreichen und damit de facto zahlungsunfähig wären. Mit einigen Umbuchungen will er nun 200 Milliarden Dollar freimachen, um den kompletten Ausgabenstopp um weitere zwei Monate hinauszuzögern. So sollen die Investitionen in einen Pensionsfonds für Staatsbeamte und Post-Mitarbeiter zunächst ausgesetzt werden, auch die Einzahlungen in einen Notfall-Topf zur Stützung des Dollar werden gestoppt.

Allerdings könne er wegen der laufenden Verhandlungen nicht kalkulieren, wie sich die Steuereinnahmen entwickelten, schrieb er in einem Brief an die Fraktionsführer im Kongress. Übersetzt: Der Moment, in dem Washington weder seine Beamten, noch seine Schuldzinsen bezahlen kann, ist womöglich schon in einigen Wochen erreicht. Geither erhöht damit den Druck auf die Republikaner, Obamas Wunsch nach einer erneuten Erhöhung der gesetzlichen Schuldengrenze zuzustimmen - unabhängig von der Fiskalklippe. Die Konservativen wollen die Schulden zum Teil der Haushaltsverhandlungen machen.

Hoffnung auf den Januar

Am Donnerstag wird auch der von den Demokraten dominierte Senat wieder zusammenkommen. Allerdings ist unklar, ob in diesem Jahr noch eine Initiative zu erwarten ist: Boehner hat das Repräsentantenhaus noch nicht aus der Winterpause nach Washington gerufen und argumentiert, der Senat müsse erst einmal einen neuen Vorschlag einbringen.

Der dortige demokratische Mehrheitsführer Harry Reid lehnt dies offiziell ab, arbeitet aber Berichten zufolge bereits hinter den Kulissen an einer möglichen Lösung: Ein Gesetz könnte die Steuererleichterungen für Haushalte mit weniger als 250.000 Dollar Einkommen ebenso verlängern wie die Arbeitslosenhilfe, die sonst für mehr als zwei Millionen Amerikaner von Januar an wegfallen würde. Damit müssten die Republikaner keinen Steuererhöhungen zustimmen - die würden für Besserverdiener durch die Gesetzesautomatismen ohnehin ab 1.1. in Kraft treten.

Ein solcher Kompromiss würde den Sturz über die Fiskalklippe zwar nicht verhindern, doch die größten sozialen Auswirkungen wären zumindest abgemindert. Im Januar könnte dann der neugewählte Kongress die Verhandlungen über Ausgabenkürzungen und Schuldengrenze wieder aufnehmen.

Vor allem den Republikanern käme das gelegen: Sollte dabei ein Teil der automatischen Steuererhöhungen rückgängig gemacht werden, könnten sie dies ihrer Basis sogar als Steuererleichterungen verkaufen. Auch ihr Verhandlungsführer John Boehner hat in einigen Tagen mehr Freiraum: Er soll am 3. Januar erneut zum Sprecher seiner Partei im Repräsentantenhaus gewählt werden.

Wie agieren die Republikaner im Senat?

Allerdings ist unklar, ob Mitch McConnell, der die Republikaner im Senat anführt, die für ein solches Szenario notwendige Zwischenlösung in den kommenden Tagen unterstützten würde. Immerhin hätte er die Möglichkeit, die Demokraten mit ihrem Entwurf auflaufen zu lassen und sich damit vor der Basis als prinzipientreu zu präsentieren. Zudem müsste Boehner im Repräsentantenhaus den Demokraten zu einer Mehrheit verhelfen - zum Beispiel, indem er ausscheidende konservative Abgeordnete zu einem Ja-Votum überredet.

"Ich glaube, dass wir in den ersten Januarwochen eine Einigung erreichen werden", erklärte am Mittwoch der demokratische Abgeordnete Jim Himes, "das bedeutet aber, dass wir technisch über die Fiskalklippe gehen werden." An dieser Aussage zweifelt inzwischen kaum jemand mehr - in den kommenden Tagen geht es nur darum, wie hart die Amerikaner landen.

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