Wenn Mitt Romney Spenden sammelt, dann üblicherweise für seine Wahlkampfkasse. Doch im Angesicht des Sturms Sandy sammelt der Republikaner für andere Menschen. In Ohio brachten ihm die Bürger Lebensmittel und Fernsehgeräte für Opfer des Hurrikanes. Wo denn die Not am größten sei, wollten Reporter wissen. "Ich glaube in New Jersey", sagte der Präsidentschaftskandidat.
Tatsächlich hat es den Bundesstaat heftig erwischt. Die berühmte Küste ("Jersey Shore") ist verwüstet, 2,5 Millionen Menschen sind ohne Strom. Aber politische Beobachter interpretieren die Aussage anders: New Jersey könnte auch einen Notfall für Romneys Kampagne bedeuten. Ausgerechnet ein Parteifreund bringt ihn dort mit seinen Aussagen in Schwierigkeiten.
Der republikanische Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, schwärmt seit Tagen öffentlich von der Führungsstärke Barack Obamas. Der Präsident habe sich "großartig", "wundervoll" und "verdienstvoll" verhalten, sagte Christie in diverse TV-Kameras. An diesem Mittwoch wollen Christie und Obama zu einer gemeinsamen Tour aufbrechen, um die Schäden zu begutachten, die Sandy hinterlassen hat.
Für Romney bahnt sich ein PR-Desaster an. Zwar gilt New Jersey nicht als wahlentscheidender swing state, Umfragen deuten dort klar auf einen Sieg Obamas hin. Doch die Fotos des Präsidenten als tatkräftiger Krisenmanager werden im ganzen Land Verbreitung finden. Schon jetzt tut sich die Romney-Kampagne schwer, angemessen auf die Sandy-Krise zu reagieren. Die zu Spendengalas umgewidmeten Wahlkampfauftritte wirken im Vergleich zu Obama eher kleinlich.
Der Haussender Fox News versuchte es mit Schadensbegrenzung und bat Christie, etwas zu einer möglichen Tour von Romney durch New Jersey zu sagen. Der Gouverneur antwortete schroff: "Davon weiß ich nichts und es interessiert mich auch nicht." Er habe "einen Job zu erledigen", der weit über den Wahlkampf hinausgehe.
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Für solche Aussagen lieben ihn nicht nur Republikaner. Christie, 1962 geboren, gelernter Jurist, arbeitete lange als Bundesstaatsanwalt, ehe er 2010 Gouverneur von New Jersey wurde - und eine achtjährige Herrschaft der Demokraten beendete. Schlagzeilen machte er fortan mit einem knallharten Sparkurs und markigen Worten.
"Zur Hölle, bewegt eure Hintern weg vom Strand!", rief er den Bürger zu, als 2011 der Hurrikan Irene auf New Jersey zurollte. Als Sandy nun auf den Bundesstaat traf, verkündete Christie bei Twitter, er werde Halloween per Verordnung verschieben lassen, sollte es für "Süßes oder Saures" auf den Straßen noch zu unsicher sein.
Christies hemdsärmeliger, bisweilen ungehobelter Stil erinnert an Boris Johnson, den Bürgermeister von London, der in der Gunst vieler Briten mittlerweile höher steht als Premier David Cameron. Bei Christie und Romney verhält es sich ähnlich.
Der stark übergewichtige Gouverneur - er sagt von sich selbst, er sei "ziemlich fett" - wurde 2011 von Parteiprominenten wie Henry Kissinger und Nancy Reagan dazu gedrängt, an Romneys Stelle als Präsident zu kandidieren. Doch Christie sagte ab. Er bezweifele, schon genügend Erfahrung zu haben.
Auch als Vizepräsidentschaftkandidat wurde Christie gehandelt. Doch seine liberalen Tendenzen - Christie ist für ein strengeres Waffenrecht und einen toleranten Umgang mit Homosexuellen und illegalen Einwanderern - hätten es Romney schwergemacht, beim erzkonservativen Flügel zu punkten. Der Republikaner wählte stattdessen Paul Ryan.
Im Wahlkampf stichelte Christie wiederholt gegen Romney. Er schloss sich früh den Rufen der Liberalen an, Romney solle seine Steuererklärung öffentlich machen. Vor der ersten TV-Debatte machte er Druck auf Romney, indem er verkündete, das Duell werde "die ganze Dynamik dieses Rennens ändern".
Er kann nur gewinnen
Beim Krönungsparteitag der Republikaner in Tampa hielt Christie die keynote speech. Erst nach 17 Minuten fiel darin zum ersten Mal der Name Mitt Romney. In Umfragen gab eine Mehrheit der Republikaner anschließend an, Christie habe eher in eigener Sache geworben als für Romney.
Bereitet da einer seine eigene Präsidentschaftskampagne vor? Angesichts von Christies Lobeshymnen auf Obama wird dieser Verdacht in US-Medien verstärkt diskutiert. Die Kolumnistin Joan Walsh bescheinigt dem Gouverneur, taktisch klug zu agieren: Seine Beliebtheit als Gouverneur hänge davon ab, wie er den Sturm bewältige. Dabei könne ihm der US-Präsident helfen. Seine distanzierte Haltung zu Romney mache Christie zudem glaubwürdig, sollte der Republikaner verlieren. In diesem Fall sei der Weg für eine Kandidatur bei der Wahl 2016 für Christie frei. Dazu müsste er jedoch 2014 in New Jersey wiedergewählt - und eine gute Leistung als Katastrophenhelfer würde da sicher helfen.
Der Gouverneur selbst äußert sich zu solchen Spekulationen nicht. Bei Twitter schrieb er: "Noch haben sich die Wolken nicht verzogen, um den Blick auf die Sonne freizugeben. Aber das ist Teil meines Jobs."