Süddeutsche Zeitung

US-Gesundheitsreform:Republikaner kämpfen die letzten Rückzugsgefechte

  • Die Reform der US-Krankenversicherung ist gescheitert.
  • Ein neuer Plan will nun Obamacare ersatzlos abschaffen - und irgendwann später eine neue Lösung finden.
  • Doch auch diese Variante findet keine Mehrheit im Senat.

Von Beate Wild

Senatsführer Mitch McConnell ist ein Mann, der die Umsetzung seiner Ziele eisern verfolgt. Selbst wenn die Lage aussichtslos erscheint. Als am Montagabend sein zweiter Anlauf, Obamas Krankenversicherung abzuschaffen, scheiterte, markierte das für den Republikaner und seine Partei zwar eine bittere Niederlage - doch innerhalb weniger Stunden brachte der Senator aus Kentucky einen neuen Plan ins Spiel.

McConnell will nach wie vor "Obamacare" abschaffen - doch dieses Mal zunächst ohne einen adäquaten Ersatz dafür. Ob er diesen inzwischen dritten Anlauf aus fester Überzeugung unternimmt oder es sich nur um Rückzugsgefechte handelt, ist unklar. Nichts könnte den Konservativen an der Basis mehr schaden als der Eindruck, nicht alles versucht zu haben, ihr zentrales Versprechen umzusetzen.

McConnells Idee ist nicht neu. Ein entsprechendes Gesetz hatten die Republikaner bereits im Januar 2016 verabschiedet. Der damalige Präsident Barack Obama blockierte das Vorhaben aber umgehend mit seinem Veto. Damals galt das Gesetz als Trockenübung für den Fall, dass ein republikanischer Präsident ins Weiße Haus einzieht.

McConnell skizzierte am Dienstag im Senat eine "zweijährige Übergangsphase", bis die Abschaffung vollendet sei. Die Idee dahinter: Wenn die alte Versicherung erst einmal außer Kraft gesetzt ist, können die Republikaner Druck auf die Demokraten ausüben und sie so leichter an den Verhandlungstisch zwingen. Außerdem gewinnen sie Zeit.

"Ich bin nicht nach Washington gekommen, um den Menschen weh zu tun"

Der Kongress-Rechnungshof, der McConnells Plan schon 2015 durchgerechnet hat, stellte damals fest: 18 Millionen Amerikaner würden dabei innerhalb eines Jahres ihren Versicherungsschutz verlieren. Bis zum Jahr 2026 sogar 32 Millionen. Die Versicherungsbeiträge würden stark ansteigen, im ersten Jahr bereits um 20 Prozent, bis 2026 um das Doppelte. Diese Lösung würde zudem Medicaid, die Versicherung für Alte, Arme und Behinderte, eliminieren. Kurz: Diese Variante wäre noch um einiges folgenreicher als die beiden früheren Entwürfe.

Rand Paul (Kentucky), Jerry Moran (Kansas) und Mike Lee (Utah) signalisierten Zustimmung zu diesem Vorschlag - die drei Hardliner hatten McConnells ursprüngliches Gesetz abgelehnt: Diese Version von "Trumpcare" war ihnen nicht marktliberal genug.

Doch es gibt es auch republikanische Senatoren, die anders denken. "Ich bin nicht nach Washington gekommen, um den Menschen weh zu tun", sagte Shelley Moore Capito, Senatorin aus West Virginia. Sie hat - ebenso wie Lisa Murkowski (Alaska) und Susan Collins (Maine) - bereits am Dienstag angekündigt, McConnells Abschaffung ohne Ersatz nicht zu unterstützen.

Weitere Senatoren, wie etwa Rob Portman (Ohio), haben ebenfalls angedeutet, sich dem neuen Vorhaben in den Weg zu stellen. "Wir haben mindestens fünf, sechs Leute, die bereits angekündigt haben, dass sie mit 'Nein' stimmen werden", sagte Senator Pat Roberts (Kansas) zu Politico. Das wären deutlich mehr als die zwei Abweichler, die sich McConnell leisten könnte. Der Entwurf würde in diesem Fall nicht einmal auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Im Grunde ist also auch der dritte Anlauf der Republikaner, "Obamacare" abzuschaffen, vorerst zum Scheitern verurteilt. McConnell will jedoch trotzdem bereits kommende Woche über den Vorschlag abstimmen lassen. Bei einer Abstimmung muss jeder Senator Farbe bekennen und später seine Entscheidung vor dem Wahlvolk rechtfertigen. Gerade bei den Vorwahlen könnte dies die Chancen von Gegenkandidaten aus dem eigenen Lager erhöhen.

Für Präsident Donald Trump ist das Scheitern bei der Krankenversicherung ebenfalls eine große Schlappe. Schließlich handelt es sich hier um ein zentrales Wahlversprechen. Am Dienstag sagte er, sein Plan sei nun, "Obamacare scheitern zu lassen".

Dann würden die Demokraten schon von sich aus ankommen und die Republikaner anbetteln, mit ihnen eine neue Versicherung auszuhandeln. Sollte Obamacare implodieren, trügen die Demokraten die Schuld daran, so Trump. "Ich kann Euch sagen, die Republikaner werden sich die Schuld nicht in die Schuhe schieben lassen", sagte er zu Reportern.

Studien zufolge ist der Obamacare-Markt stabil

Dass Obamacare in sich zusammenbricht, scheint jedoch derzeit unrealistisch. Denn Trumps Behauptung, Obamacare sei ein "Desaster", das nicht länger funktioniere, ist nicht korrekt. Einer Analyse der Kaiser Foundation zufolge ist Obamas Krankenversicherung seit diesem Jahr dabei, sich zu stabilisieren. Versicherer hätten mehr Umsatz pro Person gemacht. 2017 könnten sie landesweit mit Profiten rechnen, heißt es in dem Papier.

Auch der Kongress-Rechnungshof schätzte den Obamacare-Markt auf lange Sicht hin als stabil ein, wenn es keine signifikanten Änderungen gebe. Allerdings ist weiterhin das Problem ungelöst, dass für manche Versicherte die Beiträge stetig und teilweise überproportional steigen.

Um dies in Angriff zu nehmen, haben bereits elf Senatoren aus beiden Parteien angekündigt, gemeinsam eine bilaterale Lösung finden zu wollen. Ob aus dem Vorstoß etwas wird, ist angesichts der verhärteten politischen Fronten jedoch fraglich.

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